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Wagner knallhart: "Das bricht Schalke jetzt das Genick"

Wagner knallhart: "Das bricht Schalke jetzt das Genick"

Einige Monate hatte sich David Wagner nach seinem Aus beim FC Schalke eine Auszeit genommen.

Nach 14 Monaten war für ihn bei den Königsblauen nach dem 2. Spieltag der aktuellen Saison Schluss. (Spielplan und Ergebnisse der Bundesliga)

Am Sonntag hatte der 49-Jährige im CHECK 24 Doppelpass bei SPORT1 seinen ersten öffentlichen Auftritt, im ersten Interview spricht Wagner nun noch mal ausführlich über seine Zeit bei S04, seinen Hauptfehler und die Zukunft.

SPORT1: Herr Wagner, wie konnten Sie in den vergangenen Monaten abschalten? Haben Sie sich bewusst nicht mit Schalke beschäftigt?

David Wagner: Nein, ich habe mir alle Spiele angeschaut. Ich war mit meiner Frau zwei Monate auf Mallorca und Fuerteventura und konnte so Abstand gewinnen. Und dadurch, dass der Lockdown in Deutschland verlängert wurde, sind wir länger dort geblieben. Seit Mitte Januar sind wir wieder zurück.

David Wagner: Die Probleme bei Schalke 04 sind vielschichtig

SPORT1: Ohne Sie wurde es nicht besser auf Schalke. Spüren Sie etwas Genugtuung gegenüber Ihren Kritikern?

Wagner: Überhaupt nicht. Ich sehe, dass das, was ich an Schwierigkeiten vorausgesagt habe, eingetroffen ist. Das tut eher weh. Die Probleme bei Schalke 04 sind vielschichtig und das ist jetzt jedem bewusst geworden. Es geht nicht nur um einen Ansatzpunkt, der hilfreich ist, damit dadurch der Schlüssel zur Lösung gefunden wird. Es bleibt ein ganz großer Verein mit extrem viel Wucht. Es ist leider lange Zeit ganz viel in die falsche Richtung gelaufen.

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SPORT1: Nach Ihrer Zeit in England sind Sie voller Tatendrang und Vorfreude auf Schalke angetreten, waren froh endlich in der Bundesliga zu sein. Wie enttäuscht sind Sie, dass es nicht allzu lange war?

Wagner: Natürlich habe ich mir das anders vorgestellt. Ich bin natürlich enttäuscht und weiß auch, dass ich für die Zeit, in der in ich da war, die Verantwortung übernehmen muss. Sowohl für die ersten sieben Monate, in denen es gut lief, als auch für die darauf folgenden sieben Monate, als es abwärts ging. Wir zusammen hatten einige gute Ideen und Ansätze, aber am Ende haben uns die finanziellen Fesseln, das große Verletzungspech und Corona alles zerschossen.

SPORT1: Ist der FC Schalke untrainierbar?

Wagner: Das glaube ich nicht. Ich kann auch nur für meine Zeit dort sprechen. Alles, was davor und danach war, kann und will ich nicht bewerten. Für meine Zeit weiß ich, was schlecht lief und was gut. Natürlich habe ich Fehler gemacht, aber am Ende wurde es finanziell immer schwieriger und das war ein Hauptgrund, warum ich den erfolgreich begonnenen Weg nicht fortsetzen konnte.

SPORT1: Was ist nach dem 2:0-Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach passiert? War das ein Schock für Sie?

Wagner: Nein, weil es nicht richtig ist, dass wir nicht mit dem ersten Spiel in der Rückrunde (Saison 2019/2020, d. Red.) eingebrochen sind. Wir haben von den ersten sechs Spielen nur eines verloren, nämlich gegen die Bayern 0:5. Wir kamen damals im Pokal weiter, haben Gladbach geschlagen und hatten dann noch einige Unentschieden dabei. In den ersten sechs Spielen der Rückrunde haben wir eins verloren.

Wagner: Das hing uns wie ein Klotz am Bein

SPORT1: Trotzdem: Nach dem Sieg gegen Gladbach hat Schalke kein einziges Spiel mehr gewonnen.

Wagner: Wir haben in der Vorrunde total überperformt. Und wir hatten in der Vorrunde auch schon ohne wirklichen Sturm diese Leistungen erzielt. Mir war klar, dass wir in der Winterpause vorne unbedingt nachlegen müssen. Unsere damaligen Konkurrenten verpflichteten Erling Haaland (Borussia Dortmund, d. Red.) und Patrik Schick (Bayer Leverkusen, d. Red.). Wir holten Michael Gregoritsch aus Augsburg, der gegen Gladbach einen guten Start hatte, uns danach aber nicht so helfen konnte, wie wir uns das erhofft hatten. Alleine diese Diskrepanz zeigt, wo wir im finanziellen Ranking standen. Auf die Ausfälle von den Leistungsträgern Benjamin Stambouli und Salif Sane haben wir mit der Verpflichtung von Todibo reagiert, allerdings war er ein 20-jähriges Innenverteidiger-Talent mit nur 45 Minuten Spielpraxis. Dieses Ungleichgewicht in dem Winter-Transferfenster hing uns die ganze Rückrunde wie ein Klotz am Bein.

