Warum „Vaiana“ Disneys aufwendigster Computeranimationsfilm ist

Drei Jahre sind vergangen, seit die Disney Animation Studios „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ herausbrachten, der zum erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten wurde. In der Zwischenzeit veröffentlichte das Studio auch „Baymax – Riesiges Robowabohu“ und „Zoomania (beide ebenfalls große Hits) – und das alles, während gleichzeitig an dem bisher technisch aufwendigsten Film gearbeitet wurde.

Moana und Maui – Bild: Disney

„Vaiana“ ist nicht nur die Rückkehr zu Weltklasse Musicals für den Animations-Riesen, sondern der Film markiert auch die Rückkehr von zwei der erfolgreichsten Regisseure von Disney, John Musker und Ron Clements. Die beiden Filmemacher führten Regie bei „Arielle, die Meerjungfrau“, „Aladdin“ sowie „Küss den Frosch“ und arbeiteten für „Vaiana“ an ihrem allerersten Computeranimationsfilm.

Es war eine Mammutaufgabe für die Pioniere handgezeichneter Animationsfilme, die nicht nur eine völlig neue Disziplin lernen mussten, sondern dabei auch noch mit Wasser zu tun hatten – bekanntlich eines der Dinge, die am schwierigsten zu animieren sind – und zwar Unmengen davon. Um genau zu sein: Ozeane voll davon.

„Der Großteil des Films spielt auf hoher See“, erklärt Produzentin Osnat Shurer.

„Es gibt Wasser, es gibt Lava, und keine Kulisse ist statisch, sie befinden sich auf einem Boot und sind die ganze Zeit unterwegs.“

Produzentin Osnat Shurer, die Stimme von Moana - Auli’I Cravalho, die Regisseure John Musker und Ron Clements – Bild: Disney/Hugh E. Gentry

Die Animations-Veteranin war diejenige, die die Aufgabe hatte, die beiden Regisseure in die Technologie der Computeranimation einzuweisen, aber wie sie sagt, „Animation ist Animation, und sie sind Größen in der Animation.“

Osnat sprach mit uns über die Herausforderungen von „Vaiana“, die Innovationen, die notwendig waren, um das auf einer Pazifischen Insel spielende Abenteuer auf die Kinoleinwand zu bringen, und über das Geheimnis, wie man „Let It Go“ toppen kann…

Yahoo Movies: Welche Herausforderungen mussten Ron Clements und John Musker bei der Arbeit an ihrem ersten 3D-Animationsfilm bewältigen?

Osnat Shurer: Es ist eine interessante Umstellung. Diese Umstellung musste Brad Bird bei „Die Unglaublichen – The Incredibles“ auch machen.

Animation ist Animation, und sie sind Größen in der Animation. Deshalb geht es hauptsächlich um die Geschichte und die schauspielerische Leistung. Und all das haben sie definitiv verinnerlicht. Was sie lernen mussten und wo es bei der Computeranimation etwas verwirrend wird, ist, was man sieht und wann.

Das ist ein vollkommen anderer Prozess. Bei traditioneller Animation stellt man eine Sequenz fertig, und dann ist sie fertig.

Bei der Computeranimation gibt es unzählige Ebenen, die man ansehen kann, und dann sagen kann: ‚Okay, dieser Felsen sieht nicht gut aus‘, aber es ist wie: ‚Schau da nicht hin‘. ‚Der Himmel sieht nicht richtig aus‘ – ‚Schau nicht hin‘. Du musst ihnen beibringen: ‚Konzentrier dich nur auf etwas bestimmtes‘.

Und so lernten sie und gewöhnten sich daran, worauf sie sich konzentrieren sollten und wann; worauf man sein Augenmerk richtet und wann; was kompliziert und was einfach ist, unterscheidet sich bei der Computeranimation erheblich von der traditionellen Animation.

Bei der Computeranimation müssen wir Modelle kreieren und manipulieren, also zum Beispiel: ‚Wie viele Transformationen kann Maui haben?‘ Das ist etwas, das bei der Computeranimation begrenzt ist und sehr spezifisch sein muss, weil wir sie modellieren müssen. Bei traditioneller Animation zeichnet man es einfach, und man kann so Hunderte haben.

Deshalb waren manche Dinge, die sie lernen mussten, bei der Computeranimation komplizierter, und andere Dinge wieder waren einfacher und vielversprechender - wie der Ozean.

Maui ist mit Tattoos bedeckt, inklusive einer Miniatur-Version seiner selbst, namens „Mini Maui“ – Bild: Disney

Oder nehmen Sie zum Beispiel die Figur mit all den Tattoos - Maui [der Halbgott, der von Dwayne Johnson gesprochen wird]. Bei der traditionellen Animation wäre das – wie wir es nennen – unglaubliche ‚Pencil Mileage‘ [Bleistift-Leistung]. Man müsste sie einfach immer und immer wieder zeichnen. Bei der Computeranimation entwirft man sie einmal, und dann bewegen sie sich.

