Die Oscars werden immer mehr zu einer Lachnummer

Haben die Oscars an Profil eingebüßt? (Photo: Chris Pizzello/Invision/AP)
Haben die Oscars an Profil eingebüßt? (Photo: Chris Pizzello/Invision/AP)

Die Oscars waren in den letzten Monaten mehrfach in Kritik geraten. Mal wollte die Academy einen Preis für den populären Film einführen. Dann scheiterte sie im Vorhaben, die Preisverleihung zulasten vierer Preiskategorien zu kürzen. Die Oscars wollen sich neu ausrichten, verkommen aber immer mehr zu einer Lachnummer.

Für den Fall, dass es noch nicht alle mitbekommen haben: Die Oscars stecken tief in der Krise. Wie sonst sind die vielen kruden Beschlüsse und die ebenso vielen kleinmütigen Dementis in den letzten Monaten und Jahren zu verstehen, denn als verkrampfter Versuch der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, wieder an Profil und Bedeutung zu gewinnen?

Immerhin: Eine ihrer größten Baustellen hat die Academy zuletzt recht passabel über die Bühne gebracht. Nach heftiger Kritik angesichts von Phänomenen wie Rassismus und Sexismus, die auch in Hollywood vor oder hinter den Kulissen mehr oder weniger offen zu Tage treten, leitete der Verband letztes Jahr einen Strukturwandel ein. Er erweiterte seine Mitglieder um fast tausend Filmschaffende – viele von ihnen sind jung, weiblich und nicht-weiß. Damit sollte es zumindest bei der Vergabe des wichtigsten Filmpreises der USA gerecht zugehen. Ob künftig allerdings tatsächlich mehr Frauen oder nicht-weiße Filmschaffende bei der Oscar-Vergabe gewürdigt werden, das wird abzuwarten sein. Dieses Jahr immerhin hielt sich die Kritik nach Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen in Grenzen.

Die Oscars sind ein Flop

Hinsichtlich des anderen großen Problems tritt die Academy jedoch ein ums andere Mal ins Fettnäpfchen. Der Oscar-Zeremonie, die in den USA vom Fernsehsender ABC ausgestrahlt wird, laufen nämlich zunehmend die Zuschauer davon. Die letzte Preisverleihung hatten gerademal 26,5 Millionen Amerikaner geschaut. 2017 waren es noch 33 Millionen. Der Rekord liegt bei 55,2 Millionen. Das war 1998, als “Titanic” fast alle Preise abgeräumt hatte. Den Abwärtstrend aufzuhalten hat sich die Academy also mit fetten Buchstaben auf die Fahne geschrieben.

Kann der Oscar sich wieder aufrichten? (Photo: Chris Pizzello/Invision/AP)
Kann der Oscar sich wieder aufrichten? (Photo: Chris Pizzello/Invision/AP)

Im Spätsommer 2018 präsentiere sie dann einen umfangreichen Maßnahmekatalog. Demnach sollte die Oscar-Gala in drei wichtigen Punkten reformiert werden, damit sie für die Zuschauer wieder attraktiver wird. Erstens soll die Verleihung zeitlich vorverlegt werden; diese Neuerung tritt erst 2020 in Kraft. Zweitens wollte die Academy schon dieses Jahr mit einer 25. Preiskategorie auch den populären Film, Blockbuster also, würdigen. Und schließlich wollte sie die Oscar-Show – ebenso beginnend mit der diesjährigen Ausgabe – zeitlich straffen von etwa vier auf rund drei Stunden.

Am ersten Punkt hatte kaum einer etwas auszusetzen. Bei den Plänen um den Preis für den populären Film bekam die Academy allerdings schon bald einen so heftigen Gegenwind zu spüren, dass sie diese erst mal auf Eis legte. Man wolle mit den Mitgliedern nochmal diskutieren und den Vorschlag weiter prüfen, hieß es kleinlaut. Dann war man gespannt, wie die Veranstalter das Ziel einer kürzeren Sendung umsetzen würden. Eines war klar: Einige Preise würden der Werbepause geopfert werden. Nur welche? Die Enttäuschung war groß und das Entsetzen noch größer, als die Academy Anfang Februar die Bombe endlich platzen ließ.

Film ohne Schnitt und Kamera?

