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Welches Internat passt zu meinem Kind?

Bildung ist heute alles. Sie hilft uns bei der Bewältigung von Industrie 4.0, Disruption und Google-Algorithmen. Sie rettet uns vor den Chinesen und dem TV-Programm von RTL II. Es ist nicht ganz klar, ob gegen den Sturm der Digitalisierung das kleine Latinum ausreicht oder doch eher ein Studium der Quantenphysik nötig wäre. Aber Bildung ist es. Insofern ist Herr K. froh, als seine 16-jährige Tochter abends sagt, ihr Englisch müsse besser werden.

Vielleicht wäre Mandarin unter Globalisierungs-Gesichtspunkten sogar eine Alternative? Die Schmidts zum Beispiel haben ein Au-pair-Mädchen aus Tianjin, und deren Sohn ist erst drei. „Man kann nicht früh genug mit der Spracherziehung anfangen“, mahnte Irene Schmidt, Art-Consultant bei einer Privatbank und nebenberuflich in diversen anthroposophischen Mutter-Kind-Initiativen aktiv. Ehrenamtlich.

Andererseits hat Herr K. gewisse Zweifel an den Erfolgsaussichten, wenn er sich Familie Ramelow anschaut. Dort spricht die Mutter mit ihrer kleinen Sophie-Antoinette zwar noch Deutsch, der Vater aber nur noch Englisch: „Säi sänk-ju, wenn Mama giffs ju sä… äh… fuck... was heißt denn Brei auf Englisch?“

Insofern stürzt sich Herr K. nach dem Abendbrot geradezu euphorisiert in die Internetsuche nach einem britischen Internat, einer Institution, aus der längst ein florierender Geschäftszweig innerhalb des Bildungsgewerbes geworden zu sein scheint. Ähnlich wie bei der Thüringer Bratwurst, die es auch nicht nur in Thüringen gibt, wird die Idee „britisches Internat“ mittlerweile weit über die Inselgrenzen hinaus angeboten. Brexit hin oder her.

Gegen halb eins nachts schaut seine Frau ihm noch mal über die Schulter und sagt: „Och, die ist aber süß“" Sie würde eher nach Farbe und Form der Schuluniform entscheiden. „Hast du nicht was mit Paisley?“

Als Herr K. die Semesterpreise sieht, wird ihm schwarz vor Augen. Frühere Generationen haben Kinder aus Gründen der eigenen Altersversorgung gezeugt. Heute tut man es, um möglichst mittellos in die Altersarmut zu wanken, denn der Nachwuchs kostet Unsummen: Markenklamotten, technisches Equipment, Auslandsaufenthalte … britische Internate in Irland sind schon billiger. Neuseeland oder Südafrika ist quasi die Resterampe, aber landschaftlich reizvoll. So sucht sich Herr K. durch die Nacht, bis der Morgen graut und seine Tochter zum Frühstück kommt.

„Ich hab jetzt was für dich“, sagt er stolz. „Cornwall, ganz schnucklig. Ein Schwippschwager von Prinz Williams bestem College-Freund hat eine Cousine zweiten Grades, die dort sogar als Landschaftsgärtnerin arbeitet. Und blauer Tweed als Schuluniform.“ Seine Tochter schaut ihn entgeistert an. „Ich dachte eher an Nachhilfe… Oli aus der Parallelklasse.“ Dass sie in diesen Oli ein bisschen verknallt ist, verrät sie nicht. Aber das macht die Sache für Herrn K. doch deutlich günstiger. Vorläufig.

Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist – beruflich wie privat – bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: herr.k@handelsblatt.com oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK