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Die Wahrheit ist ein abwaschbares Tattoo: In dieser Serie wird eine Verschwörungstheorie Realität

Paranoia und Wahnsinn: Die neuen Folgen der gefeierten Mysteryserie "Homecoming" haben Hitchcock-Format.

Wer die erste Staffel "Homecoming" gesehen hat, wird nicht sonderlich davon überrascht sein, dass die Wahrheit eine Halbwertszeit hat wie ein abwaschbares Tattoo. Für die junge Frau aber, die da erinnerungslos in einem Boot aufwacht, ist diese Erkenntnis wie ein Schlag vor den Kopf, den sie in der zweiten Staffel der exzellenten Amazon-Serie dann auch wirklich bekommt. Mit einem Hammer. Der Name der jungen Frau ist Jaqueline, und sie weiß von nichts: Janelle Monáe übernimmt in den zehn neuen Episoden, die bei Amazon Prime Video ab 22. Mai sowohl in der Originalfassung als auch synchronisiert zu sehen sind, die Hauptrolle. Julia Roberts ist nicht mehr dabei.

Aber auch ohne die Oscar-Gewinnerin vor der Kamera bleibt "Homecoming" ein Ereignis, weil der freche Mix aus Mystery, Thriller und Paranoia noch immer das hat, was vielen anderen Serien mittlerweile (wieder) abgeht: intelligentes Storytelling, visuelle Reizpunkte und ein hemmungsloses Verlangen, mit Erzählkonventionen zu brechen. Was neben des bedächtigen Tempos auch heißt, dass die Geschichte nicht zwei völlig überraschende Haken pro Episode schlägt. Dass die Dialoge in ihrer Reduktion auf das Wesentliche brillant sind, versteht sich von selbst.

Böses Erwachen

Roberts hatte in Staffel eins als Sachbearbeiterin in einem Subunternehmen der US-Army einige Ungereimtheiten aufgedeckt. Und das ist noch nett formuliert: Das sogenannte "Homecoming"-Programm der "Geist"-Corporation kümmert sich mitnichten um die Wiedereingliederung von traumatisierten Soldaten nach Kriegseinsätzen. Die Erinnerungen werden gelöscht: Nicht um Schreckliches zu vergessen, sondern um Vieles zu ermöglichen. Was für eine Verschwörung!

Aber wer steckt dahinter, und worum geht es den Initiatoren genau? Das will nun Jaqueline herausfinden, unter anderem mit der Unterstützung von Walter Cruz (Stephan James). Der Ex-Soldat, den Julia Roberts einst erfolgreich "therapiert" hatte, ist einer der wenigen Figuren, die schon in der ersten Staffel dabei waren. Der größte Teil des Personals der zweiten Staffel ist neu dabei, darunter Chris Cooper als "Geist"-Gründer und Joan Cusack als taffe Militärfrau.

Der Personalwechsel hat natürlich Methode. "Mr. Robot"-Schöpfer Sam Esmail, der die Serie mit den Machern des gleichnamigen Podcast-Formats entwickelte, kann aus einer anderen Perspektive erzählen und einen anderen individuellen Blick auf das große Ganze werfen. Und wie das so ist: Neue Augen sehen anders, sie entdecken andere Details.

Im Falle von "Geist" bedeutet das natürlich gar nichts Gutes. Zumindest nicht für die Betroffenen des Homecoming-Programms. Dass Jaqueline gar nicht so "Airborne" ist, wie ihr Tattoo glauben macht, stellt sie schon fest, als sie das erste Mal ein Waschbecken benutzt. Die Wahrheit verschwindet im Abfluss - ihr nachzujagen ist aus Zuschauersicht freilich ein Vergnügen von Hitchcockscher Grandezza.