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„Was für einen Unterschied ein Jahr macht“: Unser Inside-Report vom Mittagessen der Oscar-Nominierten 2017

Gruppenfoto der Oscar-Nominierten 2017
Gruppenfoto der Oscar-Nominierten 2017

„Wow, was für einen Unterschied ein Jahr macht“, merkte Cheryl Boone Isaacs, die Präsidentin der Academy of Motion Picture Art and Sciences an und zeigte sich sehr zufrieden, als sie am Mittwochnachmittag die Teilnehmer des traditionellen Mittagessens im Vorfeld der 89. Oscarverleihung im Beverly Hilton begrüßte. Isaacs eröffnete ihre Rede mit der Anmerkung, dass die diesjährige Auswahl sehr viel inklusiver sei, nachdem die Academy zwei Jahre nacheinander scharf für die berüchtigten weißen Oscars kritisiert – besser gesagt öffentlich angegriffen – wurde. „Einfach gesagt, es gab einen großen Fortschritt“, sagte Isaacs und schrieb dies der aktiven Rolle der Academy zu, die die Mitgliederzahl erweiterte und 683 neue Stimmberechtigte rekrutierte.

Man musste nicht weiter als bis zum Tisch 18 schauen – wo wir im International Ballroom des Hilton Platz genommen hatten –, um den Unterschied zu erkennen. Links von uns saß Raoul Peck, Regisseur des hochgelobten James Baldwin Dokumentarfilms „I Am Not Your Negro“ und einer von vier afroamerikanischen Filmemachern, die für einen Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm nominiert sind. Rechts von uns saß „Moonlight“-Editorin Joi McMillon, die vergangenen Monat Geschichte schrieb, als sie als erste afroamerikanische Frau für einen Oscar in der Kategorie Bester Schnitt nominiert wurde.

Beide sind zum ersten Mal nominiert und erinnerten sich gut gelaunt, wo sie an dem Morgen waren, als sie erfuhren, dass sie für einen Oscar nominiert sind. Für Peck war es schon Nachmittag. Denn er war in Deutschland und beendete gerade die Arbeit an seinem nächsten Dokumentarfilm „Young Karl Marx“ (genauso wie am Film „I Am Not Your Negro“ arbeitete er an dieser Dokumentation die vergangenen zehn Jahre). „Jemand sah es auf Twitter, aber man kann nicht alles glauben, was auf Twitter steht, deshalb glaubte ich es nicht sofort“, gestand der Regisseur. McMillon war beim Sundance Film Festival in Utah, wo ihr zweiter Spielfilm, die Tragikomödie „Lemon“ mit Brett Gelman und Michael Cera, Premiere feierte. „Ich wollte an diesem Morgen zu einer Vorführung gehen, aber einer meiner Produzenten meinte ‚Du wurdest gerade für einen Oscar nominiert, das müssen wir feiern!‘“, lachte McMillon.

Die Statistik, die am meisten Aufsehen erregte: Sieben der 20 nominierten Schauspieler und Schauspielerinnen sind farbig. „Ich bin einfach nur außer mir vor Freude, völlig aus dem Häuschen“, verriet uns Octavia Spencer, die vor fünf Jahren bereits einen Oscar für „The Help“ gewonnen hatte, in Bezug auf ihre Nominierung als Beste Nebendarstellerin für den Film „Hidden Figures – Unbekannte Heldinnen“. Aber natürlich war sie überglücklich über den Erfolg des Films insgesamt. Das inspirierende Drama über afroamerikanische Frauen, die eine zentrale Rolle beim Wettrennen ins All spielten, wurde ein großer Kinohit – er spielte über 108 Mio. Euro ein und es gibt keine Anzeichen, dass dieser Erfolg in naher Zukunft nachlässt.

„Moonlight“-Stars Naomie Harris und Mahershala Ali beim Mittagessen der Oscar-Nominierten. (Bild: Kevin Winter/Getty Images)
„Moonlight“-Stars Naomie Harris und Mahershala Ali beim Mittagessen der Oscar-Nominierten. (Bild: Kevin Winter/Getty Images)

Naomie Harris, eine der Nominierten für den Oscar als Beste Nebendarstellerin, verriet uns, dass dieses Mittagessen das erste Mal ist, dass sie sich „entspannt“ fühlt in Bezug auf ihren neuen Status als Oscarnominierte. Bevor der chilenische Wolfsbarsch mit Couscous serviert wurde, sagte sie, sie sei gespannt auf die „aufmunternden Worte“, die den Oscaranwärtern bei dieser Veranstaltung jedes Jahr zugesprochen würden.

Isaacs verbreitete definitiv eine positive Stimmung und erhielt viel Applaus, als sie, ohne Namen zu nennen, auf die leeren Stühle bei der Veranstaltung hinwies und die Auswirkungen bedauerte, die Trumps umstrittenes Einreiseverbot für einige Nominierte hat – wie Asghar Farhadi, den iranischen Regisseur des Films „The Salesman“, der in der Kategorie Bester Ausländischer Film nominiert ist. Farhadi sagte als Reaktion auf das Verbot, er werde die Zeremonie boykottieren. „Starke Gemeinschaften feiern Kunst statt sie zu zensieren“, verkündete die Präsidentin der Academy unter viel Applaus.

