„Vorrang für Sonne und Wind muss bleiben“

An der Energie- und Klimapolitik könnten die Verhandlungen über eine Regierungskoalition aus CDU/CSU, FDP und Grüne scheitern. Die FDP will das teure EEG abschaffen, die Grünen wollen raus aus der Kohle. Und die CDU will weiter fossile Energieträger verfeuern. Die Erneuerbare Branche selbst ist für eine Reform des EEG. Doch der Vorrang für Sonne und Wind müsse bleiben, weil es die richtige Energie sei, sagt Detlef Neuhaus, Chef der Dresdner Solarfirma Solarwatt.

WirtschaftsWoche: Herr Neuhaus, eigentlich sind sich alle Parteien einig, Deutschland muss die Klimaziele von Paris erreichen. Über das Wie herrscht allerdings großer Streit. Setzen sich FDP und CDU/CSU durch, ist das Ende der Erneuerbaren Energien in Deutschland besiegelt?
Detlef Neuhaus: Immerhin kommt das Thema Klimaschutz und Energiepolitik jetzt endlich wieder auf die Agenda. Es ist erschütternd, dass dieses Thema im Bundestagswahlkampf überhaupt keine Rolle gespielt hat. Der Klimawandel ist und bleibt eine der größten und dringendsten Fragen der Menschheit. Und das hat nichts mit Ideologie zu tun. Der Klimawandel findet statt. Deutschland hat sich den Klimaschutzzielen verpflichtet. Aber wir werden sie brutal verfehlen, wenn wir nicht gegensteuern.

Also noch mehr staatliche Förderung für die erneuerbaren Energien?
Nein. Erneuerbare Energien dürfen nicht nur abhängig von Förderung sein. Das ist auch überhaupt nicht mehr notwendig. Die Erzeugung von Solarenergie ist heute mit Abstand die kosteneffiziente Energieerzeugung. In den letzten Ausschreibungen für Photovoltaik in Deutschland kostete die Erzeugung von Solarenergie nur noch 4,8 Cent pro Kilowattstunde. Das ist eine irre Entwicklung. Damit haben wir längst erreicht, was etwa die FDP immer wieder fordert: Die Photovoltaik ist wettbewerbsfähig.

Wenn es nach den Kosten für Energieerzeugung gehen würde, hätten fast alle anderen Energieträger überhaupt keine Chance mehr am Markt. Erstaunlich ist, dass ausgerechnet die Parteien, die von den Erneuerbaren fordern, im Wettbewerb am Markt bestehen zu müssen, anderen Erzeugungsarten erhebliche Förderungen oder Sonderregeln einräumen.

Welche Förderungen meinen Sie?
Die Kohle wäre längst nicht mehr da, wenn es keine staatliche Förderung gäbe. Kohle ist seit den 70er Jahren schon nicht mehr wettbewerbsfähig. Stein- und Braunkohle sind jahrzehntelang mit dreistelligen Milliardenbeträgen gefördert worden. Auf die Erneuerbaren zu zeigen, sie seien zu teuer, ist unglaubwürdig.

Kohle als Energieträger ist nicht wettbewerbsfähig, Kohlekraftwerke sind auch nicht geeignet, das Stromnetz zu stabilisieren, weil sie nicht flexibel und schnell genug an- und abschaltbar sind. Außerdem ist Kohle die mit Abstand größte Dreckschleuder fürs Klima. Wenn es also nach den Argumenten der Marktwirtschaft und des Klimaschutzes ginge, dann wäre die Kohle als Energieträger schon längst abgeschafft.

Fossile Kraftwerke sind allerdings notwendig, um die Stromversorgung zu sichern, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Daran kommen wir einfach nicht vorbei.
Das Argument der Versorgungssicherheit verschleiert die Wahrheit. Es wird so getan, als liefen in Deutschland nur noch ein paar Kohlekraftwerke, die nur in der Not eingeschaltet werden, wenn nicht genug Sonnen- und Windenergie erzeugt werden kann. Das ist ein Trugschluss. Die Kohle spielt in Deutschland bei der Energieerzeugung immer noch eine Riesenrolle, und sie wird zukünftig absolut sogar noch zunehmen, weil die Erneuerbaren nicht schnell genug ausgebaut werden. Das sagt den Leuten nur niemand von der Politik. Und das ist ein Skandal.

Wir tun das Gegenteil von dem, was wir tun müssten, um unsere Klimaziele zu erreichen. Ein Politiker aus Sachsen hat mir jüngst seine Strategie erklärt: Bis 2050 wolle er die Kohleverfeuerung in Deutschland halbieren, den Kohleausstieg dann Ende des Jahrhunderts erreichen. Ende des Jahrhunderts? Wir haben alternative Technologien, die günstiger und innovativer sind.


„Bevölkerung will raus aus der Kohle“

Klimaschutz sei wichtig, aber die Arbeitsplätze in den Kohlerevieren in Ost und West seien eben wichtiger, meint etwa NRW-Ministerpräsident Armin Laschet von der CDU.
Ich hätte mich sehr gefreut, wenn sich die Politik, genauso wie sie sich jetzt um die Kohlearbeitsplätze Gedanken macht, auch für die vielen Arbeitsplätze eingesetzt hätte, die in den vergangenen Jahren in der Solarindustrie verloren gegangen sind. Haben sie aber nicht. Sind die weniger wichtig? Das verstehe ich nicht. In der deutschen Solarbranche sind in den vergangenen drei bis fünf Jahren bis zu 80.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Das sind mehr Arbeitsplätze als heute noch in der Kohleindustrie sind.

