Verband: Maßnahmen gegen Arznei-Knappheit sind teuer und langwierig
BERLIN (dpa-AFX) -Der Pharmaverband Pro Generika hält die Pläne der Bundesregierung im Kampf gegen Arzneiknappheit für unzureichend. Kein Unternehmen werde auf Basis des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) seine Lieferketten stabilisieren und Produktionskapazitäten ausbauen können, sagte Thomas Weigold, Vorstand bei Pro Generika und Geschäftsführer Deutschland des Arzneiherstellers Sandoz, am Dienstag. "Wir verlieren kostbare Zeit." Die Politik müsse das Gesetz, das an diesem Mittwoch im Bundestag beraten werden soll, nachbessern.
Der Verband hat die Unternehmensberatung MundiCare beauftragt, mehrere Maßnahmen gegen Arznei-Knappheit zu untersuchen. Demnach treibt der Bezug von Wirkstoffen aus mindestens zwei Quellen oder der Wirkstoff-Bezug aus mindestens einer europäischen Quelle die Arznei-Herstellungskosten um über ein Zehntel bis rund ein Fünftel nach oben. Der Aufbau eines Wirkstoffwerks in Europa sei zwar effektiv, aber mit 150 bis 250 Millionen Euro Kosten teuer und habe eine jahrelange Vorlaufzeit. Größere Lagerbestände für fertige Arzneien wiederum trieben die Herstellungskosten um vier Prozent hoch, jedoch könnten Arzneien ablaufen. Alle Maßnahmen könnten Lieferketten robuster machen, sagte Andreas Meiser, Partner bei MundiCare. "Aber ihre Umsetzung ist angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen unrealistisch und es dauert lange, bis sie wirken."
Von der Politik forderte Pro Generika daher unter anderem eine staatliche Förderung für wettbewerbsfähige Produktionsstandorte in Europa und eine Abkehr vom "alleinigen Fokus" auf den Arzneipreis. Denn schon jetzt sei die Produktion oft kaum kostendeckend. Das ALBVVG sichere bestehende Hersteller im Markt, genüge aber nicht, um Produktion von Asien nach Deutschland zurückzuholen, sagte Weigold.
Lieferengpässe gab es zuletzt bei Fiebersäften für Kinder, aber auch bei Antibiotika, Krebsmedikamenten und Blutdrucksenkern. Gerade Hersteller von patentfreien Nachahmerarzneien (Generika) beklagen großen Kostendruck und zu geringe Erstattungen der Krankenkassen, während die Preise für Medikamente weitgehend reguliert sind. Einige Hersteller etwa von Fiebersäften haben sich aus der Produktion hierzulande zurückgezogen. Der Großteil der Wirkstoffe wird in Asien zu niedrigeren Kosten hergestellt, so entstanden hohe Abhängigkeiten.
Die Bundesregierung setzt im Kampf gegen knappe Arzneien an mehreren Stellen an. So sollen größere Vorräte der Hersteller als Puffer dienen. Zum Auffangen kurzfristiger Störungen in der Lieferkette oder kurzzeitiger größerer Mehrbedarfe ist eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung geplant. Vorgesehen sind auch neue Preisregeln, die Lieferungen nach Deutschland für Hersteller attraktiver machen. Zudem sollen Antibiotika mit Wirkstoffproduktion in Europa bei Ausschreibungen von Kassenverträgen zusätzlich berücksichtigt werden.