Wie wir trotz Krise eine zweistellige Millionensumme eingesammelt haben
Ziemlich genau ein Jahr nach ihrer Seed-Runde haben die beiden Münchner Ex-Beraterinnen Irene Klemm und Franziska Meyer weitere Investoren für ihr Edtech-Startup Edurino gewinnen können. 10,5 Millionen Euro kamen dabei zusammen. Im Lead: der international renommierte Venture Capital Fonds DN Capital. Außerdem beteiligten sich Tengelmann Ventures und FJ Labs neu an dem Startup, Bestandsinvestoren wie Bitov und Emerge Education zogen mit. Namhafte Business Angels sind ebenfalls an Edurino beteiligt: Jens Begemann, Verena Pausder und die Heilemann-Brüder.
Edurino baut Lernprodukte für Vorschulkinder. Dazu gehört die namensgleiche Lern-App Edurino, ein ergonomischer Eingabestift und eine Spielfigur, die die Inhalte der App startet. Diese Figur ist das besondere an Edurino. Denn für jeden Lerninhalt müssen Kunden eine neue erwerben. Das Geschäftsmodell hat bereits den Kinderhörspiel-Hersteller Toniebox groß gemacht.
Mit dem frischen Kapital wollen die Münchnerinnen ihr bisher rund 42-köpfiges Team aufstocken, aber auch das Produkt und die Retail-Präsenz ausbauen. Und: Sie wollen internationalisieren, weitere europäische Märkte und UK, mittelfristig auch die USA angehen.
Doch obwohl das Thema brisant ist (Bildung, Digitalisierung – spätestens seit den Corona-Schullockdowns überall), das Produkt auf dem Markt ankommt (mehr als 100.000 Verkäufe binnen eines Jahres) und auch, weil das Geschäftsmodell bei anderen bereits bestens funktioniert hat (siehe Tonie-Boxen: smarte Kombination aus Software und kindgerechter Hardware in Form süßer Spielfiguren) – ein Selbstläufer war die neue Finanzierungsrunde von Edurino trotzdem nicht, wie Co-Gründerin Irene Klemm im Interview mit Gründerszene erzählt.
Irene, wenn du mal vergleichst, wie das Fundraising zu eurer Seed-Runde Ende 2021 gelaufen ist und ein Jahr später das für die Series-A – war es schwerer?
Ja, wir haben uns von vornherein auch darauf eingestellt, dass die Finanzierungsrunde etwas länger dauern kann als das letzte Mal. Und dass wir wahrscheinlich sehr viele Gespräche führen müssen.
Kam’s auch so?
Schon. Wir haben mit über 90 Fonds gesprochen, weil wir den „Top of the Funnel“ bewusst groß machen wollten. Die besten Intros waren dabei immer die von anderen Gründern, die zweitbesten die von Angels. Man hat gemerkt, dass viele Fonds zurückhaltender waren, sehr viele Fragen gestellt haben und auch sehr viel Due Diligence gemacht haben, ehe sie uns überhaupt in ein Meeting genommen haben.
Wie können wir uns das vorstellen?
Teilweise haben wir 50-Punkte-Listen bekommen, die wir schriftlich beantworten mussten, bevor es in den zweiten Prozessschritt ging. Viele Fonds haben uns auch das Feedback gegeben, dass sie ihre Deployment Methode anpassen und nur noch ganz spitze Investments machen. Und es wurde nach anderen Metriken geschaut.
Welche denn?
Wir hatten gehört: Alles dreht sich jetzt weg von Umsatz und hin zu Profitabilität. Das kann ich nicht ganz bestätigen. Auf den Umsatz wird trotzdem noch sehr stark geschaut, auch, um sicherzustellen, dass wir ein nachhaltiges Geschäftsmodell bauen. Was ich auch interessant fand, waren die längeren Wartezeiten. Vor einem Jahr war noch eine ungeschriebene Regel: Wenn ein Fonds sich eine Woche nicht zurückgemeldet hat, war der raus.
Und jetzt?
Jetzt hat sich das gedreht von einem von den Gründern getriebenen Prozess zu einem vom Fonds vorgegebenen. Es ist mehrfach passiert, dass ein Fonds, der sich zweieinhalb Wochen nicht gemeldet hat, trotz Follow-Ups unsererseits, plötzlich das nächste Gespräch wollten. Für mich zeigt das: Die Fonds geben wieder die Zeitleiste vor. Und die lassen sich mehr Zeit, wägen länger ab, drehen auch mal eine Schleife mehr. Da holen sie dann etwa noch einen Industrie-Experten dazu, um ein Stück mehr Sicherheit für ihre Investmententscheidung zu bekommen.
Wie seid ihr damit umgegangen?
Wir waren sehr selbstkritisch. Wir sind zum Beispiel letztes Jahr im November auf die Slush-Konferenz in Helsinki gefahren und haben uns ganz klare Ziele gesetzt: Erstens, möglichst viele persönliche Gespräche mit möglichen Investoren führen. Wir hatten unsere letzte Finanzierungsrunde komplett virtuell abgeschlossen.
Und zweitens?
Wollten wir in diesen Gesprächen rausfinden, ob unsere Unterlagen und Zahlen, die wir schon im Datenraum zusammengestellt hatten, wirklich gut genug sind. Überzeugt unsere Storyline, zeigen wir, dass wir ein Wachstumscase sind, haben wir die richtigen KPIs? Und dann haben wir den Prozess des Fundraisings einfach auch sehr ernst genommen. Es ist ein bisschen wie ein Sales-Prozess: Wenn ein Investor gesagt hat, ich nehme das Montagnachmittag ins Team, haben wir Dienstagmorgen ein Follow-Up geschrieben. So haben wir gezeigt: Wir wollen das wirklich und wir bringen Tempo auf die Straße. Auch intern haben wir uns feste Deadlines gesetzt.
Was habt ihr denn in dem Jahr zwischen Seed und Series A als GrĂĽnderinnen gelernt?
Einer der größten Entwicklungsschritte für meine Mitgründerin Franziska und mich war es, zu realisieren, dass man Teammitglieder hat, die in vielen Bereichen viel besser sind als man selbst. Es ist eine große Erkenntnis, dass man selbst nicht mehr der größte Werttreiber des Unternehmens ist. Am Anfang beschäftigt man sich in der „Ideation“ sehr viel mit Markt, mit Strategie. Dann geht es ins „Doing“ und jetzt ist es unsere Aufgabe, Leitplanken zu schaffen, den Weitblick zu haben und zu überlegen: Wo entwickeln wir das Unternehmen hin?