Woody Allens Autobiografie: Das schreibt der Regisseur über den Missbrauchsvorwurf

Über dieses Buch wird noch lange diskutiert werden: Woody Allen hat seine Autobiografie "Ganz nebenbei" veröffentlicht - und spricht darin ausfühlich über die Vorwürfe, er habe seine damals siebenjährige Adoptivtocher Dylan sexuell missbraucht. Das sind die brisantesten Stellen.

"Ganz nebenbei" beziehungsweise "Apropos of Nothing" - einen bescheideneren Titel hätte sich Woody Allen für seine Autobiografie (Rowohlt Verlag, erscheint am 28. März) wohl kaum ausdenken können. Denn es sind nicht einfach nur Anekdoten, die der Kultregisseur auf mehr als 440 Seiten ausbreitet. "Ganz nebenbei" ist der Rückblick auf eine bewegte Karriere, auf Filme wie "Der Stadtneurotiker", aber auch auf einen Skandal, der das Leben des New Yorkers Anfang der 90er-Jahre ins Wanken brachte.

Allen, so behauptete seine damalige Lebensgefährtin Mia Farrow, habe die gemeinsame Adoptivtochter Dylan sexuell missbraucht. Zum Zeitpunkt der angeblichen Tat, am 4. August 1992, war Dylan sieben Jahre alt. Woody Allen stritt die Vorwürfe stets ab, und auch eine ärztliche Untersuchung an Dylan ergab keinerlei Hinweise auf einen Missbrauch. Jahre später, im Zuge der MeToo-Debatte, wurden die alten Vorwürfe gegen Woody Allen wieder laut; Schauspieler wie Timothée Chalamet, den Allen in seinem letzten Film "A Rainy Day in New York" besetzt hatte, wandten sich öffentlich gegen den Regisseur.

In "Ganz nebenbei" äußert sich Allen nun ausführlich wie nie zuvor zu den Vorwürfen. Auf Dutzenden Seite beschreibt er seine Sicht der Dinge. Die Vorwürfe seien "absurd" und "zusammenphantasiert" und entbehrten jeder Grundlage, so Allen. Farrow habe sich die Geschichte ausgedacht, um sich an ihm zu rächen.

Mia Farrow hatte Dylan im Jahr 1985 adoptiert. Da war sie bereits fünf Jahre mit Woody Allen liiert, mit dem sie 1980, ein Jahr nach ihrer Scheidung vom Pianisten André Previn, zusammengekommen war. "Monatelang" hätten er, Woody Allen, und Mia Farrow versucht, ein Kind zu bekommen, schreibt Allen. "Irgendwann warf sie das Handtuch und adoptierte ein kleines Mädchen, das sie Dylan nannte."

Anfangs habe er sich nicht viel für Dylan interessiert, so Allen, sie sei ihm "ziemlich egal" gewesen - schließlich war sie Farrows Adoptivkind, nicht seines. "Das änderte sich allerdings schlagartig, als ich mich in dieses winzige Wesen verguckte und Dylan immer öfter im Arm hielt, ich spielte mit ihr, die Liebe wurde größer und ich ein begeisterter Vater." Dylan habe sein Leben "auf ungeahnte Weise" bereichert. "Auch wenn ich juristisch nicht ihr Vater war, nahm ich meine Rolle sehr ernst." Erst Jahre später wurde Allen Dylans Adoptivvater.

"Er hat mir meine Tochter genommen, jetzt nehme ich ihm seine"

Zu dem Zeitpunkt war Mia Farrow schließlich doch Mutter geworden - 1987 kam Satchel Ronan auf die Welt. Wer der Vater des Jungen ist, ist ungeklärt - vielleicht ist es Woody Allen, vielleicht aber auch Frank Sinatra, mit dem Mia Farrow eine Affäre hatte. "Ich glaube, dass er mein Sohn ist, aber das werde ich wohl nie herausfinden", schreibt Allen. Mit der Geburt des Jungen, behauptet Allen nun, habe Mia Farrow das Interesse an ihm verloren: "Kaum war die Kugel im Loch gelandet, ging sie auf Abstand zu mir." Farrow, so Allen, habe sich jahrelang nichts mehr gewünscht als ein Kind von ihm. Als sie schließlich schwanger war, habe er schlicht seinen "Zweck erfüllt".

