„Uber kann die Welt zu einem besseren Ort machen“

Drinnen ist es voll und der Beifall laut, als Dara Khosrowshahi die Bühne der Digitalkonferenz DLD in München betritt. Vor dem Gebäude dürfte der Empfang weniger nett gewesen sein, da haben sich Münchener Taxifahrer zum Protest gegen den Fahrdienstleister Uber versammelt. Das laute Pfeifen schafft es allerdings nicht bis ins große Atrium, wo Khosrowshahi von „Bild“-Chefredakteurin Tanit Koch interviewt wird.

„We are all Dreamers“ steht auf Khosrowshahis T-Shirt – das hat allerdings nichts damit zu tun, dass der Uber-Chef etwa davon träumt, die Welt mit seinem Dienst zu erobern. Es ist eine politische Botschaft: Es geht um US-Präsident Donald Trump, der den Schutz vor Abschiebung für Kinder illegaler Einwanderer, die sogenannten Dreamer, abschaffen will.

Träume sollte Khosrowshahi dennoch haben, denn es lief im vergangenen Jahr nicht gerade gut bei Uber: Sein Vorgänger und Mitgründer Travis Kalanick musste nicht nur den Chefsessel räumen, sondern verkaufte auch fast ein Drittel seiner Anteile an dem Unternehmen. Zuvor waren Uber Sexismus, Diskriminierung, Technologiediebstahl und das Ausspähen der Konkurrenz vorgeworfen worden. Und als sei das nicht schon genug, hatte das wertvollste Start-up der Welt zudem einen Datendiebstahl geheim gehalten, bei dem Daten von Passagieren und Fahrern erbeutet worden waren. Statt den Vorgang an die Öffentlichkeit zu bringen, zahlte das Unternehmen den Hackern lieber ein Schweigegeld.

Er möge die Bezeichnung „Anti-Travis“ nicht, sagt Khosrowshahi, der im September den Chefposten übernahm. Während der guten Zeiten habe er Uber immer für das ungeheure Wachstum bewundert, sagt Khosrowshahi: „Manchmal entschuldigt Gewinnen auch schlechtes Benehmen.“ So solle es nicht weitergehen, verspricht der Kalanick-Nachfolger – es brauche verantwortungsvolles Wachstum. Er wolle ein Team aufbauen, nicht an einem Gründer hängen. Das Gute an der Krise sei gewesen, dass er von der Veränderung im Konzern dann auch niemand mehr überzeugen musste.

Das Jobangebot hat er beim ersten Mal dann aber doch abgelehnt, gibt Khosrowshahi zu. Dann habe er sich aber daran erinnert, was er jungen Menschen als Karriereberatung mit auf dem Weg gebe: In ein Unternehmen zu gehen, dass etwas verändern wolle, um dann auch selbst etwas verändern zu können. Er ist überzeugt davon: „Uber kann die Welt zu einem besseren Ort machen.“ Wie genau? Das lässt er offen.

Das diesjährige Motto der Digitalkonferenz DLD „Reconquer“, also Zurückerobern, passt da ausgezeichnet zu Uber – findet auch DLD-Mitgründerin Steffi Czerny: Firmengründer Kalanick war bereits vor drei Jahren als Sprecher aufgetreten, um das Image von Uber in Europa aufzupolieren. Er hatte damals angekündigt, dass 2015 das Jahr werden würde, in dem Uber neue Partnerschaften mit EU-Städten schließen würde. „Jetzt steht sein Nachfolger Dara Khosrowshahi vor der Herausforderung, den stark in die Kritik geratenen Konzern wieder auf Kurs zu bringen“, sagt Veranstalterin Czerny. Für ihn gelte also gewissermaßen „Reconquer Uber“, meint die DLD-Mitgründerin: „Eine Riesenaufgabe!“

Es ist aber eine Mission, bei der es auch zuletzt gar nicht rund lieft: In Norwegen setzte Uber seinen umstrittenen Service UberPop mit Privatleuten als Chauffeure aus. Man wolle abwarten, bis es neue rechtliche Grundlagen für die Branche gibt, erklärte der Fahrdienstvermittler. In Deutschland ist UberPop schon längst Geschichte.

In Israel hatte ein Gericht das Angebot verboten. Auch in London muss sich Uber mit den Behörden auseinandersetzen: Offiziell ist die Lizenz im September vergangenen Jahres ausgelaufen, die zuständige Transportbehörde der britischen Hauptstadt hatte sich gegen eine Verlängerung ausgesprochen. Wie die BBC berichtet, könnte die Entscheidung darüber Jahre dauern. So lange können die Fahrer jedoch weiter operieren.

Trotz aller Vorfälle liefen die Geschäft erstaunlich gut, scherzt Khosrowshahi. So vermittelte der Fahrdienstleister im Jahr 2017 vier Milliarden Fahrten. Uber ist in 78 Ländern aktiv und bietet seinen Dienst in knapp 600 Städten an. Nur an einem Detail hapere es noch, legt Khosrowshahi lachend nach: Der Profitabilität.

Denn das Wachstum ist teuer erkauft: Das Unternehmen hatte im dritten Quartal vergangenen Jahres 1,46 Milliarden Dollar verloren – nach 1,06 Milliarden Dollar im Vierteljahr davor. Noch ist das Ganze nämliche ein Zuschussgeschäft, die Verluste gehen zu großen Teilen auf Zuschüsse an Fahrer und Passagiere zurück, mit denen Uber die Konkurrenz auf Abstand halten will. Bis 2019 will das Unternehmen an die Börse. Wann die Gewinnzone erreicht werde, lässt der Chef allerdings offen.

Um die pfeifenden Taxifahrer kommt Khosrowshahi dann aber doch nicht herum: Deutschland sei ein vielversprechender Markt, sagt er. Aber man habe in der Vergangenheit viel falsch gemacht: „Wir brauchen einen vollständigen Neustart.“ Deshalb arbeite man zusammen mit Städten, Behörden und Taxiunternehmen.

Ob Deutschland überreguliert sei, will „Bild“-Chefredakteurin Koch wissen: Nein, windet sich Khosrowshahi, aber manch eine Vorgabe sei nicht mehr zeitgemäß. Man sei „bullish“ im Hinblick auf den deutschen Markt, aber diesmal wolle es Uber richtig machen. Welche Städte das Unternehmen in den Fokus genommen hat, will Khosrowshahi nicht verraten. Aber glaubt daran: Uber werde das größte Tech-Comeback des Jahres hinlegen. Ob das Prophezeiung oder Traum ist, muss sich noch zeigen.