Wie vielfältig ist unser Kino?

Elyas M’Barek in “Türkisch für Anfänger” (Bild: Constantin)
Elyas M’Barek in “Türkisch für Anfänger” (Bild: Constantin)

Deutschland ist ein Einwandererland. Während wir ausgiebig über Flüchtlinge und Integration diskutieren, übersehen wir ein damit zusammenhängendes Thema: Wie sieht es eigentlich mit der Integration von Filmschaffenden mit Migrationshintergrund in Kino und Fernsehen aus?

In den USA wird das Thema Rassismus in der Film- und Fernsehbranche seit Jahren diskutiert. Der Vorwürfe, die immer wieder erhoben werden: Afroamerikanische Schauspieler im Speziellen oder “nicht-weiße” Darsteller im Allgemeinen würden bei der Besetzung von Hauptrollen in Film- und TV-Produktionen zugunsten “weißer” Schauspieler benachteiligt. Sie würden außerdem bei der Vergabe wichtiger Filmpreise übersehen. Und: Hollywood betreibe noch immer “Whitewashing”, indem “nicht-weiße” Charaktere mit “weißen” Schauspielern besetzt würden.

Die Empörungswelle trägt erste Früchte. Unter anderem hat die Oscar-Academy die Zahl ihrer “nicht-weißen”, weiblichen aber auch jungen Mitglieder erhöht; bis 2020 soll sie im Vergleich zu 2016 verdoppelt werden. Dieses Jahr gab es bei den Oscars nicht nur mehrere nominierte schwarze Filmschaffende, sondern auch so manchen Preisträger. Auch dass der britische Schauspieler Ed Skrein die Rolle einer asiatischen Figur in der Comicverfilmung “Hellboy” hinschmiss, zeigt: Hollywood nimmt das Rassismus-Thema ernst.

Einer der erfolgreichsten Regisseure Deutschlands: Fatih Akin (Bild: Pandora Film)
Einer der erfolgreichsten Regisseure Deutschlands: Fatih Akin (Bild: Pandora Film)

Deutschland – Ruhe weil kein Sturm?
Wie sieht es aber in Deutschland aus? Ist die hiesige Kino- und TV-Landschaft frei von Rassismus? Gibt es hier eine größere ethnische Vielfalt bei der Besetzung von Film- und Serienrollen als in den USA? Zunächst einmal kann man festhalten: Eine Debatte über die Teilhabe ethnischer Minderheiten am deutschen Kino- und Fernsehgeschehen findet bei uns so gut wie nicht statt.

Ein fehlender Diskurs heißt aber nicht, dass es kein Problem gibt. Vielleicht reden wir nicht darüber, weil wir mit anderen Themen beschäftigt sind – der Flüchtlingsproblematik etwa oder dem Integrationsproblem. Leben wir außerdem nicht in Zeiten der globalen Angst vor Terror, Klimawandel, Populismus, Trump, Nordkorea, Atomwaffen und künstlich intelligenten Maschinen? Hinzu kommt die Verdrängungssituation in der Branche. Kino? War das nicht gestern? Serien auf Netflix, Sky und Amazon Prime Video sind doch das neue Schwarz. Und wenn wir uns schon ins Kino bemühen, dann doch bitte um Actionspektakel oder Comicverfilmungen aus Hollywood zu sehen. Deutsches Kino, gibt’s das noch?

Mit Fatih Akins “Gegen die Wand” schafft Sibel Kekilli den großen Durchbruch (Bild: Universal Pictures)
Mit Fatih Akins “Gegen die Wand” schafft Sibel Kekilli den großen Durchbruch (Bild: Universal Pictures)

Schauspieler mit Migrationshintergrund – eine Randerscheinung?
Ja, das gibt es, wir nehmen es nur immer weniger wahr. Ebenso wie den Mangel an ethnischer Vielfalt in der Kino- und Fernsehlandschaft. In Deutschland mag der prozentuale Anteil schwarzer Menschen nicht so hoch sein wie in den USA, doch es gibt sie. Spiegelt sich das aber in der Medienwelt wider? Tatsächlich sind schwarze Schauspieler hierzulande eine Seltenheit. Und wenn sie in Film und Serien besetzt werden, dann meist in klischeebehafteten Rollen. Als in den USA 2016 das zweite Jahr in Folge kein einziger afroamerikanischer Schauspieler für einen Oscar nominiert wurde, war die Aufregung groß. Schauen wir auf den deutschen Oscar, die Lola, stellen wir fest: Einen schwarzen Preisträger hat es noch nicht gegeben.

So düster ist die Situation dann aber doch nicht. Nicht nur können sich Schauspielerinnen und Schauspieler mit Migrationshintergrund für Kino und Fernsehen, die sich gerne und oft mit brisanten sozialen Themen auseinandersetzen, durchaus darstellerisch entfalten. Einige von ihnen haben es sogar auf den Filmolymp geschafft. Elyas M’Barek, dessen Vater aus Tunesien stammt, zählt zu den populärsten Stars des deutschen Films. Auch der türkischstämmige Fahri Yardim wird gerne und oft gebucht. Sibel Kekilli, deren Eltern ebenfalls aus der Türkei stammen, schaffte es sogar in die USA, wo sie eine der begehrten Rollen in einer der erfolgreichsten Serien der Welt, “Game of Thrones”, ergattern konnte. Und Fatih Akin, Sohn türkischer Einwanderer, hat nächstes Jahr einmal mehr die Chance, für einen Oscar nominiert zu werden.

Spielt eine der Hauptrollen in der freien Adaption von Ödön von Horváths Roman-Klassiker “Jugend ohne Gott”: Fahri Yardim (Bild: Constantin Film)
Spielt eine der Hauptrollen in der freien Adaption von Ödön von Horváths Roman-Klassiker “Jugend ohne Gott”: Fahri Yardim (Bild: Constantin Film)

Vielfalt zahlt sich aus
Diese und andere deutsche Filmschaffende mit Migrationshintergrund können für ein Plädoyer für eine aufgeschlossenere Kino- und Fernsehlandschaft herhalten. Denn sie machen unsere Kino- und Fernsehproduktionen nicht nur vielfältiger und damit interessanter. Mit ihnen lässt sich nicht nur ein größeres Themenspektrum abhandeln. Ihre Besetzung zahlt sich auch aus. Schließlich lässt sich mit einer vielfältigen Cast & Crew auch ein vielfältigeres und damit größeres Publikum erreichen.