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"Das ist selten dämlich"

"Das ist selten dämlich"
"Das ist selten dämlich"

Wer sich die Bilanz von Johannes Vetter in der gerade austrudelnden Leichtathletik-Saison ansieht, kann nur zu einem eindeutigen Schluss kommen: Der deutsche Speerwerfer ist nahezu unschlagbar.

In 16 Wettkämpfen des Jahres lieferte Vetter die größte Weite ab – nur einmal musste er sich geschlagen geben. Sein Pech: Es war das Speerwurf-Finale bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Weil der Belag im Olympiastadion viel zu weich für seinen kräftigen Stemmschritt war, konnte Vetter sein eigentliches Leistungsniveau nicht abrufen – und musste hilflos zusehen, wie andere die Medaillen abräumten.

Vetter zieht nach Olympia-Drama Saisonfazit

Bei SPORT1 zieht der 28-Jährige seine Jahresbilanz. Er verrät, wie er künftig ein Drama wie in Tokio verhindern will und erklärt, warum er trotzdem zufrieden in den Urlaub fährt.

SPORT1: Herr Vetter, die letzten Wochen waren nach den enttäuschenden Olympischen Spielen noch einmal sehr erfolgreich. Wie geht es Ihnen?

Johannes Vetter: Ich bin wirklich fertig jetzt. Die letzte Woche mit drei Wettkämpfen in Polen, Zürich und Berlin tat noch einmal weh. Aber ich war positiv überrascht, dass noch so viel drin war. Dass ich trotz leeren Tanks noch so weit werfen konnte.

SPORT1: Wie sieht Ihr Saisonfazit aus?

Vetter: Rundherum eine erfolgreiche, stabile und vor allem gesunde Saison mit einem perfekten Aufbau und tollen Ergebnissen. Einmal hatte ich zum schlechtesten Zeitpunkt Pech. Aber sonst bleiben viel Dankbarkeit, Spaß und Freude.

Nach Olympia: Ärger bei Speerwurf-Star Vetter noch groß

SPORT1: Sie haben – außer in Tokio – in jedem Wettkampf die beste Weite erreicht. Einmal haben Sie zwar nicht gewonnen, aber das war nur den Regelungen geschuldet. Wie fühlt sich das im Nachhinein an, dass es ausgerechnet im wichtigsten Wettkampf nicht geklappt hat?

Vetter: Das zeigt noch mehr, dass zum schlechtesten Zeitpunkt in Tokio Kräfte gewirkt haben, die ich nicht beeinflussen konnte. In jedem anderen Wettkampf habe ich es hinbekommen, den Wettkampf für mich zu gestalten. Aber da habe ich auch meistens Bedingungen vorgefunden, die das auch zugelassen haben – und in Tokio nicht. Das erkennt auch jeder, der etwas Ahnung davon hat. Es ist natürlich bitter und es tut auch immer noch weh, aber ich kann es nicht ändern. Ich muss jetzt nach vorne blicken, darum war es auch ganz gut, dass ich die anderen Wettkämpfe nach Olympia noch gemacht habe und da super performt habe. Die Arbeit, mit den Herstellern in Kontakt zu treten und einen Standard für alle hinzubekommen, geht jetzt weiter.

SPORT1: Sie haben in Tokio nicht nur nicht Ihre beste Leistung abrufen können, sondern haben auch Ihre Gesundheit riskiert. Hätten Sie den Wettkampf bei Olympia sogar boykottieren sollen?

Vetter: Die Frage stellt sich für mich nicht. Ich wusste vorher nicht, was auf mich zukommt. Ich kannte nur den Hersteller Mondo, von dem ich bisher immer begeistert war. Dass so eine neue Technologie verwendet wurde und nicht auf die Bedürfnisse aller Disziplinen eingegangen wird, frustriert mich noch mehr. Es wurde ein Belag für das komplette Stadion verwendet. Das ist selten dämlich. Aber wie gesagt – ich wusste vorher von nichts.

Olympia-Sieger Chopra fühlt mit Vetter

SPORT1: Haben Sie sich mal gefragt, wieso Sie vorher nicht wussten, was auf Sie zukommen würde?

Vetter: Der Verband wusste auch von nichts. Von daher stellt sich auch die Frage nicht. Es ist so gelaufen. Das ist bitter. Umso positiver war das Feedback später. Nicht nur mit Mondo, auch alle anderen Hersteller haben das begriffen und ziehen mit uns an einem Strang, sodass das bei anderen Großveranstaltungen nicht mehr passiert, um die Gesundheit von uns Speerwerfern zu garantieren. Alle Speerwerfer sollen jetzt adäquate Bedingungen vorfinden, um ihr Leistungspotenzial ausschöpfen zu können. Das ist schließlich im Sinne des Sports und schafft gleiche Bedingungen für alle.

SPORT1: Gab es von den drei Medaillengewinnern in Tokio ein paar tröstende Worte in Ihre Richtung?

Vetter: Neeraj (Olympiasieger Chopra; Anm. d. Red.) tat das auch ein bisschen weh und leid. Mit ihm habe ich einen guten Draht. Aber ich verstehe mich mit allen gut und sie haben das gesehen und wissen das natürlich auch einzuschätzen. Aber am Ende fragt keiner mehr danach. Dann zählt nur, wer die Medaillen gewonnen hat.

SPORT1: Wie wollen Sie es in der nächsten Saison handhaben, wenn ein Meeting nicht Ihren Ansprüchen genügt?

Vetter: Ich habe zuletzt noch mehrere Wettkämpfe gemacht, bei denen ich die Beläge vorher nicht kannte. Dann kommen Wettkämpfe hinzu, wo der Belag neu gemacht wurde. Meistens waren es Beläge, die ich kannte. Aber wenn in Tokio nächstes Jahr ein Meeting wäre, würde ich dort definitiv nicht noch einmal starten. Außer der Belag wird noch grundlegend geändert. Aber ich scheue jedes Meeting, bei dem ich weiß, dass die Beläge unseren Ansprüchen nicht gerecht werden.

Vetter: „Möchte jeden Wettkampf gewinnen“

SPORT1: Bis zwei Wochen vor den Spielen hatten Sie in jedem Wettkampf eine 90 stehen. Danach wurde es etwas weniger. Würden Sie sagen, dass Sie Ihren Leistungszenit vor den Spielen schon erreicht hatten?

Vetter: Nein, das würde ich nicht sagen. In den zwei Wettkämpfen vor den Spielen hatte ich einfach auch Pech mit der Anlage. Das wusste ich vorher nicht. Erst 24 Stunden vorher habe ich erfahren, dass die Anlage neu gemacht wurden. Im Nachhinein hätte ich vielleicht lieber nach Hause fahren sollen. Aber man lernt dazu.

SPORT1: Nächstes Jahr geht es Schlag auf Schlag weiter. Was ist für Sie wichtiger: eine WM in Eugene oder eine Heim-EM zu gewinnen?

Vetter: Ich will beides gewinnen. Ich möchte jeden Wettkampf gewinnen, egal ob das eine WM oder EM oder Olympia ist.