Vom Laufsteg auf die Leinwand

Viele Top-Models denken: Wer dem Blitzlichtgewitter der Modefotografen standhält, der hat auch im Rampenlicht von Hollywood Erfolg. Ein trügerischer Irrtum. Denn Schauspielen bedeutet weit mehr als zehn Meter unfallfrei geradeaus zu gehen.

Sie sind gertenschlank und betörend sexy, sie tragen die feinsten Stoffe der Haute Couture zur Schau und zieren die Cover der internationalen Hochglanz-Magazine. Doch irgendwann sind den Top-Models die zehn Meter, die sie auf den Laufstegen von Paris oder Tokio, Mailand oder Madrid zurücklegen müssen, einfach zu wenig. Es reicht ihnen nicht mehr, luxuriöse Fashion von Karl Lagerfeld, Versace und Co. zur Schau zu stellen. Sie wollen das große Blitzlichtgewitter, sie wollen ins gleißende Licht der Kinokameras, sie wollen nach Hollywood. Auch wenn es gerade im zweiten Jahrzehnt des neuen Millenniums besonders viele Mode-Girls ihr Glück auf der großen Leinwand versuchen, ist das Phänomen alles andere als neu.

Bereits in den 1990er Jahren wagte Cindy Crawford, das bestbezahlte Model ihrer Zeit, den Wechsel ins Schauspielfach, tatkräftig unterstützt von ihrem damaligen Ehemann Richard Gere. In dem Actionthriller “Fair Game" spielt sie eine Scheidungsanwältin, die von ehemaligen KGB-Agenten gejagt wird. Ihre Performance war allerdings so mies, dass sie dafür gleich mit zwei Goldenen Himbeeren ausgezeichnet wurde, in den Kategorien schlechteste weibliche Hauptrolle und schlechtester neuer Star. Es blieb Crawfords einziger nennenswerter Ausflug in die Welt des Spielfilms. Heute kennt man ihr Gesicht aus der Deichmann-Werbung und durch diverse Fitness-Videos.

Nicht viel besser erging es dem deutschen Vorzeige-Model Claudia Schiffer. Die einstige Muse Karl Lagerfelds brachte es lediglich auf ein paar so genannte Cameos, Kurzauftritte, in denen sie sich der Einfachheit halber mehr oder weniger selbst spielte. So geschehen in der romantischen Komödie “Tatsächlich … Liebe”, wo sie als Mutter eines Schülers, die Claudia Schiffer verblüffend ähnlich sieht, zu sehen ist oder als sie selbst in Ben Stillers überdrehter Modesatire “Zoolander”, deren zweiter Teil im Februar 2016 in die Kinos kommt. Ansonsten ging Schiffer mit einer Talk-Show ebenso baden wie vor drei Jahren mit einer Casting-Sendung namens “Fashion Hero”. Apropos Casting-Show. Darin ist auch Heidi Klum, deren Modelkarriere 1998 auf dem Cover der US-Zeitschrift Sports Illustrated begann, richtig gut. Als Moderatorin von “Germany’s Next Topmodel” sorgt sie Staffel für Staffel für erstklassige Quoten beim Privatsender ProSieben. Ein Erfolg, der ihr im Kino nie vergönnt war. Sie durfte sich in “Zoolander” ebenfalls kurz selbst spielen, versuchte sich später in “The Life and Death of Peter Sellers” als ehemaliges Bond-Girl und Busenwunder Ursula Andress, und in der Fashion Comedy “Der Teufel trägt Prada” reichte es nur zu einem Cameo, als… sich selbst.

Ein Oscar für die Schönheitskönigin

Richtig geschafft haben es Models eigentlich nur, wenn das Publikum im Kinosaal irgendwann vergisst, dass diese Vollblutdarstellerinnen früher einmal auf dem Laufsteg unterwegs waren. Gute Beispiele dafür sind Kim Basinger, Cameron Diaz und Diane Kruger. Alle drei haben als Schauspielerinnen so überzeugt, dass ihre Vergangenheit plötzlich gar keine Rolle mehr spielte.

Basinger gewann als junges Mädchen Schönheitskonkurrenzen in Georgia und wurde Anfang der 1970er Jahre Fotomodell in New York. Der Erotikthriller “9 ½ Wochen” machte sie weltberühmt, später folgten großartige Rollen in "Getaway”, “8 Mile” und “L.A. Confidential”, für den sie sogar einen Oscar als beste Nebendarstellerin erhielt.