Deshalb muss man lernen, was einfach ist, was kompliziert ist, und was wann kommt, aber im Großen und Ganzen geht es darum, eine gute Geschichte zu erzählen und Animation zu verstehen. Man muss wissen, was man zum Leben erwecken kann, und darin sind sie einfach Genies. Die Idee, dass der Ozean lebt, mit den Tattoos, die sich auf seinem Körper bewegen, all diese Dinge sind klassische Animationsideen, die von solchen Leuten kommen.

Welche Innovationen waren notwendig, um den Film zu Leben zu erwecken?

Bei diesem Film gab es eine ganze Reihe an Innovationen, weil der Film so viele Effekte hat.

Unser Film besteht zu 85% aus visuellen Effekten, was in der Computeranimation ziemlich viel ist. Da ist das Wasser, die Lava, und keine Kulisse ist statisch, sie sind auf einem Boot und die ganze Zeit unterwegs. Es gab eine ganze Reihe von Dingen, die für den Film erfunden wurden. Es gab viele schlaue Köpfe, die beeindruckende Programme schrieben. Sie schrieben drei verschiedene Programme für das Meer, eines für Wasser in der Ferne, eines für Wasser in halber Entfernung und eines für Wasser in der Nahaufnahme, und dann noch ein viertes, um alle zu kombinieren.

Da die Idee war, dass das Wasser eine eigene Figur ist, musste es plötzlich eine enge Zusammenarbeit zwischen visuellen Effekten und Animation der Charaktere geben.

Und abgesehen von den Programmen, die speziell dafür geschrieben wurden, um das Verhalten von Wasser zu animieren, hatten sie auch noch diese unglaublichen Tests der Auftriebskraft entwickelt, um die physikalischen Vorgänge zu verstehen, wann ein Boot auf dem Wasser schwimmt und eine Heckwelle erzeugt.

Moana reitet auf den Wellen – Bild: Disney

Und wenn wir jede einzelne Welle von Hand zeichnen müssten, dann würden wir immer noch dabei sitzen, aber sie fanden eine Möglichkeit, dies zu automatisieren, basierend auf der Welle beim Boot und dem Seegang.

Ein weiterer Punkt war unser Wunsch, tolles, dickes, langes Haar zu zeigen und die Möglichkeit zu haben, mit den Formen zu arbeiten, die es kreiert, und bei der traditionellen Animation geht es immer darum, Formen zu analysieren.

Wir wollten Ron und John die Möglichkeit geben, wirklich als Regisseure zu arbeiten. Also wurde ein vollkommen neues Programm namens Tonic geschrieben, um zu definieren, wie sich das Haar bewegt, wie die Strähnen aneinanderprallen, wie es fällt, und wie es sich verhält, wenn es nass ist.

Wir haben Figuren, bei denen ziemlich viel Haut sichtbar ist. Um also zu zeigen, wie die Muskeln unter der Haut arbeiten, mussten viele unglaublich schlaue Leute weitere Programme schreiben. Die exakten Details sind etwas zu hoch für mich, aber dies waren definitiv die Anwendungen, die die Umsetzung des Films ermöglicht haben.

Die Bewegungen der Haare wurden also seit „Rapunzel – Neu verföhnt“ verbessert?

Es hat sich seitdem wirklich sehr viel getan. In der Welt der Computeranimation liegt „Rapunzel – Neu verföhnt“ [2010] sehr LANGE zurück, aber er war wirklich ein großartiger Film, der damals bahnbrechend war.

Aber das ist Vergangenheit… Ich glaube, ich habe noch nie so etwas gesehen, was unsere Jungs mit der Animation des Ozeans erreicht haben. Es ist wundervoll, wozu unser Effekte-Team in der Lage ist. Das hat mich wirklich beeindruckt.

War die Geschichte von Anfang an Moanas Geschichte? War sie die Basis der ursprünglichen Idee?

Moana, gesprochen von Auli’i Cravalho, wird in diesem Film keine Romanze haben – Bild: Disney

Seit unserer ersten Reise war unsere Vision für den Film eine junge Frau, die dazu bestimmt ist, Seefahrerin zu sein. Es ist im Prinzip ihr Film, sie kommt darin von Anfang bis zum Ende vor, und während es die Geschichte ihrer Veränderung ist, ist sie gleichzeitig eine Botin des Wandels.

Alle um sie herum kämpfen mit Identitätsfragen. Ihr Vater und ihre Kultur, die wieder eine Verbindung mit der Vergangenheit herstellen wollen. Maui, der die Verbindung zu sich selbst verloren hat, und sie später wieder findet, im Film geschieht das mit noch mehr Figuren.

