"Tote Mädchen lügen nicht": Fans warnen vor extrem brutaler Szene - doch sie ist wichtig

Eine Szene der zweiten Staffel von “Tote Mädchen lügen nicht” zeigt eine brutale Vergewaltigung. Fans sind entsetzt und warnen im Internet davor, die Szene anzusehen. Dabei gibt es gute Gründe, warum man sich als Zuschauer durch die Stelle quälen sollte.

Von Yahoo-Autor Ben Barthmann

Der Schüler Tyler Down ist an der Liberty High Mobbing ausgesetzt. (Bild: Netflix)
Der Schüler Tyler Down ist an der Liberty High Mobbing ausgesetzt. (Bild: Netflix)

Die Netflix-Serie “Tote Mädchen lügen nicht” hat sich schon mit ihrer ersten Staffel bei Jugendschützern, Lehrern und Eltern unbeliebt gemacht. Die Darstellung von zwei Vergewaltigungen, täglicher Gewalt unter Schülern und einem Suizid trieb vielen Erwachsenen Sorgenfalten auf die Stirn.

Auch die neue Staffel, zu sehen seit dem 18. Mai auf Netflix, ziert sich nicht davor, einer jungen Zielgruppe Gesprächsstoff zu liefern. Alles dreht sich um die Aufarbeitung des Selbstmords der jungen Hannah Baker (Katherine Langford), während an der Liberty High School das Leben weiter geht.

Nach Hannah, Protagonistin der ersten Staffel, ist nun vor allem Tyler Down (Devin Druid) das ausgemachte Ziel der Sport-Alphas der Schule. In der letzten Episode muss der leidenschaftliche Fotograf bei einem Angriff große Qualen erleiden.

Achtung: Es folgen massive Spoiler!

Tyler wird im Staffelfinale von drei Mitschülern attackiert, gegen einen Spiegel und ein Waschbecken geschlagen. Anschließend taucht Montgomery de la Cruz (Timothy Granaderos) den blutenden Schüler in eine Toilette und vergewaltigt ihn mit einem Besenstiel.

Eine Szene, die schockiert. Gewalt an der Liberty High war für Fans der Serie nix Neues, auch sexuelle Gewalt war den Zuschauern ein bildlicher Begriff geworden. Doch die Szene mit Tyler und Montgomery ist anders.

Die Darstellung ist vollkommen ungeschönt. Es gibt keine Einordnung, keine Schonung durch günstige Kamerawinkel, keine Erklärung der plötzlichen Eskalation. Der Zuschauer ist überrumpelt.

Keine Warnung kann auf diese Szene vorbereiten

Die wenigen Sekunden stechen aus der Serie heraus. Oft deuten sich Vergehen jeder Art auf eine unterschwellige Art und Weise an, nicht aber in diesem Fall. Die Situation eskaliert, es bleibt kein Moment, um erschrocken die Augen zu schließen.

Es ist pure Bildgewalt – und für viele Fans zu viel. Bei Twitter und Facebook regten sich schnell Stimmen, die eine Zensierung der Folge forderten oder die betreffenden Stellen der Episode zeitlich genau bestimmten, um andere Zuschauer zu warnen. Wobei auch die von Netflix immer wieder ausgesprochenen Warnungen auf diese Unmenschlichkeit Montgomerys nicht vorbereiten konnten.

Analer Missbrauch als “Ritual” in Sportteams

Doch die Szene hat ihre Daseinsberechtigung und das gleich aus mehreren Gründen. Den Produzenten, das bestätigte Schöpfer Brian Yorkey dem Hollywood Reporter, war es wichtig, auf ein gesellschaftliches Tabu-Thema aufmerksam zu machen: die Vergewaltigung an männlichen Teenagern als ultimative Form der Demütigung in jugendlichen Gruppen. So hatte etwa ein US-Richter im September 2015 festgestellt, dass der anale Missbrauch im Football-Team der Juanita High School eine Art “Ritual” gewesen wäre.

Der Fall machte damals die Runde in nationalen Medien, erreichte aber nie die Ebene einer Diskussion in der breiteren Öffentlichkeit. Daran könnte “Tote Mädchen lügen nicht” aufgrund der weltweiten Popularität der Serie aber etwas ändern.

Auch dramaturgisch hat die extreme Darstellung des Verbrechens ihre Daseinsberechtigung. Für den Zuschauer ist Tyler eine Identifikationsfigur – selbst als er in den letzten Minuten der Staffel zum Amokläufer wird, der sich mit einem Sturmgewehr ausrüstet und mit Tötungsabsicht zu einem Tanzabend fährt. Der Schüler war durch beide Staffeln hinweg gemobbt worden, doch erst die Momente nach der schonungslos inszenierten Vergewaltigung lassen uns auf besonders schmerzhafte Weise erahnen, was ein Heranwachsender in so einer Situation empfinden muss.

Die Serie regt zum Nachdenken und Diskutieren an

Das Team hinter “Tote Mädchen lügen nicht” vollbringt am Ende der Staffel Unglaubliches, spielt mit den Emotionen des Zuschauers und lässt ihn anschließend ratlos zurück. Die Aufarbeitung zweier wichtiger und oft tabuisierter Themen (Vergewaltigung gegen Männer & Amoklauf) wird angestoßen, nicht aber zu Ende geführt.

Ein aufwühlender, gewaltsamer Staffelabschluss. Durch die große Leere schafft Netflix natürlich einen Cliffhanger bis zur dritten Season, aber auch Redebedarf bei den Zuschauern und öffnet die schwierigen Themen endlich für die breite Masse. Und das ist schlichtweg großartig.