«The Face of an Angel»: Der Film zum Knox-Prozess
Mit diesem Urteil hatten selbst die Verteidiger nicht gerechnet: Freitagnacht beendete das höchste Gericht Italiens mit einem Freispruch das siebenjährige Justizdrama um die Amerikanerin Amanda Knox, und damit auch das Medienspektakel um den sogenannten «Engel mit den Eisaugen».
Knox war erstmals 2007 angeklagt worden, mit ihrem damaligen Freund ihre Mitbewohnerin Meredith Kercher ermordet zu haben. Das Urteil ist ein PR-Glücksfall für den britischen Autorenfilmer Michael Winterbottom, dessen Film «The Face of an Angel» zeitgleich am Freitagabend in die britischen Kinos kam.
Winterbottom gilt als einer der produktivsten britischen Filmemacher, mit unterschiedlichem Erfolg an den Kinokassen. Er greift gerne auf wahre Geschichten zurück, zum Beispiel in «24 Hour Party People» und «The Road to Guantanamo». Sein neuster Film basiert auf dem Buch «Angel Face» der amerikanischen Journalistin Barbie Latza Nadeau. «Du kannst die Wahrheit nur als Spielfilm erzählen», rät ihr Alter Ego, die Journalistin Simone, Winterbottoms Alter Ego Thomas im Film.
«The Face of an Angel» erzählt, wie der Filmemacher Thomas versucht, einen Film über einen Mordfall zu machen - und scheitert. Für Thomas ist das die Chance, seine Midlife Crisis und seinen letzten Flop zu überwinden. Wieso er als Leitfaden dazu ausgerechnet Dantes «Göttliche Komödie» heranzieht, überrascht Winterbottom-Fans nicht: Der Filmemacher wählt lieber Umwege als gradlinigen Geschichten.
Doch diesmal verwickelt er sich in seinen Reflexionen, anstatt befriedigende Antworten zu liefern. Selbst die ausgezeichnete Besetzung kann dem Film nicht über die erzählerischen Wirren hinweghelfen. Daniel Brühl (Thomas) wurde international bekannt mit seiner Darstellung von Rennfahrer Niki Lauda in «Rush» und «Good Bye Lenin!». Kate Beckinsale (Simone) drehte gerade eine weitere Folge der Action-Horror-Serie «Underworld», und Supermodel Cara Delevingne machten buschige Augenbrauen bei zwei Millionen Twitter- und zehn Millionen Instagram-Anhängern begehrenswert.
Sie spielt die koboldhafte Studentin Melanie, wohl Thomas' Sinnbild für die Unschuld des Mordopfers. Doch manchmal gleitet der Film ab in eine bizarre Beziehung zwischen junger Studentin und mittelaltem, depressivem Mann, der sie benutzt, um seine Jugend und Potenz wiederzufinden. Zum Glück bringt der charismatische Sensationsjournalist Joe (John Hopkins) eine Prise Realität in die Geschichte. Er ist der einzige, der Thomas als gefallenen Moralapostel bloßstellt.
Ansonsten bläst Thomas meistens Trübsal, schnupft Kokain und ergeht sich in Tagträumen, die in gewaltsamen Visionen enden - einer modernen Version von Dantes Inferno, bis selbst seine Produzenten im Film die Geduld mit ihm verlieren.
Winterbottom legte großen Wert darauf, dass der Bruder des Mordopfers den Film sah, bevor er «The Face of an Angel» dem Gedenken an Meredith Kercher widmete. Doch er verliert sein Ziel aus den Augen, den Verlust einer geliebten Person ins Zentrum seines Films zu rücken. Leider verheddert sich der Filmemacher in seiner Suche nach einer angeblichen «Wahrheit».
«The Face of an Angel» feierte seine Premiere auf dem Toronto Film Festival 2014 und wird voraussichtlich am 21. Mai als «Die Augen des Engels» in Deutschland starten.