Sie hilft also jeder einzelnen Figur im Film, ihre Identität wiederzufinden und eine neue Verbindung aufzubauen.

Und von dem Moment an, als wir uns entschieden haben, dass es ihre Geschichte ist, haben wir hart daran gearbeitet, dass es ihre Geschichte bleibt. Es ist nicht einfach, den Fokus der Geschichte auf der Hauptfigur zu behalten, wenn eine andere Figur magische Kräfte hat, weil solch eine Figur den Film immer dominieren will, aber es ist eine faszinierende Herausforderung, und es macht einfach Spaß, dies zu realisieren.

Und es funktioniert, weil wir uns alle mit Moana identifizieren können, wir müssen uns nicht verbiegen. Wir alle haben Träume, und uns allen erzählen andere, was unsere Bestimmung ist, aber wir müssen auf unser Gefühl vertrauen, dann finden wir unsere Bestimmung. Deshalb denke ich, dass sie eine Figur ist, mit der wir uns alle identifizieren können.

Was können Sie uns über Taika Waititis erste Entwürfe erzählen, und ist irgend etwas davon im finalen Film zu sehen?

Er scherzt immer, dass er, seit er mit der Arbeit an diesem Film begonnen hat, zwei weitere Filme gemacht hat [„5 Zimmer Küche Sarg“ und „Hunt for the Wilderpeople“] und zwei Kinder bekommen hat. Und ja, es stimmt, unsere Filme brauchen viel Zeit.

Taika hat einen großartigen Sinn für Humor, das liegt an seinem Hintergrund, und er ist frech, und das ist einfach liebenswert. Und er brachte diesen wundervollen authentischen Ton ein, aber auch Unfug, den wir beibehalten haben.

Die Geschichte an sich hat sich jedoch an die hundert Mal verändert, seit er anfing, an dem Film zu arbeiten. Wir blieben mit Taika in Kontakt, und er machte seine Anmerkungen – und der Witz des Films wurde dadurch noch gesteigert. Wir lieben seine Filme.

Also hat sich die Geschichte verändert?

Sie hat sich entwickelt. Jeder, der am Film beteiligt war, hat ihn beeinflusst, und es war definitiv hilfreich, dass Taika als Drehbuchautor seinen eigenen Maori-Hintergrund einfließen lassen konnte.

Die Grenze zwischen kultureller Wertschätzung und Vereinnahmung ist sehr dünn. Was ist der Moment, in dem Sie erkennen, ob Sie alles richtig gemacht haben oder nicht?

Das Aussehen von Maui rief Kritik einiger Einwohner der Pazifischen Inseln hervor – Bild: Disney

Ich glaube, es wird sehr viele solche Momente geben, und bei allem, was wir taten, versuchten wir diese Grenze nicht zu überschreiten. Bei Animationen arbeitet man unglaublich eng zusammenarbeiten, deshalb sind wir alle an Zusammenarbeit gewöhnt, und wir sind es gewöhnt, dass jeder etwas zum Film beiträgt. Also haben wir den Kreis erweitert und unseren Oceanic Story Trust* eingebunden, um Leute direkt aus dem Kulturkreis zu involvieren, sowohl als Berater – innerhalb des Trusts – als auch im Film direkt.

Ob es Taika ist, ob es unser Songwriter Opetaia Foa ist, ob es unsere Besetzung ist, die alle eine Verbindung zu den Pazifischen Inseln haben – wir versuchten, den Film gemeinsam zu realisieren. Natürlich ist es eine Arbeit, die der Vorstellungskraft entspringt, und die Vorstellungskraft von Ron Clemens und John Musker ist ziemlich ausgeprägt.

Es ist eine reiche, wundervolle Vorstellungskraft, die uns so viele großartige Filme beschert hat, so dass es eine Balance ist, ein Zusammenspiel beider Aspekte. Unser großer Traum und unsere Hoffnung ist, dass er den Leuten gefällt, aber man weiß nie. Man gibt sein Bestes, steckt all sein Herzblut hinein, hat die besten Absichten und hofft das Beste.

*Der „Oceanic Story Trust“ ist ein Team aus Akademikern, Archäologen, Anthropologen, Linguisten und Historikern, die sich mit den Pazifischen Inseln beschäftigen und von Disney engagiert wurden, um das Filmteam zu beraten.

Erzählen Sie uns etwas über Maui, denn wenn man ihn – physisch – überlebensgroß darstellt, könnte dies für die Einwohner der Pazifischen Inseln beleidigend sein.

