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Wie viel Hans Hölzel steckte in der Kunstfigur Falco?

"Wenn ich schon mal zu früh sterben sollte", sagte der österreichische Musiker Falco in einem Interview aus dem Jahre 1982, "dann wie James Dean - auf einer Kreuzung, im Porsche. Zack. Aus." Auf den Tag genau vor 20 Jahren, am 6. Februar 1998, endete auf tragische und abrupte Weise sein Leben genau so - auf einer Kreuzung, im Mitsubishi Pajero. Zack. Aus. Auf einer staubigen Landstraße im Nichts, mit nur 40 Jahren.

Hans Hölzel, so sein bürgerlicher Name, fuhr damals von einem Parkplatz einer kleinen Diskothek in der Dominikanischen Republik - offenbar vollgepumpt mit Alkohol und Drogen - und übersah einen von links kommenden Reisebus. Mit rund 100 Sachen wurde der gebürtige Wiener erwischt. Er war auf der Stelle tot. Bis heute ist sein Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof eine Pilgerstätte für seine Fans aus aller Herren Länder. Falco war und ist Kult, einer der ganz wenigen deutschsprachigen Musiker mit internationalem Erfolg, der wahrscheinlich einzige österreichische Pop-Star von Weltformat.

Mehr Falco oder mehr Hans Hölzel?

Doch wer war Falco wirklich? War er dieser schnöselige, hochnäsige, exzentrische Unsympath aus dem Fernsehen oder ein sensibler, tiefsinniger, zerbrechlicher Künstler, von dem frühe Weggefährten immer berichteten? Die Antwort ist so einfach wie kompliziert zugleich: Er war beides. Die beiden Figuren waren unzertrennbar. "Wahrscheinlich ist Hans Hölzel dermaßen seelisch aus der Balance, dass er nicht mehr weiß, wer er ist", sagte Falco einst über sein eigenes Dilemma.

Hölzel wurde im Laufe der Jahre immer mehr zu Falco. Aus dem kleinen unscheinbaren Punk-Musiker der späten 70er-Jahre, der mit der Anarcho-Band Drahdiwaberl ("Schmutz & Schund") erste Erfolge einheimste, wurde ein verlorener Weltstar, der ganz offenbar mit seiner Umwelt lange nicht im Reinen war. Die Grenze zwischen Kunstfigur Falco und realer Person Hans Hölzel verschwamm immer mehr. Echte Eskapaden, Drogenprobleme, Alkohol und Depressionen waren die Folge, die Falco immer mehr die Kontrolle über sein Leben entgleiten ließen.

Falco hatte offensichtliche Probleme

Seine Seele konnte mit dem frühen Erfolg nicht mithalten, berichtete Hans Hölzel einmal. Auch seine Millionen auf dem Bankkonto könnten das nicht ändern. Es gäbe Dinge, die in seinem Herzen, seinem Hirn passieren, die er nicht kompensieren könne. "Ich hatte ein schizophrenes Verhältnis zu meiner Karriere", sagte er in einem bemerkenswerten Interview, in dem er mehr Hans Hölzel zu sein schien, als Falco, "auf der einen Seite war ich der Musiker, der ernst genommen werden wollte, auf der anderen Seite habe ich mein Gesicht in einer Dimension verkauft, die sich völlig meiner Kontrolle entzogen hatte."

Zusätzlich zu diesem hausgemachten Spannungsfeld belasteten ihn immer mehr berufliche wie private Sorgen. Nach dem internationalen Durchbruch Mitte der 80er-Jahre mit Welthits wie "Rock Me Amadeus", "Jeanny" oder "Der Kommissar" folgten in den frühen 90ern lange Durststrecken. Falco wusste allerdings seit vielen Jahren, was auf ihn zukam - die Wucht des Misserfolgs haute ihn dennoch um.

Seine ehemaligen Bandmitglieder beschrieben einmal eine Szene, die exemplarisch für sein Empfinden war: Im Moment seines eigentlich größten Triumphs - er erfuhr soeben, dass sein Album in den USA Platz eins erklommen hatte - feierte Hans Hölzel nicht ausgiebig. Im Gegenteil: Er war traurig, zog sich zurück und meinte: "Das war's. Diesen Erfolg werde ich nie wieder erreichen. Meine Karriere ist vorbei." Irgendwie sollte er auf perfide Art und Weise Recht behalten und teilweise daran zerbrechen.

Hans Hölzel auf dem Weg zurück in die Spur

Erst in den letzten Jahren vor seinem tragischen Tod rehabilitierte er sich von seinem tiefen Tal. Nach teilweise kruden Ausflügen in die Dance-Musik feierte er in den Jahren vor seinem Tod wieder eine Renaissance und spülte sich damit zurück aus der Versenkung in das kollektive Gedächtnis aller Musik-Liebhaber - tolle Live-Auftritte vor ausverkauften Häusern inklusive. Mit Spannung wurde bereits sein neues Album "Out of the Dark" erwartet, dessen Veröffentlichung er aber nicht mehr miterleben konnte.

Zwei Wochen nach seinem Tod katapultierte ihn seine Platte erstmalig nach zehn Jahren wieder in die Top-Regionen der Charts - was nicht nur seinem Tod und der damit verbundenen Aufmerksamkeit geschuldet war. Hans Hölzel hatte sich kurz vor seinem Ableben wieder etwas gefangen - auch privat. Nach schweren Rückschlägen: 1993 fand er heraus, dass seine Tochter Katharina Bianca nicht von ihm war, was ihm den Boden unter den Füßen wegriss.

Er kehrte seiner Heimat Österreich den Rücken und zog sich in der Karibik zurück - offenbar auch, um Abstand von seinem Alter Ego Falco gewinnen zu können: "Die Frage ist nicht, was mache ich hier. Die Frage ist, was lasse ich in der Zeit, in der ich da bin, zu Hause für einen Blödsinn aus." Auch privat soll er wieder Fuß gefasst haben und sogar unsterblich in eine Einheimische verliebt gewesen sein. Die Drogen und den Alkohol hatte er hingegen nicht hinter sich lassen können. Noch nicht?

Musste er sterben, um zu leben?

Spannend wäre gewesen, ob sich im fortgeschrittenen Alter Hans Hölzel oder Falco durchgesetzt hätte. Eine Frage, die leider nie beantwortet werden wird. Es bleibt das Gedenken an einen Ausnahmekünstler und gleichzeitig eine zerrissene Person, die auch 20 Jahre nach dem tragischen Unfall auf einer staubigen Landstraße nichts, aber auch gar nichts an Strahlkraft eingebüßt hat. Falco schrieb zu seinem Schicksal wohl selbst die passendste Zeile: "Muss ich denn sterben, um zu leben." Vielleicht muss man in seinem Falle die Frage einfach mit einem klaren Ja beantworten...

Foto(s): imago / Horst Galuschka, imago/SKATA, imago/United Archives, imago/SKATA