Wirtschaft drängt auf konkrete Ergebnisse beim Klimaschutz

Vor dem Start der UN-Klimakonferenz in Bonn haben sich Vertreter mehrerer deutscher Schlüsselbranchen für verbindliche wie ehrgeizige Regeln zum Schutz der Erdatmosphäre ausgesprochen. Am Wochenende fuhr Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gemeinsam mit Wirtschaftsleuten und Umweltschützern in einem Zug von Berlin ins Rheinland, wo am Montag die knapp zweiwöchige Mammutveranstaltung losgeht.

Dort wollen die Abgesandten aus knapp 200 Ländern vereinbaren, wie das Weltklimaabkommen von Paris aus dem Jahr 2015 konkret umgesetzt wird. Die Regierungen haben sich dem Ziel verpflichtet, die Erderwärmung höchstens zwei Grad über die Temperatur steigen zu lassen, die vor der Industrialisierung herrschte. Damit es nicht bei Ankündigungen oder nur kosmetischen Schritten beim Umbau der Energieversorgung, der Industrie oder im Verkehr bleibt, soll nun ein „Regelbuch“ her, welche Schritte tatsächlich gegen den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen klimaschädlichen Gasen helfen und als Beitrag eines Landes anerkannt werden.

Die Vertreter deutscher Unternehmen machten am Wochenende deutlich, dass sie nicht nur gewillt sind, strikte Regeln beim Klimaschutz einzuhalten, sondern vielmehr wirtschaftliche Chancen in dieser Art von Umweltschutz sehen. Damit positionieren sie sich indirekt auch zur laufenden Sondierung zwischen Union FDP und Grünen in Berlin, die eine Bundesregierung bilden könnten. Dabei stellten FDP-Unterhändler wiederholt einen bereits erstellten Klimaschutzplan Deutschlands mit Vorgaben für Industrie, Verkehr und Privathaushalte in Frage.


Der Vorstandschef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, sagte, sein Unternehmen beteilige sich, indem es beim Antrieb seiner Züge auf Ökostrom umstelle. Zuletzt stammten 46 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen, bis 2030 solle der Anteil auf mindestens 70 Prozent steigen.
Die noch amtierende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die einer künftigen Bundesregierung aller Voraussicht nach nicht mehr angehört, unterstützte die Äußerungen aus der Industrie und teilte gegen die FDP aus. Die Partei sei beim Klimaschutz gerade „auf Abwegen“. „Sie werden zurückfinden, bin ich sicher“, sagte Hendricks über die FDP-Verhandler in Berlin. „Es geht um internationale Zusagen, zu denen wir uns verpflichtet haben.“ Zudem hätten sich die Liberalen in der letzten schwarz-gelben Bundesregierung bis 2013 bereits selbst zu solchen verbindlichen Schritten im Klimaschutz bekannt.

Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung 2 Grad, in der große Unternehmen den Klimaschutz vorantreiben, sagte der WirtschaftsWoche: „In der Industrie wird Klimaschutz nicht mehr hinterfragt. Die Chefs wissen, dass sich viel ändern wird und stellen sich drauf ein. In der Finanzbranche hat sich schon viel verändert.“ Damit spielte Nallinger auf Entscheidungen großer Fonds und anderer Investoren an, die sich aus Aktien oder Investments bei Unternehmen zurückgezogen haben, die auf fossile Energie setzen. Nallinger drängte auf ambitionierte Vereinbarungen zum Klimaschutz in einer künftigen Bundesregierung. „Wenn die Unternehmen keine Maßstäbe und keinen konkreten Klimaschutzplan vorfinden, lähmt das bei wichtigen Entscheidungen.“

In wenigen Jahren würden sich die Energieversorgung, die Art der Fortbewegung und die Energiespar-Standards, die an Gebäude angelegt würden, grundlegend ändern, sagte Nallinger voraus. Das wüssten die Vorstände der Unternehmen und wollten von der Politik verbindliche Regeln. Sonst falle Deutschland zurück: „Beim Automobil sind wir schon nicht mehr Vorreiter.“ Ein Umbau sei sozial verträglich machbar.

Vor dem Start in Bonn hatte sich bereits der Verband der Maschinenbauindustrie, der VDMA, in die Klimadebatte und damit auch in die Berliner Sondierung eingeschaltet. Zu einem ambitionierten und internationalen Klimaschutz gebe es keine Alternative. „Das Pariser Klimaabkommen ist nicht nur im Interesse der Umwelt, sondern auch der Wirtschaft. Je früher Unternehmen Klarheit über die weltweiten Emissionsziele haben, desto besser können sie ihre Investitionen entsprechend planen“, erklärte Stefanie Grubert von der Bosch Rexroth AG und Vorsitzende des VDMA-Umweltausschusses. „Ein politisches Hin und Her in der Klimapolitik ist ganz sicher nicht im Sinne der Industrie.“

Der Dax-Konzern Siemens hatte sich bereits ähnlich positioniert. "Ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung muss die klimapolitische Priorität der nächsten Bundesregierung werden", heißt es in einem zweiseitigen Arbeitspapier, das die Berliner Lobbyabteilung des Konzerns an Vertreter von Grünen, CDU und FDP geschickt hatte. Darüber hatten verschiedene Medien berichtet. Auf europäischer Ebene solle sich die neue Bundesregierung zudem für einen CO2-Mindestpreis und ein Ende der Subventionen und Kapazitätszahlungen für CO2-intensive Kraftwerke einsetzen.

KONTEXT

Darum geht es beim Weltklimagipfel in Bonn

Wer trifft sich in Bonn?

Neben Klimapolitikern, Wissenschaftlern und Aktivisten kommen auch Staats- und Regierungschefs - und einige Promis. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich angekündigt, Kanzlerin Angela Merkel ebenfalls. Schauspieler Leonardo DiCaprio, der sich schon lange für Klimaschutz stark macht, soll ebenso vorbei schauen wie der US-Politiker und Friedensnobelpreisträger Al Gore. Der Gouverneur von Kalifornien, Jerry Brown, wird auch erwartet. Klimaschützer sehen ihn als wichtigen Gegenspieler von US-Präsident Donald Trump im Kampf gegen die Erderwärmung. Auch Browns Vorgänger wird dabei sein, der in Deutschland noch viel bekannter ist: Arnold Schwarzenegger.

Warum eigentlich Bonn, wenn doch Fidschi den Vorsitz hat?

Normalerweise treffen die Klimadiplomaten sich in dem Land, das auch den Vorsitz hat. Einem Rotationsprinzip zufolge war diesmal ein Land aus Asien dran. Fidschi übernimmt die Präsidentschaft - erstmals eine Inselgruppe im Pazifik, die vom Klimawandel bedroht ist, das gilt als wichtiges Signal. Allerdings wäre es schwierig für Fidschi geworden, die Konferenz auch auszurichten. Daher springt Deutschland als „technischer Gastgeber“ ein. Das Sekretariat der Klimarahmenkonvention sitzt nämlich in Bonn. 2001 wurde schon mal in Bonn getagt. Und die erste Weltklimakonferenz 1995 fand in Berlin statt. Gastgeberin war die Bundesumweltministerin - die hieß damals Angela Merkel.

Das Klimaabkommen gibt es doch seit zwei Jahren, was ist noch zu tun?

Die Einigung auf das Abkommen war 2015 in Paris ein riesiger Durchbruch, inzwischen haben 169 Parteien es ratifiziert. Deutschland ist dabei, die EU auch. Aber das Entscheidende ist die Umsetzung. Und wie die im Detail laufen soll, ist noch nicht klar. Grundsätzlich haben die Staaten eigene Ziele zur Treibhausgas-Minderung zugesagt. In einem Zyklus von fünf Jahren sollen deren Klimaschutzwirkungen überprüft und die Zusagen immer ehrgeiziger werden. Wichtig ist aber auch die Anpassung an den Klimawandel und der Umgang mit Schäden, die etwa steigende Meeresspiegel und Extremwetter anrichten.

Reichen die bisherigen Ziele der Staaten aus?

Nein. Das Ziel das Pariser Abkommens ist, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad einzudämmen. Schon diese begrenzte Erwärmung wird Experten zufolge deutlich spürbar sein - Dürren und Starkregen häufen sich, die Meeresspiegel steigen, das „ewige“ Eis schmilzt ab. Aber: Selbst bei Einhaltung aller bisher von den Ländern vorgelegten Klimaschutzzusagen wird sich die Erdtemperatur laut UN-Umweltprogramm um mindestens drei Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung erhöhen. Da muss also noch viel passieren.

Was genau soll in Bonn also passieren?

Die Politiker müssen sich auf ein Regelwerk einigen, das die nationalen Klimaziele vergleichbar und überprüfbar macht. Ein Erfolg wäre aus Sicht von Klimaschützern, wenn nach der Konferenz ein Entwurf vorliegt - auch wenn es von umstrittenen Passagen noch mehrere Versionen geben dürfte. Ein Problem wäre laut Experte Jan Kowalzig von Oxfam dagegen, wenn es gar nichts Schriftliches gibt, da der Zeitdruck dann zunähme. Denn 2018 beginnt der erste „Überprüfungsdialog“, um zu sehen, ob die Staaten auf dem richtigen Weg sind. Umstritten ist zum Beispiel, welche Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern gemacht werden.

Hat das auch was mit den Sondierungsgesprächen in Berlin zu tun?

Offiziell nicht - aber das Timing ist natürlich bemerkenswert. Zwischen Union, FDP und Grünen, die über eine Jamaika-Koalition reden, gehört der Klimaschutz zu den umstrittensten Themen. Steigt Deutschland aus der Kohle aus, wie und bis wann? Gehören Benzin- und Dieselmotoren bald der Geschichte an? Die Grünen hoffen auf Rückenwind aus Bonn für die Verhandlungen. Die scheidende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kann nochmal richtig Politik machen, fast schon von der Oppositionsbank aus - und Kanzlerin Merkel dürfte daran gelegen sein, auf dem Bonner Parkett gut dazustehen.

Was soll eigentlich diese Abkürzung COP?

COP steht für Conference of the Parties und meint die Zusammenkunft der Staaten, die die UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel (UNFCCC) unterzeichnet und ratifiziert haben.