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Bei Steinhoff brennt es an vielen Ecken

Das Aufräumen beim schwankenden internationalen Möbelriesen Steinhoff hat erst begonnen. Es steht noch nicht einmal fest, wie groß das Chaos ist. Auf einer Präsentation in London konnten sich die anwesenden Gläubigerbanken zwar mithilfe attraktiver Fotos ein Bild machen, welche Konsumketten weltweit zu Steinhoff gehören. Sie bekamen aber nur eine grobe Vorstellung von der wahren Finanzlage.

So heißt es bereits auf einer der ersten Seiten der Präsentation, die von außen geholten Wirtschaftsprüfer müssten zunächst einmal alle Daten sichern und die relevanten Zweigstellen aufsuchen. Wie lange die Überprüfung sämtlicher Zahlen dauern werde, sei noch völlig offen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC ist vom Konzern dazu eingesetzt worden, das gesamte Zahlenwerk neu aufzuarbeiten. Bislang hatte die Gesellschaft Deloitte die Bilanzen geprüft und erstmals für 2016 ihr Testat verweigert.

Die Aktie des im MDax notierten Konsumgüterkonzerns war am 6.Dezember um fast 80 Prozent eingebrochen, nachdem die Geschäftsführung bekannt gegeben hatte, sie könne keine verlässlichen Zahlen über das abgelaufene Jahr präsentieren. Der langjährige Vorstand Markus Jooste verlasse deshalb das Unternehmen. Steinhoff war von Bruno Steinhoff aus Westerstede als kleiner Möbelhandel gegründet worden. Das Unternehmen ging nach einem starken Wachstum in Johannesburg an die Börse.

Seit Dezember 2015 ist es auch in Frankfurt notiert. Bruno Steinhoff ist noch Aufsichtsratsmitglied im Konzern. Steinhoff gab zuletzt einen Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro bekannt, mit 130.000 Beschäftigten in 130 Ländern. In Deutschland ist Steinhoff an Poco zu 50 Prozent beteiligt, in Frankreich an der Möbelkette Conforama. In Südafrika gehören mehrere große Konsumketten zu Steinhoff.

Der Börsengang 2015 war von einer Razzia der Staatsanwaltschaft Oldenburg überschattet. Diese prüft bereits seit zwei Jahren Berge von Akten und mehrere Terabyte an Daten auf mögliche Bilanzmanipulation.

„Über das Ausmaß der Unregelmäßigkeiten kann noch nichts gesagt werden“, heißt es in der Präsentation, die nun am Mittwoch den Banken vorgetragen wurde. Auch könne nicht gesagt werden, wann die Zahlen von 2017 und 2018 vorgelegt werden können. Ebenso wenig sei klar, ob auf die Zahlen der Jahre zuvor Verlass sei.

Niederländische Aufsicht schaltet sich ein

Nur bei den ausstehenden Schulden konnten die Präsentatoren das Volumen nennen: Sie liegen bei 10,7 Milliarden Euro. Davon sind 8,5 Milliarden in Europa aufgenommen, 4,7 Milliarden Euro allein in Österreich. Die Nachrichtenagentur Bloomberg nennt als Gläubigerbanken Citigroup, Bank of America, HSBC und BNP Paribas. Auch die Commerzbank hat Steinhoff mitfinanziert.

Offenbar hatten die Tochterunternehmen des Konzerns bislang keinen Überblick, wie viel Geld in die Kassen kommen wird und wie viel wieder hinausfließt. Die Beratungsgesellschaft Alix Partners will nun ein Schema einführen, nach dem die künftigen Zahlungsströme einheitlich prognostiziert werden können. Dass auf der Ebene der Untergesellschaften so viel Ungewissheit herrscht, sei darauf zurückzuführen, dass diese sich auf Geldzuflüsse aus der Gruppe verlassen müssten. Gemeinsame Kassen (Cash Pools) würden nach der Darstellung häufig aber auch wieder gekündigt, geht aus der Präsentation hervor.

Hinzu komme, dass die Warenkreditversicherer und andere Kreditgeber ihre Linien kürzen. Das ist meist ein ernstes Warnzeichen für den Zustand eines Unternehmens. Das neue Management will nun gegensteuern, die Wirtschaftsprüfer wollen ein Raster für verlässlichere Prognosen einführen. Nachdem Großaktionär Christo Wiese, 76, gehen musste, soll nun auch eine bessere und unabhängige Kontrolle und Überwachung stattfinden.

Am Dienstag hatte Steinhoff auch einen neuen Vorstand bekanntgegeben: Der langjährige Chef des operativen Geschäfts, Danie van der Merwe, 59, soll nun vorerst das Unternehmen leiten. Van der Merwe gilt als Vertrauter Joostes, nicht aber als Ideengeber. Er hat vor allem das Tagesgeschäft gemanagt und kennt sich damit in dem verschachtelten Konzern bestens aus.

Unangenehm wird es nun möglicherweise auch für die Wirtschaftsprüfer von Deloitte, die die Zahlen geprüft haben. Die niederländische Finanzaufsicht hat angekündigt, sie wolle nun untersuchen, ob Deloitte korrekt gearbeitet hat. Deloitte hatte Steinhoff für das Geschäftsjahr 2015/2016 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk gegeben.