Warum "Independence Day: Wiederkehr" an den Kinokassen enttäuscht

Mit “Independence Day” dreht der deutsche Hollywood-Export Roland Emmerich 1996 einen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. 20 Jahre später kommt nun die langersehnte Fortsetzung in die Kinos. Langersehnt? Wohl kaum. Als das Science-Fiction-Spektakel am 24. Juni in den USA startete, musste wohl nicht nur Emmerich sich ungläubig die Augen gerieben haben, bis er endlich die traurige Gewissheit hatte: “Independence Day: Wiederkehr” spielt am Startwochenende gerade mal 41 Millionen US-Dollar ein. Kein Flop, gemessen an den Produktionskosten von etwa 165 Millionen Dollar dennoch eine herbe Enttäuschung. Doch was sind die Gründe für das Scheitern?

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Fehlende Sympathieträger

Eine Erklärung mag das Fehlen charismatischer Identifikationsfiguren sein. Vorgänger “Independence Day” lebte auch und vor allem von dem draufgängerischen Kampfpiloten Steven Hiller, der überdies von dem damals aufstrebenden Star Will Smith verkörpert wurde. Um Smith, der in “Wiederkehr” erst mitspielen wollte, dann doch absprang, zu kompensieren, setzten die Macher gleich auf mehrere Jungdarsteller. Doch weder Liam Hemsworth (“Die Tribute von Panem”), noch Jessie T. Usher (“When the Game Stands Tall”) in der Rolle von Hillers Sohn, noch Maika Monroe (“It Follows”) haben die Präsenz, wie sie einst Smith hatte. Nicht etwa weil ihnen das Charisma oder das Talent fehlt, sondern weil ihnen das Drehbuch nicht den nötigen Raum zur Entfaltung gibt.

Blasse Konflikte

Überhaupt hat das Drehbuch, an dem nicht weniger als fünf Autoren gefeilt haben, Lücken wie ein Schweizer Käse. Was sich vor allem an den blass gezeichneten Beziehungen und Konflikten zwischen den jeweiligen Figuren bemerkbar macht. Zwischen Jake Morrison (Hemsworth) und der Tochter (Monroe) des Ex-US-Präsidenten Whitmore (Bill Pullman) fehlt schlicht die Chemie. Das Schwärmen eines weiteren Piloten (Travis Tope) für eine asiatische Kollegin (Angelababy) ist bloß ein Running Gag und die Rivalität zwischen den Kampfhähnen Morrison und Hiller Jr. bleibt bis zuletzt ein Rätsel.

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Wo bleiben die Liebesgeschichten?

“Independence Day: Wiederkehr” fehlt einfach das Herz. Die dritte wenig ausgefeilte Paar-Konstellation ist die zwischen den Wissenschaftlern David Levinson (Jeff Goldblum) und Catherine Marceau (Charlotte Gainsbourg). Das Drehbuch will uns glauben machen, dass es nicht nur zwischen ihren Köpfen funkt, doch so richtig will man der angedeuteten Liebesgeschichte keinen Glauben schenken. Einmal stehen die beiden kurz davor, sich zu küssen, doch die Annäherung endet (Achtung: Spoiler-Alarm) im coitus interruptus.

Der fehlende staunende Blick

Eines der Standardsituationen im Katastrophengenre - und das sind die “Independence Day”-Filme unter anderem auch: Katastrophenfilme - ist der staunende Blick der Menschen im Angesicht der herannahenden Katastrophe. Zu den eindrucksvollsten Momenten in “Independence Day” gehören denn auch jene, in denen die Haupt- und Nebenfiguren gen Himmel schauen und von der Ankunft des Alien-Mutterschiffs überwältigt werden. In der Fortsetzung werden diese Blick-Momente auf ein Minimum reduziert, wobei die wenigen Male durch einen aufgesetzten Humor gebrochen werden. Etwa die Reaktion von Goldblums Wissenschaftler: ‘Dieses Mal ist es definitiv größer als letztes Mal.’

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Zu wenig Katastrophe, noch weniger Postapokalypse

Weitere Motive des Katastrophenfilms sind die Verwüstung kleinerer oder größerer Teile der Erde sowie das Chaos und die Verzweiflung in den Tagen danach. In “Independence Day: Wiederkehr” beschränkt sich die Darstellung der Katastrophe auf einige wenige Szenen, die den Zuschauer jedoch weniger überwältigen, als dass er vielmehr in dem Chaos die Orientierung verliert. Die postapokalyptische Szenerie besteht im Grunde aus der obskuren Flucht einiger Figuren mit einem Schulbus durch einige zerstörten Straßen und Städte. Das ist zu wenig angesichts des Ausmaßes der globalen Verwüstung.

Fehlender Wow-Effekt

Als “Independece Day” 1996 in die Kinos kommt, sind die Zuschauer weltweit von den zum Teil bahnbrechenden Spezialeffekten überwältigt. Sie lockt vor allem die Neugier in die Kinos, die Welt auf eine Weise verwüstet zu sehen, wie man es ähnlich realistisch zuvor nie gesehen hat. 20 Jahre später, in Zeiten, in denen Hollywood mittels CGI-Effekten alle möglichen Welten und Szenerien auf die Leinwand zaubern kann, ist ein Film wie “Independence Day: Wiederkehr” lediglich einer von vielen.

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Naive Weltsicht

Wenn die Erde von feindlichen Mächten bedroht wird, dann hält die Menschheit zusammen - ungeachtet ihrer unterschiedlichen Kulturen und Denkweisen. Angeführt von einigen wenigen Entschlossenen (darunter natürlich ein tatkräftiger US-Präsident), hält die irdische Allianz dem Angriff stand. Diese naive Weltsicht will man Emmerich heute, wo unsere Welt unübersichtlicher ist als jemals zuvor, einfach nicht mehr abnehmen. Als Weltenretter sind im Kino heute allenfalls Superhelden glaubhaft - und selbst die müssen sich zusammentun, um den Superschurken Paroli zu bieten.

Kinostart: 14. Juli 2016

(Bilder: 20th Century Fox)