Wir haben uns beim Design jeder einzelnen Figur viel Zeit gelassen und eng mit den Mitgliedern unseres Oceanic Story Trust und den großartigen Charakterdesignern, die wir bei Disney haben, zusammengearbeitet, um jede einzelne Figur zu kreieren.

Maui ist eine Verschmelzung vieler Ideen darüber, wer Maui eigentlich ist. Wir sprechen nicht von einer Kultur, wir sprechen von vielen, vielen Kulturen der Pazifischen Inseln. Der Film spielt sehr weit in der Vergangenheit, bevor Tahiti besiedelt war, bevor Hawaii besiedelt war, bevor Neuseeland besiedelt war. Aber wir sprachen mit Personen all dieser Kulturen, während wir an der Figur arbeiteten.

Es war sehr wichtig, dass er überlebensgroß ist, dass er groß, stark und tüchtig ist – er ist ein Halbgott, er soll nicht wie der Typ von nebenan aussehen.

Und es ist eine Animation. Wenn wir einen realen Film hätten drehen wollen, dann hätten wir das getan. In einem Animationsfilm kann man Dinge realisieren, wie den Ozean lebendig machen, man kann Tattoos lebendig werden lassen, und man möchte irgendwie, dass das Äußere zu den Charaktereigenschaften der Figur passt.

Wir arbeiteten beim Design zusammen und hoffen nun das Beste.

Alle sind sehr gespannt auf den Soundtrack. Was ist der „Let It Go“-Moment des Films?

Das ist wirklich schwer zu sagen. In „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ wussten wir ja auch nicht, dass der ‚Let It Go‘-Moment ein ‚Let it Go‘-Moment sein würde, weil der Film so viele tolle Songs enthält. Mein Büro war direkt nebenan, und als ich ihn das erste Mal hörte, wusste ich, dass dieser Song richtig gut ist.

Auch in diesem Film haben wir ein paar großartige Songs, die eine Zusammenarbeit dieser drei ist – sie sind wunderbar anzuschauen, und ich hoffe, dass einer von ihnen ein ‚Let It Go‘-Moment wird, aber ich habe zwei oder drei Favoriten, deshalb müssen wir abwarten, welchen das Publikum am besten findet.

Wie schaffte es Lin-Manuel Miranda, die Musik zu schreiben, während er am Musical „Hamilton“ arbeitete?

Wir kannten seinen Terminplan, acht Shows pro Woche, und wir trafen uns regelmäßig mindestens zweimal die Woche. Diese Treffen fanden zu einer ganz bestimmten Zeit statt – nachdem er im Theater ankam und bevor die Show startete, aber manche der Demos für den Film, die Demos für die Songs wurden in seiner Garderobe mit anderen Darstellern aus „Hamilton“ aufgenommen.

Lin-Manuel Miranda auf der Bühne für sein erfolgreiches Musical „Hamilton“ – Bild: Getty Images/CBS Photo Archive

Ich beschwere mich nicht. Wir hatten von Anfang an einen ziemlich guten Ton für den Film.

Er arbeitet ziemlich schnell, aber er ist auch sehr tiefsinnig, deshalb rechnete er immer ausreichend Zeit für seine Überlegungen ein, so dass wir bei unserer Zusammenarbeit schnell vorankamen.

Es waren auch Leute aus verschiedenen Zeitzonen überall auf der Welt beteiligt, deshalb war es manchmal eine Herausforderung, einen Termin zu finden, und er hatte wenig Zeit, aber er stand für uns immer zur Verfügung. Es war Liebe auf den ersten Blick. Als wir ihn das erste Mal interviewten, kam er herein und sagte zu John: „Ich bin wegen ‚Arielle, die Meerjungfrau‘ in diesem Geschäft“.

Seine Liebe für diesen Film, seine Freude darüber, die Gelegenheit zu bekommen, an diesem Projekt mitzuarbeiten, und seine Gewandtheit, mit verschiedenen Kulturen zu arbeiten und sie zusammenzubringen – was er bereits bei früheren Shows, die er geschrieben hat, bewiesen hatte – kann man wirklich im Film spüren.

Die Kombination von Mark, Opetaia und Lin war, obwohl sie quer über die Welt verstreut waren, wirklich stark. Wir sprachen zum Beispiel am Telefon, und er musste einen anderen Anruf entgegen nehmen und sagte dann: ‚Oh, ich habe gerade einen Pulitzer Preis gewonnen, was hast du gesagt?‘

Es geschah sehr viel in seinem Leben, und während wir am Film arbeiteten, wurde er zum ersten Mal Vater. Es veränderte sich also viel in seinem Leben, und trotzdem ist er einer der bescheidensten, bodenständigsten Menschen, die es gibt, deshalb wurde es nie kompliziert.

„Vaiana“ läuft am 22. Dezember 2016 in den deutschen Kinos an.

Tom Butler

UK Autor