Triumphe und Enttäuschungen

Am frühen Montagmorgen stand das vorläufige amtliche Endergebnis der 19. Bundestagswahl in Deutschland fest. Sieben Parteien haben es in den neuen Bundestag geschafft, der mit 709 Abgeordneten der größte in der Geschichte der Bundesrepublik sein wird. Von 1998 bis 2002 saßen 672 Politiker im Parlament, in der abgelaufenen Legislaturperiode waren es 631. Eine Übersicht über einige Gewinner, Verlierer und Wackelkandidaten.

Gewinner der Wahl

Canan Bayram: Als Nachfolgerin von Hans-Christian Ströbele errang die Grüne das Direktmandat im Berliner Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg. Bayram empfahl auf dem vorletzten Parteitag Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, er solle „einfach mal die Fresse halten“. Den Spitzenkandidaten Özdemir und Göring-Eckardt warf sie vor, sie wirkten wie „Ortsvereinsvorsitzende der CDU“.

Paul Ziemiak (CDU), Chef der Jungen Union: Er ist der letzte auf der Landesliste in NRW, der noch in den Bundestag einzieht.

SPD-Verbraucherstaatssekretär Ulrich Kelber: Er errang das Direktmandat in Bonn – so wie auch schon im Jahr 2013.

Emmi Zeulner von der CSU holte mit 55,4 Prozent das beste Ergebnis als Direktkandidatin in Bayern. Sie hatte den Wahlkreis von Karl-Theodor zu Guttenberg übernommen.

Sozialstaatssekretärin Yasmin Fahimi (SPD): Sie gewann ein Direktmandat in Hannover gegen Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU), die aber über die Landesliste ebenfalls in den Bundestag einzieht.

Gustav Herzog gewann in Kaiserslautern das einzige Direktmandat für die SPD in Rheinland-Pfalz.

Gregor Gysi (Linke): Gewann wieder einmal das Direktmandat für Berlin-Treptow-Köpenick. Auch die Linken Gesine Lötzsch, Stefan Liebich und Petra Pau holten Direktmandate in Berlin.

Anke Domscheit-Berg (Linke): Die Digital-Aktivistin und ehemalige Piraten-Politikerin zieht für die Linke Brandenburg in den Bundestag ein.

Sören Pellmann (Linke): Er ist der einzige Linke, der außerhalb Berlins ein Direktmandat erringen konnte. 25 Prozent reichten, um es der CDU im Wahlkreis Leipzig II zu entziehen.

SPD-Jungstar Elisabeth Kaiser: Die 30-Jährige schaffte es als eine von drei SPD-Kandidaten aus Thüringen nach Berlin.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen hat mit 19,76% Prozent der Zweitstimmen in Düsseldorf das bundesweit beste Wahlkreisergebnis der FDP erzielt.

94 Abgeordnete der AfD: Erstmals schafft die Partei den Einzug in den Bundestag – und das gleich als drittstärkste Kraft mit 12,6 Prozent der Zweitstimmen. Hier gibt es einen Eindruck zu einigen der neuen Abgeordneten im Bundestag.


Verlierer der Wahl

Stefan Heck (CDU), JU-Chef in Hessen, konnte das Direktmandat in Marburg nicht holen. Da die Landesliste aufgrund der vielen Direktmandate und des schlechten CDU-Ergebnisses nicht zieht, ist er nicht im Bundestag.

Der bisherige Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer aus Sachsen kommt auch wegen des starken Ergebnisses der AfD in seinem Bundesland nicht in den Bundestag. Er verlor den Wahlkreis Görlitz an den AfD-Politiker Tino Chrupalla. Kretschmer galt als Nachwuchshoffnung der CDU.

Carsten Kühl (SPD): Der frühere Finanzminister von Rheinland-Pfalz verpasste wegen des schwachen SPD-Ergebnisses knapp den Einzug in den Bundestag. Ein Verlust auch für die SPD, deren Fraktion die Verstärkung durch den Finanz- und Wirtschaftsexperten hätte gut gebrauchen können.


Wackelkandidaten der Wahl

CDU-Chefin Angela Merkel verlor in ihrem Wahlkreis zwölf Punkte und stürzte auf 44 Prozent ab, das Direktmandat holte sie dennoch.

Katrin Göring-Eckardt (Grüne): Sie holte das schlechteste Ergebnis aller Spitzenkandidaten – nur 7,1 Prozent in Erfurt/Weimar.

Renate Künast, Ex-Ministerin der Grünen: Die Vierte auf der Landesliste der Grünen in Berlin zieht noch gerade in den Bundestag ein.

Alice Weidel (AfD): Das Ergebnis der AfD-Spitzenkandidatin war unterdurchschnittlich – 10,4 Prozent der Erststimmen holte sie am Bodensee.

CSU-Chef Horst Seehofer musste in Ingolstadt einen Verlust von 14 Punkten hinnehmen.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: Er gewann den Wahlkreis Köln-Leverkusen, was vorher nicht sicher war. In den letzten Wahltagen hatte ihm unter anderem Schlagersänger Roland Kaiser öffentlich die Daumen gedrückt.

