Streit um das Gold der Griechen

Eines der größten ausländischen Investitionsvorhaben in Griechenland steht auf der Kippe, 2400 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Regierungschef Alexis Tsipras bekämpft das Projekt und versucht, den Investor zu zermürben.

 

Tief unter den Bergen der griechischen Halbinsel Chalkidiki wartet ein kostbarer Schatz: Mindestens 230 Tonnen reines Gold, dazu 1500 Tonnen Silber vermuten die Experten des Unternehmens Hellas Gold im Gestein. „Damit könnte Griechenland zum größten Goldproduzenten Europas werden, noch vor dem heutigen Spitzenreiter Finnland“, sagt Hellas-Gold-Sprecher Kostas Georgantzis.

Schon in der Antike gruben die alten Griechen hier nach Gold. Alexander der Große finanzierte mit dem Edelmetall seine Eroberungszüge. Jetzt könnte das Gold von Chalkidiki helfen, das Krisenland auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen. Rund zwei Milliarden Dollar will der kanadische Bergbaukonzern Eldorado Gold über seine griechische Tochter Hellas Gold hier investieren. 1200 Arbeitnehmer beschäftigt das Unternehmen bereits, weitere 1200 sind bei Subunternehmern für das Projekt tätig.

Eigentlich sollte die Förderung in den beiden Minen bei Skouries und Olympias bereits 2015 beginnen. Ein drittes Projekt, Perama Hill, plant Eldorado Gold im benachbarten Thrazien. Aber die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras legt sich quer, immer wieder verweigert sie Bau- und Betriebsgenehmigungen.

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So sollten die Lizenzen für den Betrieb der Minen in Skouries und Olympias bereits im Januar erteilt werden. Sie stehen aber weiter aus. Jetzt kündigte Energieminister Giorgos Stathakis an, dass die Regierung ein Schlichtungsverfahren einleiten will. Um welche Streitpunkte es dabei genau gehen soll, ist bisher unklar. In einer Erklärung teilt das Energieministerium vage mit, die Schlichtung solle das „öffentliche Interesse schützen“ und sicherstellen, dass „die Bodenschätze der Region in Übereinstimmung mit den geltenden Umweltstandards“ abgebaut werden.

„Die Regierung hat uns bisher nicht offiziell informiert, wir wissen daher leider nicht, worauf sich das angekündigte Schlichtungsverfahren im Einzelnen beziehen soll“, sagte der CEO von Eldorado Gold, George Burns, dem Handelsblatt. Die Schlichtung bedeutet neue Verzögerungen – und möglicherweise das endgültige Aus für das Projekt. Offenbar setzt die Regierung darauf, den Investor mit der Hinhaltetaktik zu zermürben und zum Rückzug aus Griechenland zu bewegen. Dann könnte Tsipras dem Unternehmen den Schwarzen Peter zuschieben.

Die für den 15. September angesetzte Eröffnungsfeier der Anlagen bei Olympias, zu der griechische Polit-Prominenz und Firmenvertreter aus aller Welt eingeladen waren, hat das Unternehmen jedenfalls auf unbestimmte Zeit abgesagt. Die Eröffnung war ursprünglich für Juni geplant, musste aber wegen fehlender Lizenzen bereits einmal verschoben werden. Es mache keinen Sinn, eine Anlage zu eröffnen, für die es möglicherweise nie eine Betriebsgenehmigung geben werde, heißt es jetzt in Unternehmenskreisen.

Um das Projekt wird seit Jahren gestritten. Die Bevölkerung ist gespalten. Hellas Gold ist der wichtigste Arbeitgeber der Region. Die 2400 Beschäftigten und ihre Familien kämpfen deshalb für die Minen. Kritiker des Vorhabens fürchten Umweltschäden durch den Goldabbau und eine Beeinträchtigung des Tourismus. Organisiert werden die Proteste vor allem von örtlichen Funktionären des Tsipras-Linksbündnisses Syriza und der Neo-Nazi-Partei Goldene Morgenröte.

Tsipras persönlich kam als Oppositionsführer zwei Mal in die Region, um die Proteste anzufachen. Die Gegner führen ihren Kampf mit brutalsten Mitteln.

Verwirrung um Zyanid-Einsatz

2013 drangen Maskierte mit Gewehren bewaffnet in die Mine bei Skouries ein, fesselten Wachmänner an Bäume und übergossen sie mit Benzin, setzten dann den Fuhrpark und Gebäude in Brand.

Hellas Gold bestreitet die angeblich katastrophalen ökologischen Folgen. So soll, anders als von den Gegnern behauptet, das gefährliche Zyanid bei der Goldgewinnung gar nicht zum Einsatz kommen. Stattdessen will das Unternehmen eine umweltverträgliche Methode anwenden, das Schwebeschmelzverfahren („Flash Smelting“), bei dem das Gold mit hohen Temperaturen aus dem Gestein herausgeschmolzen wird. Hellas Gold verweist auf 16 Urteile des Staatsrats, des obersten griechischen Verwaltungsgerichts, die dem Unternehmen die Einhaltung aller Umweltauflagen attestieren.

„Eldorado Gold hat bisher rund eine Milliarde US-Dollar in die Entwicklung der Minen bei Skouries und Olympias investiert“, erläutert CEO George Burns dem Handelsblatt. „Wenn alle überfälligen Genehmigungen erteilt würden, könnten wir etwa eine weitere Milliarde investieren, um die Minen in Skouries, Olympias und Perama Hills für 25 Jahre in Produktion zu halten“, so Burns.

