Wiener Ritualmorde "binden" den Sommer ab

Im letzten vom Publikum erwählten "Tatort" der Sommerpause bekommen es die österreichischen Ermittler Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) mit einer grausigen Ritualmordserie zu tun. Der Krimi vom Januar 2018 badet zudem - durchaus amüsant - in Verschwörungstheorien.

Der "Tatort" ist Österreicher! Zum Abschluss der sommerlichen Reihe mit vom Publikum gewählten Folgen gewinnt zum ersten Mal ein Krimi aus der Alpenrepublik. Somit kommt es zum österreichischen Doppel - denn auch in der ersten neuen "Tatort"-Episode am Sonntag, 6. September, ermitteln Fellner und Eisner. Zunächst aber die Rückblende zu einem Fall vom Januar 2018.

Ein Serientäter treibt sein Unwesen in Wien, er drapiert und penetriert Leichen als Schauobjekte, stets fein zugänglich für die Öffentlichkeit. Gleichzeitig bewirbt sich Bibi Fellner (Adele Neuhauser) um einen neuen Job - ein Running Gag, der sich bis zu einer Knallfrosch-Pointe am Schluss durchzieht. Zuvor fordert allerdings ein Serientäter Fellners und Moritz Eisners (Harald Krassnitzer) ganze Kraft. Mal hängt ein Gekreuzigter vorm orthodoxen Leuchtkreuz im Tunnel, mal wieder ein anderer an der Decke in einer öffentlichen Toilette, darunter lauter Maria-Theresia-Silbertaler in einem Hut. Und dann wird da auch noch eine Frauenleiche als Galionsfigur aufs Segelboot in einer Bootsausstellung gebunden. Was soll der schaurige Spaß?

Alsbald finden die schlauen Wiener Kommissare heraus, dass das alles Inszenierungen sind, mit denen ein Mörder vorgibt, ein Triebtäter oder mordender Fetischist zu sein, die wahren Motive jedoch hinter all den zur Schau gestellten Taten verbirgt. "Na bitte, es geht doch!", faucht die aus dem Ruhestand herbeizitierte Alt-Profilerin das Polizistenpärchen anerkennend an und erklärt bibelfest die szenischen Zusammenhänge. Allesamt auf Judas bezogen seien die Inszenierungen. Im Übrigen führe hier der Weg "vom Opfer zum Motiv", nicht umgekehrt. Ein starker Kurzauftritt der Schauspielerin Erika Mottl als wegweisende Lehre für die Wiener Kriminaler.

Österreichischer "Tatort"-Doppelpack

Zieht sich der Krimi bis hierhin ein wenig hin, bekommt das Stück nach diesem Auftritt mächtig Drive - es wendet sich nämlich vom banal-voyeuristischen Schauerstück zu einem veritablen Politthriller, in dem es um idealistische Rosenrevolutionäre im Osten geht, in Staaten wie Serbien, wo die Faust einst das Symbol des Protestes war, in Georgien oder der Ukraine (Rosen). Während da einer im weißen Spusi-Schutzanzug weiter seine Mordtouren macht, dringen Eisner und Fellner immer tiefer in die Geheimnisse von Revolutionsmachern, Verrätern und internationalen Strippenziehern ein. Hat gar die CIA ihre Finger im Spiel? - "Ach, was", sagt Eisner, sich selbst beschwichtigend: "Die haben nicht einmal den Edward Snowden umgelegt."

Mag ja sein, aber Verschwörungstheorien haben nun einmal ihren besonderen Reiz, und das Spiel um aufgedeckte Polit-Intrigen bleibt spannend bis zuletzt. Wenn es dann doch mal haken sollte, greift mal wieder Bibi mit ihren Fluchtgedanken ein. Bis zuletzt behält sie sich das Recht zum Wechsel vor: Umwerfende Blicke ins Leere treiben Eisner ob des drohenden Verlustes den Angstschweiß auf die Stirn. Aber, es ist großartig, wie wir zweidreiviertel Jahre nach der Erstausstrahlung des Falles wissen: Bibi bleibt und darf gleich in der Folgewoche wieder ran. Dann läuft nämlich der Premieren-"Tatort" der neuen Saison 2020 / 2021 - und er kommt unter dem Titel "Pumpen" ebenfalls aus Wien.