SPORT1: War das der Genickbruch?

Wagner: Schon. Wir konnten dann auf dem Transfermarkt nicht mehr nachbessern und im März sind uns innerhalb von drei Wochen mit Daniel Caligiuri, Suat Serdar, Ozan Kabak und Omar Mascarell vier weitere Stammspieler ausgefallen. Die komplette Achse. Wir waren von da an qualitativ einfach eine Mannschaft, die darum kämpfen muss, um in der Liga zu bleiben. Das bedeutete nicht, dass man so wenig Punkte einfährt, wie wir es gemacht haben. Aber es war klar, dass wir nicht mal mehr konkurrenzfähig waren mit den Teams auf den einstelligen Plätzen. Und selbst da konnten wir nicht mehr unsere Leistungen abrufen.

Der CHECK24 Doppelpass am Sonntag ab 11 Uhr im TV auf SPORT1

Wagner prophezeite Schalke-Einbruch

SPORT1: Haben Sie geahnt, was kommt?

Wagner: Auf jeden Fall. Wir sprachen damals viel über die Belastungssteuerung in der Corona-Pause und ich wusste nach den Verletzungen von Caligiuri, Sané und Serdar um das Risiko, weil sie erstmal nur Einzeltraining absolvieren konnten, das war quasi Rehatraining. Doch ich habe die Jungs im Derby gegen den BVB eingesetzt. Am Ende war das den Spielern gegenüber unfair, weil sie nicht das leisten konnten, wozu sie im Stande sind. Doch wir hatten die Zeit nicht, um sie langsam wieder heranzuführen.

SPORT1: Mancher Kritiker warf Ihnen vor, dass Sie von da an wie teilnahmslos am Spielfeldrand standen.

Wagner: Ich bin nicht da, um eine Rolle zu spielen. Ich gebe immer wenig darauf, wie ich auf andere Menschen wirke. Für manch einen war ich vorher auch zu aktiv an der Linie. Ich weiß nicht, wie ich gewirkt habe oder war das nur das Alibi dafür, dass wir so schlecht gespielt haben? Ich habe mir meine Körpersprache im Nachhinein nicht mehr angeschaut. Fakt ist: Jedes einzelne Spiel hat richtig weh getan. Dem ganzen Verein und mir. Ich wusste, was spätestens nach dem Pokalspiel gegen Hertha BSC (3:2-Heimsieg, d. Red.) folgt. Als sich damals auch noch Weston McKennie und Caligiuri verletzten, habe ich in der Kabine zu Michael Reschke (Schalkes damaliger Kaderplaner, d. Red.) und Jochen Schneider (bis zum Saisonende noch Sportvorstand, d. Red.) gesagt: 'Jetzt wird es richtig eklig'. Ich wusste, dass das für uns ein negativer Wendepunkt in der Saison wird. Um auf die Frage zurückzukommen: Dass ich in dieser Phase anders gewirkt habe, will ich gar nicht bestreiten. Aber ich habe das nicht bewusst gesteuert.

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"...dann weißt du, wie die Dinge stehen."

SPORT1: Wie war Ihr Verhältnis zu den Herren Schneider und Herrn Reschke?

Wagner: Zu Jochen Schneider war es sehr gut. Er hat intern und auch nach außen hin immer versucht, mir den Rücken zu stärken. Allerdings konnte er mir leider nicht die entscheidende Rückendeckung im Sinne von finanziellen Mitteln geben, um die notwendigen Spieler zu verpflichten, wie es in den Vertragsgesprächen besprochen wurde. Immer hieß es 'Wir haben kein Geld'. Und zu Michael Reschke kann ich nur eins sagen: Wenn dein Kader so aussieht, wie er dann aussah, dann weißt du, wie die Dinge stehen. Wenn du so viele Probleme hast wie wir damals, dann darf in der Führung kein Blatt zwischen die handelnden Personen passen. Das war bei uns nicht mehr der Fall.

SPORT1: Schalke wird aller Voraussicht nach absteigen. Könnte Abstieg vielleicht bereinigend wirken? (Tabelle der Bundesliga)

Wagner: Da bin ich der festen Überzeugung, dass das nicht der Fall ist. Dieser Abstieg wird Schalke nicht gut tun. Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann würde ich auch nie sagen 'Sie sollen jetzt absteigen, damit es wieder nach oben geht'. Es ist so verdammt schwer einzuschätzen, was helfen kann, damit der Klub aus dem Schlamassel rauskommt. Zu meiner Zeit ist Clemens Tönnies weggegangen. Er war rund 25 Jahre Aufsichtsratschef. Auch Peter Peters war ähnlich lange im Verein. Da ist alleine an Führungspower so viel weggebrochen. Ob das gut oder schlecht war, muss jeder für sich entscheiden. Beide haben eine Ära geprägt. Das macht natürlich auch etwas mit einem Klub. Und es hat mir als Cheftrainer sicher nicht geholfen. Das soll keine Entschuldigung sein, lediglich eine Erklärung. Dass so etwas nicht für Erfolg und Beruhigung stehen kann, ist doch klar.

