Tennis-Legende fordert folgenschweres Liebes-Tabu
Sie war die Nummer 3 der Weltrangliste. Sie gewann 1988 Olympia-Gold in Seoul. Und insgesamt 21 Grand-Slam-Titel im Doppel, 20 davon an der Seite ihrer langjährigen Spielpartnerin Martina Navratilova.
Pamela Howard „Pam“ Shriver ist in der Tennis-Szene ein Name mit Gewicht, auch durch ihre langjährige Experten-Tätigkeit für Sender ESPN, die BBC, ABC und CBS. (NEWS: Alles zum Tennis)
Bei den Australian Open stand die 60-Jährige als Trainerin der Kroatin Donna Vekic im Rampenlicht, die sie nach einer dreijährigen Schaffenskrise wieder in ein Viertelfinale führte.
Aber Shriver sorgte am Rande des Turniers in Melbourne auch für Gesprächsstoff, indem sie den Blick auf ein für den Sport unangenehmes Thema lenkte: heikle Verhältnisse zwischen jungen Spielerinnen und ihren Trainern. Die Legende spricht bei dem Thema aus eigener, leidvoller Erfahrung - und fordert ein Umdenken, das für die Szene einschneidend wäre.
Pam Shriver fordert Liebes-Tabu zwischen Trainern und Spielerinnen
Shriver ist der Meinung, dass Liebesverhältnisse zwischen Trainern und Spielerinnen ein Tabu sein sollten, speziell jungen Spielerinnen.
„Es wird so sehr akzeptiert, dass so etwas passiert. Das muss sich ändern in ‚Nein, das darf nicht passieren‘“, sagte die US-Amerikanerin in einem Interview mit Sydney Morning Herald und The Age: „Nachdem ich so viele Generationen von Spielerinnen gesehen habe, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatten, möchte ich wirklich, dass die Spielerinnen mehr Einfluss auf die Trennung ihres Privatlebens von ihrem Berufsleben haben.“
Neue Folgen zu den Australian Open plus Federer-Bonusepisoden - Der Tennis-Podcast „Cross Court“ bei SPORT1, auf meinsportpodcast.de, bei Spotify, Apple Podcasts und überall, wo es Podcasts gibt
Eine Trennung, die sich Shriver im Nachhinein auch für ihr eigenes Leben gewünscht hätte.
Shriver ging mit 17 Beziehung mit 50 Jahre altem Coach ein
Vor rund einem Jahr hatte Shriver enthüllt, dass sie fünf Jahre lang ein Liebesverhältnis zu ihrem früheren Trainer Don Candy gehabt hatte - beginnend, als Shriver 17 Jahre alt war und Candy 50.
Shriver bezeichnet ihr Verhältnis mit ihrem Trainer mittlerweile als „unangemessene und schädliche Beziehung“, basierend auf einem Machtgefälle, auf das sie sich so nicht hätte einlassen sollen.
Sie habe aber lange gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen: „Es war eine unglaublich verwirrende Zeit für mich als junge Person, die versuchte, ihren Weg als Profi zu finden. Als ich älter wurde, wurde mir klar, wie sehr das mein Beziehungsmuster veränderte. Es hat alles beeinflusst.“ Auch Shrivers spätere Ehemänner - der Disney-Anwalt Joe Shapiro und James-Bond-Darsteller George Lazenby - waren deutlich älter als sie.
Shriver entschloss sich erst spät zu einer öffentlichen Aufarbeitung, nach eigenen Angaben wartete sie aus persönlichen Gründen ab, bis ihre Mutter und auch Candys spätere Ehefrau verstorben waren.
Pikante Fälle auch im heutigen Tennis
Die Vermischung von beruflichen und privaten Abhängigkeitsverhältnissen im Frauentennis ist ein Phänomen, für das es auch heute diverse Beispiele gibt.
So ist etwa Petra Kvitova mit ihrem Trainer Jiri Vanek verheiratet, der sie seit 2016 coacht - Vanek ist 12 Jahre älter, aber arbeitete erst im Erwachsenenalter mit ihr zusammen. Problematischer ist der Fall von Veronika Kudermetova, die vor fünf Jahren ihrem Trainer Sergey Demekhin das Ja-Wort gab. Die Russin arbeitete seit ihrem 15. Lebensjahr mit Demekhin zusammen.
Shriver ist nicht die einzige prominente Protagonistin der Sports, die bei dem Thema ein Systemproblem sieht. Auch Victoria Azarenka legte bei den vergangenen US Open den Finger in die Wunde, verwies auf „verletzliche junge Frauen“, die „in verschiedenen Situationen ausgenutzt werden“.
Der WTA-Verband hat das Thema im Blick schuf vor einigen Monaten die Position der Direktorin für Sicherheitsfragen, ausgefüllt von der Sportanwältin Lindsay Brandon. Brandon soll Richtlinien und Bildungsprogramme planen, um jungen Spielerinnen „ein sicheres Umfeld zu gewährleisten“, wird eine Sprecherin zitiert.
Von einem strikten Verbot von Liebesbeziehungen zwischen Spielerinnen und Trainern - das weit mehr Sprengkraft bergen würde - ist nicht die Rede.
Shriver will, dass Grand-Slam-Turniere vorangehen
Shriver zweifelt daran, dass die WTA schon genug für den von ihr geforderten Kulturwandel tut. „Ich weiß nicht, ob sie schon All-In sind“, sagt sie- und sieht auch die Organisatoren der Australian Open, Wimbledon und den anderen Grand-Slam-Turnieren in der Pflicht.
„Ich würde mir wünschen, dass die vier Majors, die zusammen zwölf wichtige Wochen des Kalenders haben, einen Schritt nach vorne machen und in dieser Sache eine bessere Führungsrolle übernehmen“, sagt Shriver: „Ich denke, es gibt einige echte Möglichkeiten, etwas zu bewegen.“
Shriver betont, dass es ihr nicht darum geht, Liebesbeziehungen zu verhindern. Sie rät aber dringend, den daraus resultierenden Abhängigkeitsverhältnissen vorzubeugen - und im Fall des Falls dann das Arbeitsverhältnis zu beenden.