Die Oscar-Produzenten Michael De Luca und Jennifer Tood gaben den Nominierten etwas mehr „praktische” Tipps. Sie zeigten eine urkomische Sequenz, in der „Saturday Night Life“ und „Ghostbusters“-Komikerin Kate McKinnon den fiktiven Leinwand-Star aus den 1930er Jahren, Gloria Concave, spielt, die den Gewinnern Tipps für ihre 45-sekündigen Dankesreden gab. Diese Tipps waren einfach (z.B. „sei vorbereitet“, „sei schnell“ [auf der Bühne] und „verzichte auf Notizen“) und wir sehen Aufnahmen von Concaves katastrophalen Reden. (Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum so wenige Gewinner fluchen? Beim Mittagessen der Oscar-Nominierten werden Sie gewarnt, dass sie dafür Strafe zahlen müssen.)

Lucas Hedges, der für „Manchester by the Sea“ nominiert ist. (Bild: Kevin Winter/Getty Images)
Lucas Hedges, der für „Manchester by the Sea“ nominiert ist. (Bild: Kevin Winter/Getty Images)

Vor und selbst während des Essens nahm die gegenseitige Beweihräucherung der Stars kein Ende. Lucas Hedges („Manchester by the Sea“), der sich für sein neues Off-Broadway Stück „Yen“ die Haare kurz schneiden ließ, war total aufgedreht, seinen Konkurrenten in der Kategorie Bester Nebendarsteller Dev Patel („Lion“) begrüßen zu können. McMillon und ihr Gast machten sich darüber Gedanken, wen sie als nächsten ansprechen sollten, Patel oder Pharrell Williams (Produzent von „Hidden Figures – Unbekannte Heldinnen“, der als Bester Film nominiert ist), der mit einer grünen Baseball-Kappe, einem NASA Sweatshirt und Jeans problemlos der Gewinner in der Kategorie Underdressed war. Drehbuchautor Jared Bush, der uns verriet, dass er auf ein Unentschieden zwischen seinen Filmen „Vaiana – Das Paradies hat einen Haken“ und „Zoomania“ in der Kategorie Bester Animationsfilm hofft, sprach Natalie Portman auf dem Weg zu ihrem Tisch an. Und „La La Land“-Regisseur Damien Chazelle, der uns gegenüber zugab, dass er sich fühle, als würde er im Hilton wohnen (er gewann in dem Hotel gerade einen Director’s Guild Award und auch die Golden Globes sowie die Producer’s Guild Awards wurden hier verliehen), schmeichelte einem weniger Bekannten Titan der Branche: dem Produktions-Designer der Coen-Brüder, Jess Gonchor, der für „Hail, Caesar!“ nominiert ist.

Und dann ist da natürlich das Bild, wofür das Mittagessen der Oscarnominierten am berühmtesten ist: das alljährliche „Oscars Klassen-Foto“. Was man auf dem überall verbreiteten Foto (oben) nicht sehen kann, ist das vorangehende Ritual der langwierigen Aufstellung, denn jeder der Nominierten wird namentlich auf die Bühne geholt. In diesem Jahr übernahm Laura Dern diesen Job.

Die Nominierten stellen sich für das Oscar-Klassen-Foto auf. (Bild: Kevin Polowy/Yahoo)
Die Nominierten stellen sich für das Oscar-Klassen-Foto auf. (Bild: Kevin Polowy/Yahoo)

Es muss ungefähr eine halbe Stunde gedauert haben, um die über 150 Nominierten aufzustellen, und dies geschah ohne Rangfolge: Ryan Gosling (Bester Hauptdarsteller, La La Land) bekam als Nachfolger Dan Krauss, Regisseur des nominierten Films „Extremis“ in der Kategorie Bester Dokumentar-Kurzfilm; Justin Timberlake (Bester Filmsong, „Trolls“) bekam als Nachfolger einen der Tonmeister von „Sully“. Am Ende musste man etwas Mitleid haben, u.a. mit Kenneth Lonergan (Bester Regisseur und Bestes Originaldrehbuch, „Manchester by the Sea“) und John Musker (Bester Animationsfilm, „Vaiana – Das Paradies hat einen Haken“), die sich zu Beginn in die oberste Reihe stellen mussten. (Spencer, „Manchester“-Produzent Matt Damon und die als Beste Hauptdarstellerin für „La La Land“ nominierte Emma Stone gesellten sich derweil zur schwangeren Portman, die in der ersten Reihe Platz nahm.)

Es ist inspirierend zu sehen, dass die Academy jeden einzelnen Nominierten ehrt, egal ob sie vor oder hinter der Kamera des Films arbeiteten, für den sie nominiert sind. Aber nicht immer war der Applaus gleich laut. Barry Jenkins (Bester Regisseur „Moonlight“), Viggo Mortensen (Bester Hauptdarsteller, „Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück“), Denzel Washington (Bester Hauptdarsteller, „Fences“), Viola Davis (Beste Nebendarstellerin, „Fences“) und Lin-Manuel Miranda (Bester Filmsong, „Vaiana – Das Paradies hat einen Haken“) erhielten den lautesten Applaus. Die Interpretation, was dies für die Preisverleihung am 26. Februar bedeuten könnte, überlassen wir Ihnen.

Kevin Polowy
Chefredakteur
Yahoo Movies