Welcher deutsche Film geht ins Rennen um den Oscar?

Die inhaltliche Prämisse von “Er ist wieder da” ist großartig: Adolf Hitler erwacht im heutigen Berlin, um erneut die Welteroberung in Angriff zu nehmen. Dabei hat er leichtes Spiel. Denn nicht nur benutzt er Fernsehen und Internet als Plattformen für seine menschenverachtenden Botschaften. Hinzu kommt, dass so mancher Deutscher dem Sog des Führers nur zu leicht erliegt. David Wnendts Groteske ist nicht nur unterhaltsam und handwerklich perfekt inszeniert, sondern kommt auch als beißende Gesellschafts- und Mediensatire daher. Beste Voraussetzungen für eine Oscar-Nominierung. Denn nichts schätzt die Academy of Motion Picture Arts and Sciences mehr an fremdsprachigen Produktionen als die geglückte Kombination aus Unterhaltung und sozialpolitischem Anspruch.

(Bild: Constantin Video)

Wenn die Academy deutsche Filme für einen Oscar nominierte, dann waren es meist solche, die sich entweder mit dem Nationalsozialismus oder dem SED-Regime in der ehemaligen DDR befassten. Insofern hat Lars Kraumes “Der Staat gegen Fritz Bauer” durchaus eine reelle Oscar-Chance auf den begehrten Preis. Das Drama kreist um die Bemühungen des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer Anfang der 1960r Jahre, den Kriegsverbrecher Adolf Eichmann in Deutschland vor Gericht zu stellen. Dabei stößt er gegen eine Mauer aus Schweigen und Verdrängen.

(Bild: Alamode Film)

Das Echo des Zweiten Weltkrieges ist auch in “Vor der Morgenröte” zu hören, auch wenn ein Großteil der Handlung des Dramas in Brasilien angesiedelt ist. Die Schauspielerin Maria Schrader erzählt in ihrer zweiten Regiearbeit von dem österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig, der durch das Kriegstreiben Nazideutschlands in die Emigration getrieben wird. Im brasilianischen Petrópolis nimmt er sich 1942 aus Verzweiflung über die politische Entwicklung in Europa das Leben. “Vor der Morgenröte” wurde von deutschen Kritikern hochgelobt, ob der Film allerdings auch eine Chance auf eine Oscar-Nominierung hätte, bleibt fraglich. Schrader erzählt das Biopic nicht linear, vielmehr wählt sie eine episodische Struktur, indem sie die Handlung in sechs Kapitel unterteilt. Ob das für die Academy nicht ein wenig unakademisch ist?

(Bild: X Verleih)

Wesentlich konventioneller ist dieses Drama um ein tragisches Schicksal geraten. Hans Steinbichler erzählt in “Das Tagebuch der Anne Frank” die Geschichte des jüdisch-deutschen Mädchens Anne Frank, das mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten in die Niederlande flieht. Als die Deutschen das Land besetzen, finden die Franks in einem Hinterhaus in Amsterdam Unterschlupf. Sie werden verraten, verhaftet und in Konzentrationslager deportiert. Im KZ Bergen-Belsen kommt Anne 1945 im Alter von 15 Jahren ums Leben. Ihre Erlebnisse und Gedanken während des zweijährigen Verstecks hält das aufgeweckte Mädchen in einem Tagebuch fest, das später unter dem Titel “Das Tagebuch der Anne Frank” veröffentlicht und weltberühmt wird.

(Bild: Universal Pictures)

Um das Schicksal eines Kindes zur Zeit des Nationalsozialismus kreist auch “Nebel im August”. Das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama handelt von einem 13-jährigen Halbwaisen, der von diversen Erziehungsheimen als nicht erziehbar eingestuft und in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wird. Bald erkennt der Junge, dass die Insassen hier systematisch getötet werden. Er rebelliert und beschließt, aus der Anstalt zu fliehen. “Nebel im August” mit Sebastian Koch als skrupelloser Klinikleiter startet am 29. September in den deutschen Kinos.

(Bild: StudioCanal Germany)

Eine schöne Abwechslung wäre es, wenn German Films mal nicht einen Film um Nazi-, Stasi- oder RAF-Gräuel nach Hollywood schicken würde, sondern einen, der sich mit der deutschen Gegenwart beschäftigt. Einen Film zudem, der kein düsteres Drama ist, sondern eine wunderbar leichtfüßige und unprätentiöse Komödie. “Toni Erdman” ist so ein Film. Darin erzählt Maren Ade von einem Vater, der zu seiner in Bukarest arbeitenden Tochter reist und ihr Leben hier gehörig auf den Kopf stellt. Die Komödie lief dieses Jahr im Wettbewerb in Cannes, wo sie zur Überraschung der meisten Kritiker keinen Preis gewann. Eine reelle Chance auf eine Oscar-Nominierung hätte dieses Meisterwerk allemal.

(Bild: NFP marketing & distribution)

Ebenfalls in der Gegenwart verortet sind “Auf Augenhöhe” und “Power to Change - Die EnergieRebellion”. Angesichts der Konkurrenz von “Toni Erdmann”, “Vor der Morgenröte” und “Der Staat gegen Fritz Bauer” dürften der Kinderfilm und die Dokumentation allerdings eher Außenseiterchancen auf eine Oscar-Bewerbung haben. “Auf Augenhöhe” (Kinostart: 15. September) handelt von einem 10-jährigen Jungen, der in einem Heim lebt und auf der Suche nach seinem Vater ist. In “Power to Change” porträtiert Carl-A. Fechner Menschen, die sich für eine nachhaltige Energiewende einsetzen - weg von Kernkraft und fossilen Brennstoffen hin zur Nutzung von Sonne, Wind und Wasser als erneuerbare und umweltfreundlichere Energiequellen.

(Bild: change filmverleih)