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Zweimal 45 Minuten für die Ewigkeit: Als die Gladbacher "Fohlenelf" Brücken baute

Mit Borussia Mönchengladbach flog 1970 zum ersten Mal eine deutsche Mannschaft nach Israel, um gegen die dortige Nationalmannschaft zu spielen. Das Spiel stand politisch unter keinem guten Stern, doch die Mannschaft weckte unter ihrem Trainer Hennes Weisweiler in Tel Aviv Begeisterungsstürme.

Februar 1970: Das Olympia-Attentat von 1972 war noch weit, doch der internationale Terrorismus, insbesondere der gegen Israel gerichtete, hatte bereits begonnen, als die Bundesligamannschaft von Borussia Mönchengladbach und ihr Trainer Hennes Weisweiler nach Tel Aviv reisten, um im dortigen Bloomfield-Stadion gegen die israelische Nationalmannschaft anzutreten. Der Dokumentarfilm "Geheimmission Tel Aviv - Wie Fußball die Geschichte veränderte" (Montag, 17. Februar, 23.30 Uhr, im Ersten) richtet den Fokus auf ein denkwürdiges historisches Kapitel, doch die aktuellen Bezüge sind verblüffend.

Zum ersten Mal spielte ein deutscher Bundesligist in Israel - damals alles andere als selbstverständlich. Das Spiel war von den Trainern Weisweiler und Eddy Schaffer lange vorbereitet worden, Schaffer hatte Weisweiler als seinen Lehrer auf der Kölner Sporthochschule 1958 kennengelernt und erreichte 1970 mit Israel die WM-Endrunde in Mexiko. Doch der Sieben-Tage-Krieg von 1967 mit der Besetzung palästinensischer Gebiete schien einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Just zum Zeitpunkt des geplanten Freundschaftsspiels häuften sich antiisraelische Anschläge. Die palästinensische Befreiungsbewegung PLO hatte es besonders auf Flugzeuge mit dem Ziel Tel Aviv abgesehen. In München explodierte eine Granate in einem Zubringerbus, zudem wurde ein Brandanschlag auf das jüdische Altenheim in der Reichenbachstraße verübt, bei dem sieben jüdische Bürger starben. In der Schweiz stürzte ein Flugzeug nach einem Bombenanschlag ab.

Trotz der Besorgnis des Auswärtigen Amts und der Gladbacher Vereinsführung um die Sicherheit der Spieler reiste die Mannschaft mit ihren Stars wie Berti Vogts und Günter Netzer schließlich nach zwölfstündigen Verhandlungen mit dem Regierungsjet des Bundeskanzlers Willy Brandt nach Israel.

Heute, 50 Jahre danach, erinnern sich im Film die Witwen von Eddy Schaffer und Hennes Weisweiler an das denkwürdige Spiel und die lange Freundschaft zwischen den Trainern. Israelische Fans jubelten damals den deutschen Spielern zu, obwohl ihre Mannschaft an jenem 25.02.1970 mit 6:0 verlor. Die Gladbacher "Fohlen" zeigten ihre ganze Fußballkunst, zumal den Offensivfußball, wie ihn Weisweiler lehrte. "Wir bemühen uns hier seit einigen Jahren, in ganz kleinen Schritten Vertrauen zu erwerben für das neue Deutschland. Und Sie brauchen nur 45 Minuten und wecken Begeisterungsstürme": Mit diesen Worten wandte sich damals der deutsche Botschafter in Israel an den Borussen-Manager Helmut Grashoff. Viele weitere Gladbacher Spiele in Israel folgten noch in den nächsten Jahrzehnten.

Eine Hymne auf Günter Netzer

Der Film "Geheimmission Tel Aviv - Wie Fußball die Geschichte veränderte" von Dietrich Duppel aus der Reihe "Geschichte im Ersten" zeigt am Montag, 17. Februar (23.30 Uhr), unter anderem in privaten Super-8-Aufnahmen des Spielers Herbert Laumen die Anspannung von damals. In Interviews kommen Günter Netzer und der langjährige israelische Spielmacher Mordechai Spiegler zu Wort, noch immer eine Legende in Israel. "Sie gaben Vollgas. Sie gaben dir das Gefühl, dass es unmöglich ist, sie zu schlagen", erinnert sich Spiegler heute.

Bei der WM '54 hasste der Sohn ostjüdischer Eltern noch die Deutschen, 1974 dann sprang er auf "vor Glück". Eine Freundschaft war entstanden, eine "erste Brücke" war gebaut, wie es Moshe Schaffer, der Sohn des Trainers formuliert. Günter Netzer, Hans-Jochen Vogel und Charlotte Knobloch machen die noch nicht gefestigten bundesdeutschen Nachkriegsbeziehungen zu Israel lebendig und bestätigen die Bedeutung des legendären Spiels für die neue Beziehung zwischen Deutschland und Israel. Zuletzt ist man aber doch wieder beim Fußball selbst, wenn Spiegler mit einer wahren Hymne den Gladbacher "Dirigenten" Günter Netzer feiert.