Theodor Weimer wird neuer Börsenchef

Joachim Faber steht unter Zeitdruck. Immer wieder schaut er auf die Uhr und tippt mit seinen Fingern nervös auf den Tisch. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Börse ist am Donnerstagvormittag zu Gast auf einer Finanzkonferenz in Frankfurt, auf der über nachhaltige Investments diskutiert wird. Doch die Zeit drängt. Denn wenig später will der Aufsichtsrat von Deutschlands größtem Börsenbetreiber einen neuen Vorstandschef nominieren.

Am späten Nachmittag meldet Faber dann Vollzug: Theodor Weimer, der Chef der Hypo-Vereinsbank (HVB), wird 2018 die Nachfolge von Carsten Kengeter angetreten. Dieser hatte angesichts eines Ermittlungsverfahrens gegen sich wegen des Verdachts auf Insider-Handel seinen Rückzug angekündigt.

Weimer sei ein führungsstarker Manager und verfüge über langjährige Kapitalmarkt-erfahrung, sagt Faber. „Er ist sowohl international orientiert als auch im Heimatmarkt tief verwurzelt und sehr gut mit Regulatoren vernetzt.“ Weimer wohnt in Wiesbaden und hat gute Kontakte in die hessische Landesregierung. Damit unterscheidet sich der 57-Jährige von seinen Vorgängern Kengeter und Reto Francioni. Beide hatten ohne Rücksprache mit der hessischen Börsenaufsicht große Zusammenschlüsse angestoßen, bei denen der juristische Sitz der fusionierten Börse außerhalb Deutschlands gelegen hätte. Sie scheiterten allesamt.

Weimer soll solche Fehler nicht wiederholen. Und er soll das Unternehmen, das wegen des Ermittlungsverfahrens gegen Kengeter seit Monaten verunsichert ist, wieder in ruhigeres Fahrwasser führen. Für die Deutsche Börse seien nicht nur die internationalen Märkte wichtig, sondern auch die Wurzeln des Unternehmens in Hessen, betonte der neue Boss. Der Finanzplatz Frankfurt solle gestärkt werden ¬– und „die Deutsche Börse wird ihren Beitrag dazu leisten“.

Faber machte deutlich, dass er von Weimer zwar neue Impulse erwartet, aber nicht unbedingt eine grundlegend neue Strategie. Weimer bringe alle Voraussetzungen mit, „um den eingeschlagenen Wachstumskurs der Gruppe Deutsche Börse erfolgreich fortzusetzen“, erklärte der Chefkontrolleur.

Weimer hat vor seiner Zeit bei der HVB für die Beratungsgesellschaften McKinsey und Bain sowie die Investmentbank Goldman Sachs gearbeitet. Das Börsengeschäft kennt er somit nur aus Kundensicht.

Frankfurt statt Florida

Vor diesem Hintergrund freut es viele Mitarbeiter der Deutschen Börse, dass der dienstälteste Vorstand Jeffrey Tessler seinen Vertrag wider Erwarten noch einmal um ein Jahr verlängert hat. Der 63-jährige Amerikaner, der den mit Abstand größten Konzernbereich Kunden, Produkte und Kernmärkte leitet, hatte eigentlich bereits seinen Abschied zum Jahresende angekündigt und wollte anschließend seinen Ruhestand in Florida genießen. Doch nun ließ er sich noch mal zum Weitermachen überreden. Auch Vize-Chef Andreas Preuß, dessen Vertrag Ende Mai ausläuft, hängt noch ein Jahr dran.

Auf diese Weise stelle die Deutsche Börse „die notwendige Kontinuität in der Vorstandsarbeit sicher“, sagte Aufsichtsratschef Faber. Zudem gibt er Weimer so die Möglichkeit, beim anstehenden Generationswechsel im Vorstand ein Wörtchen mitzureden.

Mehrere Großaktionäre der Deutschen Börse sehen Weimers Nominierung positiv. Und sie finden es gut, dass der Konzern schon drei Wochen nach Kengeters Rücktrittsankündigung einen neuen Chef präsentiert. „Wir sind erleichtert, dass schnell ein passender Nachfolger gefunden werden konnte“, sagt Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment. „Am wichtigsten ist jetzt, dass sich die Börse mit einem unbelasteten Mann an der Spitze wieder voll und ganz auf das Geschäft konzentrieren kann.“

Bei der Hypo-Vereinsbank bedauern viele Weimers Abgang. „Für uns ist das schlecht“, sagte ein Konzerninsider dem Handelsblatt. „So ein Standing wie Weimer muss sich sein Nachfolger erst mal erarbeiten.“ Auf Weimer folgen soll Michael Diederich, der bisher für das Investmentbanking der HVB verantwortlich ist.