Auch Cameron Diaz begann bereits als 16-Jährige mit dem Modeln, ging nach Japan, Australien, Europa und Mittelamerika, um schließlich 1994 die weibliche Hauptrolle neben Jim Carrey in der Fantasy-Komödie “Die Maske” zu landen. Es schloss sich eine unbeschreibliche Success Story in Komödien-Blockbustern an, die von “Verrückt nach Mary” über “3 Engel für Charlie” bis hin zu “Love Vegas” und “Bad Teacher” reicht. Da lässt es sich schon mal verkraften, dass sie im letzten Jahr als schlechteste Schauspielerin die Goldenen Himbeere für “Die Schadenfreundinnen” und “Sex Tape” bekam. Auch Diane Kruger hat sich längst auf der Leinwand etabliert. Kaum jemand weiß noch, dass sie 1992 im Weltfinale des Modelwettbewerbs “Look of the Year” stand und danach auf dem Laufsteg von Paris ihr Geld verdiente. Heute kennt man sie als Nicolas Cages hübschen Sidekick aus dem Action Adventure “Das Vermächtnis der Tempelritter”, als für die Alliierten arbeitende deutsche Schauspielerin Bridget von Hammersmark in Quentin Tarantinos Meisterwerk “Inglourious Basterds” oder neben Liam Neeson in dem Action-Thriller “Unknown Identity”.

Naiver Sex-Appeal ist nicht alles

Heute drängen immer mehr junge Models ins Rampenlicht der Traumfabrik. Doch nur wenige schaffen letztendlich den Sprung vom Laufsteg auf die Leinwand.

Sehr gute Chancen werden dem ehemaligen Victoria Secret’s Angel Rosie Huntington-Whiteley, die auch für Abercrombie & Fitch, Ralph Lauren und Burberry gearbeitet hat, eingeräumt. Sie brachte 2011 das Kunststück fertig, Top-Star Megan Fox in der “Transformers”-Saga abzulösen. Außerdem betörte sie als hochschwangere Schönheit Splendid in dem apokalyptischen Thriller “Mad Max: Fury Road”.

Ebenfalls auf dem besten Wege, als Schauspielerin zu reüssieren, ist Cara Delevigne, 2012 Chanels Gesicht des Jahres und seit 2013 Dessous-Model für la Perla. Sie beeindruckte in der Bestseller-Adaption “Margos Spuren” als Titelheldin, eine Rolle, die ihr 2015 viele Fans und zwei Teen Choice Awards einbrachte. Zwei weitere Filme hat Cara bereits im Kasten: die Comicverfilmung „Suicide Squad“ und Luc Bessons Adaption des Kult-Science-Fiction „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“. Ebenfalls beobachten sollte man Ex-Unterwäsche-Model Suki Waterhouse (“Love, Rosie - Für immer vielleicht”, “Die Bestimmung – Insurgent”.

Weniger gut sieht es dagegen für Bademoden-Girl Kate Upton aus. Sie besitzt zwar mindestens zwei herausragende Eigenschaften, die Schauspielerei gehört aber eindeutig nicht dazu. Naiver Sex-Appeal wie als Schwester Bernice in “Die Stooges – Drei Vollpfosten drehen ab” oder als Amber neben “Himbeeren”-Siegerin Cameron Diaz in “Die Schadenfreundinnen” reichen halt nicht aus, um das Prädikat “Leinwand-tauglich” zu erhalten. Bei der Australierin Gemma Ward läuft es ebenfalls nicht rund. Das “First Face” von Gucci und Versace durfte in “Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten” eine Meerjungfrau geben, und in “Der große Gatsby” war sie gerade mal ein paar Sekunden als “gelangweiltes Mädchen” zu sehen. Und auch die Film-Laufbahn von Tyra Banks, einst für Dior, Dolce & Gabbana und Tommy Hilfiger tätig, war zu Ende, bevor sie so richtig begonnen hatte. 2009 stand sie das letzte Mal in “Hannah Montana - Der Film” vor der Kamera. Ihre Rolle: ein Kurzauftritt als… sie selbst.

Fotos: ddpimages (5), Getty Images (2)

Autor: Thomas Lassonczyk

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