"T2 Trainspotting": Sag Ja zu den alten neuen Helden

Es ist das Jahr 1996 und Tom Cruise befindet sich erstmals auf einer von vielen unmöglichen Missionen. Roland Emmerich macht das, was er am besten kann und lässt die Welt am Unabhängigkeitstag von Aliens in Schutt und Asche legen. Und irgendwo in Leith, einem Stadtteil von Edinburgh, fischt Ewan McGregor in der beschissensten Toilette Schottlands nach seinen abhandengekommenen Opiumzäpfchen. "Trainspotting - Neue Helden" eroberte mit schonungsloser Drogenhölle, bitterbösem Humor und herrlich verspulten Charakteren die Kinos und gilt längst als Kult. 21 Jahre später kehren Danny Boyles einst neue Helden sichtlich gealtert zurück. Aber drauf haben sie es noch immer - und sind dabei natürlich voll drauf.

Der verlorene Sohn kehrt zurück

"Willkommen in Edinburgh", wird Mark Renton (McGregor) von einer osteuropäischen Dame am Flughafen begrüßt. Genau 20 Jahre ist es her, seit er das letzte Mal seinen Fuß auf den Boden der schottischen Hauptstadt gesetzt hat. 20 Jahre sind vergangen, seit er seine besten Freunde Sick Boy (Jonny Lee Miller) und Spud (Ewen Bremner), sowie den Psychopathen Begbie (Robert Carlyle) hintergangen hat. Doch trotz der erbeuteten 12.000 Pfund und einem inzwischen enorm gesunden Lebensstil geht es Mark nicht gut. Seine Scheidung ist längst beschlossene Sache, den Job als Anlageberater ist er auch los.

Lange dauert es nicht, ehe er von Spud angekotzt und von Sick Boy vermöbelt wird - alles wie immer, irgendwie: Der schlaksige Spud ist noch etwas schlaksiger geworden und hängt noch immer an der Nadel. Der wasserstoffblonde Sick Boy ist Geschäftsmann. Wenn man unter Geschäft versteht, die abgefuckte, verwaiste Bar seiner Familie zu führen und nebenher reiche Schnösel mit heimlich aufgezeichneten Puffbesuchen zu erpressen.

Bald schon hat Mark allerdings größere Sorgen, als beleidigte Kumpanen: der mordlustige Begbie ist nach 15 Jahren Haft aus dem Gefängnis ausgebrochen und bekommt Wind davon, dass seine Nemesis zurück in der Stadt ist. Und dann verguckt sich Mark auch noch allen Ernstes in die blutjunge Freundin von Sick Boy...

Nostalgie pur

Eines gleich vorweg: Mit "T2 Trainspotting" will Danny Boyle, dass die Zuschauer ganz genüsslich den Nostalgie-Zug anglotzen, während er sie nach über 20 Jahren wieder ins verranzteste Eck Edinburghs entführt. Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Hat "Star Wars - Das Erwachen der Macht" auch getan. Nur, dass hier eben Sätze wie "Chewie, wir sind zu Hause" durch kaum verständliche, schottische Schimpftiraden ersetzt werden, bei denen Mark und Co. nicht selten als primäres, weibliches Geschlechtsorgan tituliert werden. So wie vor 20 Jahren eben.

Immer wieder streut Boyle die berühmtesten Szenen des ersten Teils gekonnt als Flashbacks mit ein, oder verpasst ihnen mit neuen Interpretationen eine Hommage. Etwa, wenn Mark von einem davonrasenden Auto fällt, zur Windschutzscheibe tritt und den Fahrer manisch anlächelt. Und eine "Sag ja zu dies, das und jenem"-Tirade gibt es natürlich auch wieder. Neu ist das selbstredend nicht. Aber herrje, wie haben wir es vermisst! Nur, wer den ersten Teil nicht kennt oder ihn in Vorbereitung auf den zweiten Streifen mal eben auf dem Second Screen streamt, dem gibt "T2 Trainspotting" wohl nichts. Dafür setzt die Fortsetzung zu sehr auf den Nostalgie-Faktor.

Genau dieses Gefühl der Nostalgie passt aber auch sehr gut zur Handlung des Films und ist daher nicht bloßes Mittel zum Zweck. Nicht nur der Zuschauer kehrt nach Jahrzehnten zurück, auch Mark selbst muss seiner alten Heimat, seinen alten Freunden und seinen alten Dämonen erst wieder gegenübertreten und sie neu kennenlernen. Von der Chemie zwischen den schrägen Charakteren, die damals "Trainspotting" so verdammt eindringlich gemacht haben, ist jedenfalls nichts verloren gegangen.

Nicht ganz so schwere Kost

Genauso bewusst sollten sich Fans des ersten Teils werden, dass es wohl unmöglich gewesen ist, noch einmal einen derart verstörenden Einblick ins Drogenmilieu zu liefern, wie damals. Ob nun Boyle etwas altersmilde geworden ist, oder einfach nicht nochmal auf die exakt selben Schauwerte zurückgreifen wollte: Partynächte, die in hemmungslosen Sex und vollgeschissenen Bettdecken enden, tote Säuglinge, die in einem fieberhaften Drogentraum kopfüber an der Decke grabbeln, das alles hat "T2 Trainspotting" nicht mehr zu bieten. Was nicht heißen soll, dass den Kinogängern diverse Körperflüssigkeiten, skurrile und urkomische Momente, oder die Tragödien des Alltags erspart bleiben!

Wie in fast all seinen Filmen ist auch in "T2 Trainspotting" ein beliebtes Leitmotiv von Boyle vertreten: Freundschaft. Die drei Kumpel streiten, raufen sich zusammen, streiten noch ein wenig, saufen, stürzen gemeinsam ab, ziehen sich aneinander wieder hoch. Auf seltsame Art und Weise ist ihr verkorkstes Leben am Ende des Films wieder genauso lebensbejahend, wie es schon 1996 der Fall war. Und genau aus diesem Grund sollten Cineasten auch "Ja" zu "T2 Trainspotting" sagen.

Fazit:

"T2 Trainspotting" schickt die Kinogänger weniger auf einen Heroin-, umso mehr auf einen Nostalgietrip. Noch einmal den gesamten Cast des Kultfilms von 1996 sehen zu können, der noch dazu bestens aufgelegt ist, zaubert Fans für fast zwei Stunden ein manisches Grinsen ins Gesicht. Fast so, als blicke man nicht auf einen Film, sondern wie Ewan McGregor durch die Windschutzscheibe eines Autos, das einen hätte überfahren können - es aber nicht getan hat.

Foto(s): Sony Pictures Germany, Sony Pictures Germany, Sony Pictures Germany