Aber die Regierung verschärft den Ton. Verteidigungsminister Panos Kammenos, Chef der rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen, bezichtigte Hellas Gold jetzt des „Betrugs“ und der „Geldwäsche“. Das Unternehmen behalte sich rechtliche Schritte gegen den Minister vor, kündigte Hellas-Gold-Vorstandschef Dimitris Dimitriadis im Sender „Skai“ an.

Unter den Problemen in Griechenland leidet auch die Aktie des Bergbaukonzerns Eldorado Gold aus dem kanadischen Vancouver. Offenbar fürchten die Aktionäre, das Engagement in Hellas könnte sich zu einem Fass ohne Boden entwickeln. Die Papiere verloren in den zurückliegenden zwölf Monaten rund 55 Prozent. Credit Suisse stufte die Aktie in den vergangenen zwei Monaten gleich zwei Mal herunter. Die Aktienanalystin Anita Soni erwartet unter Hinweis auf die Rückschläge in Griechenland auch künftig eine unterdurchschnittliche Kursentwicklung der Eldorado-Aktie.

Eldorado-CEO Burns bekräftigt gegenüber dem Handelsblatt zwar, das Unternehmen stehe zu den Minenprojekten in Olympias und Skouries. „Aber wir können das in Zukunft nicht ohne die Genehmigungen gewährleisten, die immer noch ausstehen“, unterstreicht der Firmenchef. Einen Rückzug aus Griechenland schließt er nicht länger aus: „Eldorado hat eine Verpflichtung gegenüber seinen Aktionären, mit ihrem Kapital besonnen umzugehen. Deshalb überprüfen wir gegenwärtig unsere Investition und unsere Pläne in Griechenland“, sagte Burns dem Handelsblatt.

Tsipras blockt auch bei Flughafen Ellinikon

Das Gold-Projekt ist nicht die einzige ausländische Großinvestition, bei der es in Griechenland hakt. Ein Firmenkonsortium aus China, Abu Dhabi und Griechenland will rund acht Milliarden Euro in die Entwicklung des früheren Athener Flughafengeländes Ellinikon investieren. Seit 15 Jahren liegt das Areal brach. Auch dieses Vorhaben bekämpfte Tsipras als Oppositionschef. Unter dem Druck der internationalen Kreditgeber musste er aber der Privatisierung zustimmen.

Im vergangenen Jahr wurden die Vorverträge unterzeichnet. Doch seither hintertreibt die Regierung das Projekt mit allen Tricks: Erst deklarierte das Kulturministerium das Flughafengelände zur archäologischen Grabungszone, dann wies eine Behörde große Teile des Areals als „Waldgebiet“ aus, um eine Bebauung zu verhindern.

Es geht um weit mehr als diese beiden umstrittenen Vorhaben. „Potentielle Investoren beobachten sehr genau, was mit Ellinikon und Hellas Gold passiert“, sagt ein EU-Diplomat in Athen. „Diese Projekte gelten als Prüfstein, wie die Regierung Tsipras mit ausländischen Investoren umgeht.“

Die 2400 Minen-Beschäftigten kämpfen unterdessen um den Erhalt ihrer bedrohten Arbeitsplätze. Sie planen Proteste und Demonstrationen, wenn Premier Tsipras Anfang September zur Eröffnung der Handelsmesse ins nordgriechische Thessaloniki kommt.

KONTEXT

Das griechische Spar- und Reformprogramm

Tsipras' Plan

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hofft, dass sein Land mit Hilfe eines neuen Spar- und Reformprogramms ab dem Sommer 2018 wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Die Kernelemente.

1. Renten

Das Programm ist - wie die drei vorherigen seit 2010 - eine Mischung aus Sparvorgaben und Privatisierungen. In erster Linie soll der Staatshaushalt von der Unterstützung der defizitären Renten- und Krankenkasse so weit wie möglich befreit werden. Ab dem 1. Januar 2019 sollen demnach die Renten um bis zu 18 Prozent sinken. Mit der neuen Kürzung soll der Staat jährlich rund 2,7 Milliarden Euro sparen. Die Griechen haben nach jüngsten Angaben von Außenminister Nikos Kotzias seit 2010 im Durchschnitt 27 Prozent ihres Einkommens verloren.

2. Steuerfreibetrag

Die zweite harte Sparmaßnahme: Ab dem 1. Januar 2020 soll der bislang geltende jährliche Steuerfreibetrag von 8.636 Euro auf 5.700 gesenkt werden. Athen und die Experten der Gläubiger, die in Griechenland praktisch das Sagen haben, rechnen damit, dass so gut zwei Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse fließen.

3. Privatisierungen

Athen hat sich zudem verpflichtet, Privatisierungen weiter zu beschleunigen. Unter anderem soll der Hafen von Thessaloniki für Jahre verpachtet werden, bei 14 Flughäfen ist das schon geschehen.

4. Primärer Überschuss

Gesamtziel ist ein Primärer Überschuss (ohne laufenden Schuldendienst) im Staatsbudget von 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts in den kommenden fünf Jahren. Mit einem solchen Überschuss könnte Griechenland die Zinsen für seine Kredite zahlen.

Quelle: dpaStand: 19. Mai 2017

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