Direkt und in direkt hängen rund 55.000 Arbeitsplätze in Deutschland an der Kohle. Da bin ich doch völlig erstaunt, dass man mit moralischen Argumenten den Erhalt der Arbeitsplätze in der Kohle rechtfertigt. Aber in der Solarindustrie galten diese Argumente nicht. Dabei geht es bei der Solarindustrie ja nun wirklich um eine Zukunftstechnologie, was man bei der Kohle nicht sagen kann. Was die Politik auch überhaupt nicht zu beachten scheint: Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist eben nicht für den Erhalt der Kohle als Energieträger. Außer den Arbeitern in der Kohlebranche finden sie kaum noch Menschen, die an der Kohle festhalten wollen. Die Bevölkerung will raus aus der Kohle. Das sollte Einfluss haben bei den Verhandlungen in Berlin über die künftige Energie- und Klimapolitik.

Die Solarbranche könnte also mit der Abschaffung der EEG-Umlage leben?
Klar ist, wir müssen an die Kosten der Energiewende ran. Aber klar ist auch, andere Energieträger wie Kohle oder Atomstrom sind über Jahrzehnte staatlich gefördert worden. Das hat nur keiner so richtig gemerkt, weil die Kosten nicht auf die Stromrechnung eines jeden Bürgers umgelegt worden sind, so wie bei den Erneuerbaren. Trotzdem: Das EEG muss überarbeitet werden. Ist eine Förderung der Einspeisung noch notwendig? Ich glaube nicht. Aber der Vorrang für Erneuerbare darf nicht wegfallen, weil es die richtige Energieform ist.

Wenn ich gesellschaftspolitisch überlege, welche die richtigen Energieträger sind, dann sind das eben Sonne und Wind und nicht Kohle, Gas oder Atom. Deshalb muss das Signal gegeben werden durch eine Industriepolitik, die den Erneuerbaren den Vorrang gibt. Dafür müssen diejenigen, die Erneuerbare nutzen, Anreize erhalten und dürfen, etwa für die Nutzung von Sonnenenergie, nicht auch noch bestraft werden. Wir müssen aufhören, das richtige Verhalten von Endverbrauchern zu sanktionieren.

Bestraft beim Einsatz von Erneuerbaren? Das müssen sie bitte erklären.
Wer eine PV-Anlage von mehr als 10 KW auf dem heimischen Dach hat, zahlt Abgaben pro selbstverbrauchte Kilowattstunde. Das ist eine Bestrafung. Wer sich aber eine Ölheizung für sein Haus kauft, und das für die nächsten 15 Jahre mit einem Ölbrennwertkessel tut, erhält staatliche Förderung. Wir belohnen die Nutzung eines fossilen Energieträgers? Das kann doch wohl nicht sein.

Gleichzeitig werden die Erneuerbaren von vielen Politikern negativ belegt. Es wird so getan, als seien die Erneuerbaren mit lauter Problemen behaftet. Das müssen wir zukünftig anders machen. Wir müssen sagen, ja wir können nicht von heute auf morgen zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umstellen. Wir haben noch eine Zeit x, wo fossile und erneuerbare Energien parallel existieren. Wir müssen einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohleverfeuerung finden. Aber wir setzen da, wo wir können, positive Signale für den Einsatz von Erneuerbaren und negative für die Nutzung fossiler Energieträger.

Was muss noch reformiert werden beim EEG?
Wir müssen Anreize setzen, damit Erneuerbare genutzt werden. Etwa im Mittelstand durch Steuervorteile. Wir müssen Mieter an den Erneuerbaren partizipieren lassen.

Das Gesetz für Mieterstrommodelle gibt es doch seit kurzem. Damit können auch Mieter von Solaranlagen auf den Dächern profitieren.
Ja, endlich. Aber schauen sie sich mal das Pamphlet an. Das ist ein bürokratisches Ungetüm. Da mögen große Wohnungsgesellschaften genug Leute haben, sich damit auseinanderzusetzen, aber doch nicht ein Besitzer eines Mehrfamilienhauses. Wir machen die Dinge einfach immer viel zu kompliziert.

Wir müssen jenseits der Regularien, die wir vereinfachen müssen, bei der Bevölkerung ein Klima erzeugen, dass klar wird, die Leute haben was davon, wenn sie auf Erneuerbare Energien setzen. Das vernachlässigt die Politik. Die Mehrheit der Leute ist doch für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Mehrheit ist auch dafür, dass wir die erneuerbaren Energien stärken und fördern. Das ist ein klares Votum und das wird von CDU/CSU und FDP völlig ignoriert.

KONTEXT

Zur Person

Detlef Neuhaus

Detlef Neuhaus ist seit 2012 Chef von Solarwatt. Im selben Jahr musste das Dresdner Unternehmen mehr als 100 Mitarbeiter entlassen. Neuhaus krempelte Solarwatt um und setzt heute neben reinen Solaranlagen auf eine intelligente Energiesteuerung und -speicherung. Das Unternehmen ist mehrheitlich im Besitz von BMW-Erbe Stefan Quandt.