SPORT1: Sie haben Verstärkungen nicht laut genug gefordert. Zuletzt wurden Shkodran Mustafi und Klaas-Jan Huntelaar verpflichtet. Was sagen Sie dazu?

Wagner: Im Sommer wurde mir immer gesagt 'Wir können nicht' und jetzt wurden Transfers richtigerweise getätigt. Ich hätte mir gewünscht, dass das schon im Sommer passiert wäre, um uns wenigstens in eine Situation der Konkurrenzfähigkeit zu schieben. Mit diesen finanziellen Fesseln ist der Pool, aus dem du fischen kannst, nicht besonders groß. Diese beiden Spieler haben eine gewisse Qualität und können auch helfen, aber beide können nicht helfen, wenn sie verletzt sind. Wenn du Jungs holst, die so wenig gespielt haben, dann wird auch ein Risiko mit verpflichtet. Dann wiederholt sich das Spiel bei einem anderen Trainer. Dann müssen Talente wie Becker, Boujellab, Bozdogan, Thiaw oder Hoppe helfen, können aber eine Mannschaft über mehrere Wochen nicht tragen. Mustafi und Huntelaar können aktuell nicht helfen, weil sie verletzt sind.

SPORT1: Was muss passieren, damit Schalke in der 2. Liga wieder in die Spur findet und wer kann das machen?

Wagner: Es wurden zu viele hoch dotierte Verträge über eine lange Laufzeit mit wenig sportlicher Qualität abgeschlossen. Das bricht Schalke 04 jetzt das Genick. Einige dieser Verträge laufen jetzt aus und ich hoffe, dass dies dazu führt, dass der Klub finanzielle Luft zum Atmen kriegt und dass die neuen Entscheidungsträger dann eine konkurrenzfähige Mannschaft aufbauen können. Eins ist klar: Die Truppe, die jetzt Schalke 04 prägt, kämpft um den Klassenerhalt. Dafür sollte sie konkurrenzfähig sein, aber selbst das fällt ihr so schwer. Denn es waren fast drei Jahre lang nur negative Einflüsse in der Kabine. Von fast drei Jahren war nur ein Halbjahr erfolgreich. Da muss man sagen, dass dieses die Ausnahme war. Die andere Zeit war die Realität.

Wagner verrät Drei-Jahres-Plan

SPORT1: Wie standen Sie zu Clemens Tönnies? Gibt es noch Kontakt?

Wagner: Durch das dreimonatige Ruhen seiner Ämter war er zu meiner Zeit leider nicht so präsent, wie all die Jahre vorher. In den Vertragsgesprächen haben wir uns eine Idee zurechtgelegt. Und da ging es auch darum, welche Möglichkeiten finanzieller Art es gibt. Wir wollten nach dem Fast-Abstieg frische Spieler bringen und dafür sollte in jedem Transferfenster eine gewisse Summe X zur Verfügung stehen. Unabhängig davon, ob wir Europa erreichen. Die Vorgabe war: erstes Jahr Platz neun bis zwölf, zweites Jahr einstellig und im dritten Jahr wieder international. Und mit dem Budget, welches mir in Aussicht gestellt wurde, war das realistisch. Acht Wochen später war von diesem Budget nichts mehr da. Und das war noch vor der Pandemie.

SPORT1: Könnte Schalke Ihr Karrierekiller in Deutschland gewesen sein?

Wagner: Derjenige, der in der Lage ist, das alle sachlich zu analysieren, der sieht genau, was wir in den ersten sieben Monaten geleistet haben und er weiß auch warum. Ganz ehrlich? Ich habe mir um meine Karriere noch nie wirklich Gedanken gemacht. Alles, was passiert ist, ist passiert und das wird jetzt auch wieder der Fall sein.

SPORT1: Sie haben keinen Karriereplan?

Wagner: Nein. Hatte ich noch nie.

SPORT1: Aber was planen Sie als nächstes? Würden Sie sich auch wieder einen Bundesligisten zutrauen?

Wagner: Das ist gar keine Frage. Dafür war meine zurückliegenden zehn Jahre zu gut. Mit dem BVB II bin ich in die Dritte Liga aufgestiegen, dann schafften wir drei Jahre hintereinander den Klassenerhalt und mit Huddersfield bin ich in die Premier League aufgestiegen und schaffte den Ligaverbleib. Und meine Anfangszeit auf Schalke war auch erfolgreich. Ich bin da total entspannt. Ich kann mir nicht vorstellen, während der aktuellen Saison etwas zu machen. Zur neuen Spielzeit schon. Aber es gibt so viele interessante Sachen, man sollte sich nie auf etwas zu sehr fixieren oder etwas ausschließen. Ich liebe meinen Job als Fußballtrainer, weiß aber auch, dass es 1000 weitere spannende Dinge auf der Welt gibt.