Wohnungsgenossenschaften wie die Protectum werben telefonisch um Mitglieder – seit 2017 ist das verboten. Nun mahnt die Verbraucherzentrale.

Was wurde nicht schon alles als Geldanlage am Telefon verkauft – Schweinehälften an der Terminbörse in Chicago, Beteiligungen an Rohstoffexplorationsvorhaben ebenso wie Anteile an einer Lottogesellschaft auf Gibraltar. Mit solchen Geschäften verloren Anleger in den 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre viele Millionen Euro. Aktuell fallen den Verbraucherzentralen Wohnungsgenossenschaften auf, die Mitglieder über das Telefon akquirieren.

Eine solche Gesellschaft ist die Protectum Wohnungsbaugenossenschaft in Großwallstadt. Die musste nun eine Unterlassungserklärung gegenüber der Verbraucherzentrale abgeben, weil sie es bei der Anwerbung von Genossenschaftsmitgliedern gegen das Genossenschaftsgesetz verstieß.

„Dumm, wenn man es nicht macht“, wirbt Protectum in einem Youtube-Filmchen für das eigene Modell. Man baue und verwaltet Wohnraum, um daraus Gewinne für die Mitglieder zu generieren, heißt es darin. Weil das sehr sicher sei, werde es auch vom Saat gefördert, wirbt Protectum weiter und behauptet, dass man die Mitglieder mehr fördere als andere Genossenschaften.

Auf jeden Fall unterscheidet sich Protectum von den 2000 typischen deutschen Wohnungsgenossenschaften, die etwa zwei Millionen Wohnungen vermieten. Deren Hauptanliegen ist es nicht Gewinn für ihre Mitglieder zu erzielen, sondern ihnen Wohnraum günstig zu vermieten.

Das Protectum-Modell setzt auf Vermögenswirksame Leistungen (VL). Seit 1961 fördert der Staat im Rahmen von VL-Verträgen den Erwerb von Anteilen an Aktienfonds, Genossenschaften und das Bausparen. Unabhängig von den Einkommensgrenzen bei der staatlichen Förderung geben viele Arbeitgeber Zuschüsse zu den VL.

Anspruch auf Arbeitnehmersparzulage im Rahmen eines VL-Vertrages hat, wer weniger als 20.000 Euro Einkommen im Jahr versteuert. Die Zulage beträgt 20 Prozent auf maximal 400 Euro Sparbetrag jährlich, also 80 Euro. Zusätzliche 8,8 Prozent Wohnungsbauprämie gibt es für alle, die p.a. weniger als 25.600 Euro nach Steuern verdienen.

Schon vor eineinhalb Jahren war Protectum dadurch aufgefallen, dass sich die Genossenschaft von Verbrauchern mündlich per Telefon die Vollmacht zum Beitritt geben ließ. Wenig später erhielten die Angerufenen Beitrittsbestätigungen. Das Vorgehen brachte Protectum schon damals Beschwerden so geworbener Kunden bei Verbraucherzentralen ein. Zu diesem Zeitpunkt war diese Form des Beitritts zwar höchst umstritten, aber noch nicht ausdrücklich verboten.

So argumentierte Protectum im August 2016 gegenüber dem Handelsblatt: „Das Genossenschaftsgesetz sieht eine schriftliche Beitrittserklärung vor. Diese Vorgehensweise hält die Protectum Moderne Wohnungsbaugenossenschaft ein. Wie zum Beispiel bei Direktversicherungen ist es uns gestattet, Mitglieder auf elektronischem Wege zu werben. Diese Möglichkeit nimmt unsere Genossenschaft seit einigen Jahren in Anspruch.“

Doch seit einer Änderung des Genossenschaftsgesetzes (GenG) am 17. Juli 2017 ist diese Form der Mitgliederwerbung definitiv verboten. Seitdem bestimmt Paragraph 15 Abs. 1 GenG, dass eine Vollmacht zur Abgabe einer Beitrittserklärung abweichend von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der Schriftform bedarf.


Verbraucherzentrale warnt vor Genossenschaftsbeteiligungen

Doch Protectum machte in altem Stil weiter und wurde von den Marktwächtern der Verbraucherzentralen erwischt. Die Markwächter sind eine von den Verbraucherzentralen gebildete Gruppe, die frühzeitig in der Öffentlichkeit Alarm schlägt, wenn sie befürchtet das Anleger mit unsauberen Geschäftsmethoden über den Tisch gezogen werden.

Sollte Protectum weiterhin gegen das Gebot des schriftlichen Beitritts und damit gegen die abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen, droht eine Strafe von 5.100 Euro und – wegen der größeren Öffentlichkeitswirkung sehr viel unangenehmer – eine Klage auf Unterlassung.

Die Verbraucherzentralen stehen Protectum und weiteren Wohnungsgenossenschaften schon länger misstrauisch gegenüber. „Uns erreichen regelmäßig Beschwerden von Verbrauchern über ein Dutzend Wohnungsgenossenschaften“, berichtet Wolf Brandes, Teamleiter Marktwächter Finanzen.

Brandes warnt Interessenten, die hinter der Genossenschaftsbeteiligung eine sichere Geldanlage vermuten. Es handele sich nicht um einen Banksparplan oder oder einen Bausparvertrag, sondern um eine Beteiligung an einem Unternehmen. Es sei nicht sicher, dass Verbrauchern das investierte Geld tatsächlich ausgezahlt werden kann, wenn sie ihren Vertrag kündigen.

„Das Investment ist damit hochriskant, im schlimmsten Fall kann das einen Totalverlust bedeuten“, stellt Brandes klar. Um seiner Warnung Nachdruck zu verleihen, weist Brandes auf die Insolvenz der Wohnungsgenossenschaft Eventus eG Ende 2017 hin. Verbraucher hatten in diesem Fall nach seinen Angaben zehn Millionen Euro investiert.

Ohnehin wundern sich viele Verbraucher über plötzliche Telefonanrufe von Anlagevermittlern. Unverlangte Anrufe, in der Szene Cold Calls genannt, sind verboten. Doch Brandes weiß, wie die Telefonwerber legal die Rufnummer nutzen dürfen. Manchmal würden Verbraucher an Gewinnspielen der Anlagevermittler oder mit Ihnen verbundener Unternehmen teilnehmen und versehentlich späteren Anrufen zu Werbezwecken zustimmen.