"Barbie": Problematische Puppe oder feministische Ikone?
An der Kultpuppe Barbie scheiden sich seit mehr als fünf Jahrzehnten die Geister. Für die einen ist sie der Inbegriff toxischer Geschlechternormen und unmöglicher Schönheitsideale. Andere sehen sie als Gegenentwurf zu traditionellen Babypuppen, die Mädchen auf ihre spätere Mutterrolle vorbereiten sollten. Oder Vorbild für junge Mädchen, die ihnen zeigen soll: Ihr könnt alles sein - ob Polizistin, Präsidentin oder Astronautin. Regisseurin und Co-Autorin Greta Gerwig (39) und ihr Lebenspartner, Drehbuchautor Noah Baumbach (53), plädieren im neuen "Barbie"-Film (ab 20. Juli im Kino) für Letzteres.
Von "Barbieland" in die echte Welt
Für Barbie (Margot Robbie, 33) und all die anderen Barbies (Issa Rae, Hari Nef, Dua Lipa und weitere) ist jeder Tag in "Barbieland" der beste Tag aller Zeiten. Und wenn allabendlich die Girls' Night in Barbies pinkem Traumhaus ansteht, dann müssen Ken (Ryan Gosling, 42) und die übrigen Kens (Kingsley Ben-Adir, Simu Liu, John Cena und weitere) zusehen, was sie mit sich anfangen. In "Barbieland" regiert nämlich das Matriarchat: Barbie ist Präsidentin, Barbie ist Bundesrichterin, Barbie ist Ärztin. Und Ken? Der ist eigentlich nur zur Belustigung da.
Doch dann stellen sich kleine Imperfektionen in Barbies zuvor so perfekter Spielzeugwelt ein. Nicht nur wird ihre morgendliche Milch schlecht und die Frühstückswaffel verbrennt im Toaster, die Puppe denkt auch plötzlich ans Sterben und entwickelt bei den übrigen Barbies für Würgereiz sorgende Plattfüße. Es bleibt nur ein Weg, die Probleme wieder in den Griff zu kriegen: eine Reise in die echte Welt. In Los Angeles wird sowohl Barbie als auch Ken rasch klar: Hier haben Männer das Sagen. Das Patriarchat regiert immer noch die Welt.
"Barbie" ist einer der gehyptesten Kinofilme in jüngster Zeit - und das nicht ohne Grund. Regisseurin Gerwig und ihr Team versetzen das Publikum in ein pinkes Plastik-Wunderland, in dem augenzwinkernde Künstlichkeit und Kitsch regieren. Der Humor ist von der ersten Sekunde an präsent, doch im Laufe des Films liefert das smarte Drehbuch in Form von feministischen Gedankengängen auch reichlich Stoff zum Nachdenken. So stellt die satirische Gesellschaftskritik weit verbreitete Geschlechterrollen und -normen auf urkomische Weise infrage, und thematisiert über die so perfekt und makellos wirkende Spielzeugpuppe den auf Frauen allerorten lastenden Perfektionsdruck.
Für die Rolle der Barbie hätte es mit der umwerfenden Margot Robbie kaum eine bessere Besetzung geben können. Ryan Gosling als Ken stellt sie mit seiner unglaublich humoristischen Darstellung des Barbie-Anhängsels jedoch fast etwas in den Schatten.
Regisseurin Greta Gerwig hat bereits in "Lady Bird" (2017) und "Little Women" (2019) ihr Talent dafür unter Beweis gestellt, komplexe, multidimensionale weibliche Figuren mit Tiefe, Humor und Authentizität auf die Leinwand zu zaubern. Genau das gelingt ihr auch einmal mehr mit "Barbie".