Opfer der Kürzung sollten die Sparten Kamera, Schnitt, Live Action-Kurzfilm sowie Make-Up werden. Die Kritiker ließen sich auch von der Versicherung der Academy nicht besänftigen, dass jedes Jahr andere Kategorien betroffen sein würden. Einer der ersten, der sich öffentlich empörte, war Guillermo del Toro. Auf Twitter schrieb der Filmemacher, dass die Kamera und der Schnitt das Herz des Films seien. Viele weitere Filmschaffende schlossen sich ihm an. In einem offenen Brief kritisierten Regisseure und Schauspieler wie Martin Scorsese, Damien Chazelle, Brad Pitt und George Clooney die Academy für die Kürzungspläne. Diese reagierte, wie man es von ihr gewohnt ist. Sie ruderte zurück. Alles bleibt also bei Alten – vorerst zumindest.

Interessiert sich kaum einer mehr für den Oscar? (Photo: Chris Pizzello/Invision/AP)
Interessiert sich kaum einer mehr für den Oscar? (Photo: Chris Pizzello/Invision/AP)

Ist die Academy damit aus dem Schneider? Nein, im Gegenteil. Denn das Problem dürfte mit dem desaströsen Krisenmanagement nicht kleiner, sondern mindestens größer geworden sein. Die Verleihung hat noch immer 24 Kategorien und dauert nach wie vor gut vier Stunden. Hinzu kommt nun aber ein enormer Imageschaden, der dazu führen könnte, dass noch mehr Zuschauer den Oscars den Rücken kehren.

Denn die Academy offenbarte in den letzten Monaten mit ihren Kurzschlussreaktionen nicht nur einen Mangel an Weitsicht, sie erwies sich auch als Organisation ohne Haltung und Rückgrat. Glaubt denn wirklich jemand außer den Damen und Herren in den Reihen von ABC und des Oscar-Verbandes, dass eine kürzere Veranstaltung die Zuschauer zurückbringen würde? Ist das Problem nicht viel grundlegender? Ist die Krise der Oscars nicht zugleich eine Krise des Films, des Kinos und des Fernsehens im Internetzeitalter und angesichts der Siegeszüge von Streamingdiensten und des Serienformats? Hier sollte das Krisenmanagement ansetzen – und zwar nicht nur allein von der Academy, die gesamte Film- und Fernsehbranche muss Verantwortung übernehmen.

Oscars – ein Machtinstrument Disneys?

Und dann wurde noch eines in den letzten Monaten immer deutlicher: Die Academy ist alles andere als unabhängig, sie handelt vielmehr auf Druck von oben. Was viele schon beim Debakel um den populären Oscar ahnten, wurde spätestens mit den konkreten Plänen zur Umsetzung einer kürzeren Oscar-Show zur Gewissheit.

Ist die Academy eine Marionette Disneys? (Photo: Mike Kemp/In PIctures via Getty Images)
Ist die Academy eine Marionette Disneys? (Photo: Mike Kemp/In PIctures via Getty Images)

Die Oscar-Zeremonie wird – wie schon erwähnt – von ABC übertragen, und der Sender gehört dem Disney-Konzern. Wem würde also der populäre Oscar mehr nützen als einem Studio, das seit 2010 sieben Mal den weltweit erfolgreichsten Film des Jahres produziert hat? Ein Oscar für den nächsten “Star Wars”-Film und die nächste Marvel-Verfilmung hat Reklame-Wirkung und würde somit noch mehr Geld in die Kassen des Konzerns spülen. Sonderlich groß war auch die Überraschung nicht, dass die Academy dieses Jahr nicht etwa technische Preiskategorien streichen, sondern mit Kamera und Filmmontage zwei Ausdrucksmittel opfern will, die das Wesen des Films definieren. In den technischen Kategorien werden bei den Oscars schließlich gern und oft die optischen und akustischen Überwältigungsfilme Disneys ausgezeichnet.

Es ist dieser Mangel an Haltung und ihre Abhängigkeit von Disney und Co. im Besonderen, warum die Academy immer mehr zu einer Lachnummer wird. Das färbt auch auf den Oscar ab. Denn der einst so prestigeträchtige Preis verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit, da seine Funktion, Kunst und Handwerk des Films zu würdigen, zunehmend von wirtschaftlichen Interessen überlagert wird.