KONTEXT

Kurioses zur Bundestagswahl

Kein Flug nach Berlin

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wollte am Wahlabend eigentlich in Berlin an verschiedenen Fernsehrunden teilnehmen. Daraus wurde nichts, denn sein Flug nach Berlin wurde kurzfristig gestrichen. Eine nächste Maschine sei ausgebucht gewesen, sagte ein Regierungssprecher. Kretschmann blieb somit in Stuttgart. Er wurde von dort aus in die Fernsehrunden zugeschaltet.

Wählen im Wohnzimmer

Wenn kein Rathaus oder keine Schule in ein Wahllokal umgewandelt werden können, tut es manchmal auch ein Wohnzimmer. In Schleswig-Holstein mussten knapp 50 Einwohner von Elisabeth-Sophien-Koog auf Nordstrand in Nordfriesland im Haus der Bürgermeisterin Ute Clausen wählen gehen. Für die 35 Wahlberechtigten gab es sogar hausgemachte Schnittchen. Aber auch größere Orte haben ungewöhnliche Wahllokale: Zum Beispiel den "Marner Skatclub" - ein Heimatmuseum in Dithmarschen.

Stimmzettel-Nachschub per Taxi

In mehreren Wahllokalen in Köln gingen am Sonntag kurzzeitig die Stimmzettel aus. 200 der 800 Wahllokale hätten Nachschub angefordert, wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" berichtete. Eine Taxi-Armada wurde losgeschickt, um neue Stimmzettel zu bringen. Als Grund für den Engpass gab eine Stadtsprecherin die hohe Wahlbeteiligung an.

Brauner Haufen

Der britische "Guardian" hat in seiner Online-Darstellung der Sitzverteilung der AfD die Farbe braun verpasst. Auch die "taz" wählte diese Farbe für die rechtspopulistische Partei bei ihren Diagrammen.

87 Prozent

#87Prozent: Mehr als 13 Prozent für die AfD nach den ersten Hochrechnungen, das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich 87 Prozent der Wähler gegen die Partei entschieden. Unter dem gleichlautenden Hashtag, gestartet von "Zeit Online" auf Twitter, diskutierten AfD-Gegner über die Wahlen.

Mit dem Krankenwagen ins Wahllokal

Trotz Sturz und Handverletzung wollte eine Frau in Ludwigslust unbedingt wählen gehen. Auf dem Weg zum Wahllokal war sie gestürzt. Die Sanitäter wollten sie eigentlich schnellstens ins Krankenhaus bringen. "Jedoch bat die Verletzte inständig darum, von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen zu dürfen", hieß es in der Polizeimitteilung. Kurzentschlossen fuhren Rettungswagen und Polizei zum Wahllokal, damit sie ihre Stimme abgeben konnte, bevor sie in die Klinik kam.

Verzögertes Wahlergebnis

Einer von 274 Wahlbezirken in Darmstadt hat die Berechnung des vorläufigen Endergebnisses der Bundestagswahl für ganz Hessen verzögert. Die aus dem Bezirk telefonisch übermittelten Quersummen seien zunächst unplausibel gewesen, sagte der Landeswahlleiter am Montag. Daher habe das Ergebnis für den Wahlkreis 186 zunächst nicht ermittelt werden können. Um kurz vor 3.00 Uhr gab es der Landeswahlleiter dann aber frei.

Taxifahrer fährt AfD-Gegner an

Weil sie gegen seine Motorhaube schlugen und traten hat ein Taxifahrer in Berlin drei Anti-AfD-Demonstranten angefahren und leicht verletzt. Bei der Demonstration gegen die Wahlparty der Partei am Alexanderplatz wollten die AfD-Gegner das Taxi mit Gästen der Feier an der Abfahrt vom Veranstaltungsort hindern. Die Polizei ermittelt nun wegen gefährlicher Körperverletzung gegen den Taxifahrer.

Betrunkener will wählen - und wird festgenommen

Der Wunsch zu wählen hat einen betrunkenen Mann im brandenburgischen Guben ins Gefängnis gebracht. Der 46-Jährige sei am Sonntag kurz vor der Schließung im Wahllokal erschienen und habe wählen wollen, obwohl er nicht die erforderlichen Dokumente vorweisen konnte, sagte der Landeswahlleiter am Montag. Nachdem die Wahlhelfer den betrunkenen Störer des Saales verwiesen hatten, beschwerte sich dieser bei der Polizei. Die Beamten stellten schnell fest, dass der Mann mit Haftbefehl gesucht wurde, weil er noch eine Gefängnisstrafe von sieben Monaten absitzen muss. Daraufhin wurde er festgenommen.

Mit Merkels Tipp in den Bundestag

Ein Wahlkampf-Tipp von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Philipp Amthor zum jüngsten Abgeordneten der neuen Unionsfraktion im Bundestag gemacht. Der 24-Jährige aus Mecklenburg-Vorpommern setzte im Wahlkampf auf einen Ratschlag der Regierungschefin: "Sie hat mir erzählt, wie sie 1990 mit einem zusammenklappbaren Tapeziertisch von Gemeinde zu Gemeinde gezogen ist, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen." Amthor interpretierte den Merkel-Ratschlag auf seine Weise und rief die Wähler dazu auf: "Sie kochen den Kaffee. Ich bringe den Kuchen."