Zum endgültigen Bruch, der schließlich zu den Vergewaltigungsvorwürfen führte, sei es aber erst später gekommen: als Mia Farrow entdeckte, dass Woody Allen eine Affäre hatte mit ihrer Adoptivtochter Soon-Yi, mit der er heute verheiratet ist. Woody Allen sei mit seiner eigenen Tochter zusammen, titelten die Boulevardblätter damals, tatsächlich aber ist Soon-Yi, geboren 1970 in Südkorea, die gemeinsame Adoptivtochter von Farrow und André Previn.

"Soon-Yi und ich interessierten uns nicht die Bohne füreinander", schreibt Allen über die ersten Jahre, die er an der Seite ihrer Adoptivmutter verbrachte. "Ich hielt sie für ein verstocktes, langweiliges Kind und sie mich für den Hampelmann ihrer Mutter." Erst später, Soon-Yi war da bereits 22 Jahre alt, hätten sie mehr Zeit miteinander verbracht. "Es war der Beginn einer Freundschaft, die mit der Zeit langsam wuchs, bis uns beiden die absurde Erkenntnis aufging, dass wir sehr viel füreinander empfanden." Die Beziehung flog auf, als Mia Farrow erotische Polaroids entdeckte, die Allen und Soon-Yi gemacht hatten. Damals habe Farrow Woody Allens Schwester angerufen und gedroht: "Er hat mir meine Tochter genommen, jetzt nehme ich ihm seine." Für Allen ist klar: Dylan "musste als Instrument für ihre Rache herhalten".

"Anstößig war daran nichts"

Auf jenen 4. August 1992, den Tag des angeblichen Missbrauchs, geht Allen detailliert ein. Er sei damals nach Connecticut ins Haus von Mia Farrow gefahren, um Zeit mit seinen Kindern zu verbringen. "Folgendes hatte sich ereignet", schreibt Allen: "Mia hatte allen eingeschärft, mich ja nicht aus den Augen zu lassen, und war dann einkaufen gefahren. Alle Kinder saßen mitsamt Babysittern im Fernsehraum. Der Raum war also voller Leute. Da auf dem Sofa kein Platz mehr war, setzte ich mich auf den Boden. Möglicherweise habe ich den Kopf kurz zurückgelehnt ans Sofa und dabei auf Dylans Schoß. Anstößig war daran nichts." Dieser Vorfall, so Allen, "sollte sich mit der Zeit in eine Missbrauchshandlung auf dem Dachboden verwandeln".

In der Folge habe Farrow alles daran gesetzt, ihn als Vergewaltiger darzustellen, und ihrer Tochter Dylan eingeredet, sie sei missbraucht worden - so lange, bis das Kind das wirklich glaubte. "Dass ich Dylan nicht aufwachsen sehen durfte, gehört zu den traurigsten Dingen meines Lebens", sagt Allen.

Was ist von seiner Schilderung der Dinge zu halten? Tatsächlich wurde nie Anklage gegen den Regisseur erhoben. Zwei Untersuchungen, die kurz nach der angeblichen Tat stattgefunden hatten, fanden keine Beweise für einen Missbrauch, die Child Sexual Abuse Clinic der Universität Yale kam gar zu dem Ergebnis, "dass Dylan von Mr. Allen nicht sexuell missbraucht wurde". Unterstützt wird Allen seit jeher von seinem Adoptivsohn Moses, der zusammen mit Dylan aufwuchs und an jenem 4. August 1992 anwesend war. Die Vorwürfe seiner Adoptivmutter Mia Farrow, mit der er längst gebrochen hat, seinen absurd und erfunden, betonte Moses immer wieder.

Seine Adoptivschwester Dylan hingegen äußerte sich 2013 erstmals zu ihrem angeblichen Missbrauch, behauptete, die Tat habe tatsächlich stattgefunden - auch wenn sie Details auf einmal anders erinnerte. Es steht Aussage gegen Aussage. Dass sich Woody Allen nun aber ausführlich äußern kann, ist gut. Beinahe wäre es nicht dazu gekommen. In den USA weigerten sich mehrere Verlage, seine Autobiografie zu veröffentlichen. Doch auch dort ist "Ganz nebenbei" nun erschienen, allem Gegenwind zum Trotz.