Spannungskino von der Ulknudel: Michael Herbig betritt mit 'Ballon' Neuland

Michael Herbigs “Ballon” – mit dem Film geht er neue Wege. (Bild: StudioCanal Germany)
Michael Herbigs “Ballon” – mit dem Film geht er neue Wege. (Bild: StudioCanal Germany)

Michael Herbig schreibt mit der Comedy-Show “Bullyparade” Fernseh- und mit Blockbustern wie “Der Schuh des Manitu” Kinogeschichte. Die Erfolge mit der Kultsendung und ihren zahlreichen Leinwandablegern versperren ihm aber auch den Weg als Filmregisseur, der er immer werden wollte. Denn das Bully-Image haftet noch heute an ihm. Nun könnte Herbig mit seiner neuen Regiearbeit der Befreiungsschlag gelingen. Der Thriller “Ballon” handelt von der wohl spektakulärsten Flucht aus der ehemaligen DDR.

Wer sich Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre den einen oder anderen Sketch der Comedy-Sendung “Bullyparade” anschaute, dem war vielleicht auch hin und wieder folgender Gedanke gekommen: Da saß doch sicher einer auf dem Regiestuhl, der mehr will und kann, als kurze Pointen-Filmchen für ein TV-Comedy-Format drehen. Der Verdacht war berechtigt, denn so mancher Einfall in “Bullyparade” war filmisch durchaus ambitioniert umgesetzt. Einige von ihnen drehte immerhin der geistige Schöpfer der Sendung persönlich: Michael Herbig. Jener Michael Herbig also, der später nicht nur erfolgreicher Schauspieler werden, sondern sich auch als Regisseur profilieren sollte.

Tatsächlich wollte Herbig eigentlich schon immer Filmregisseur werden. Schuld daran ist kein geringerer als Alfred Hitchcock. Mit zehn Jahren sieht Herbig dessen Klassiker “Psycho” und weiß schon damals: Statt Schauspieler, so sein ursprünglicher Berufswunsch, will er lieber Regisseur werden. Bis es allerdings soweit ist, geht er so manchen Umweg. An der Filmhochschule in München wird er nicht angenommen. Daraufhin macht er eine Ausbildung als Fotograf, landet irgendwann beim Radio und schließlich beim Fernsehen. Der Bully, der bald zu einem der populärsten Komiker Deutschlands aufsteigt, ist also ein zunächst verhinderter, dann aufgeschobener Filmregisseur.

Michael Herbig am “Ballon”-Set mit seinen Hauptdarstellern Alicia von Rittberg, David Kross, Karoline Schuch und Friedrich Mücke. (Bild: StudioCanal Germany)
Michael Herbig am “Ballon”-Set mit seinen Hauptdarstellern Alicia von Rittberg, David Kross, Karoline Schuch und Friedrich Mücke. (Bild: StudioCanal Germany)

Ein Clown auf dem Regiestuhl

Das Aufschieben des großen Traums findet selbst dann noch statt, als Herbig den Beruf eines Regisseurs schon längst ausübt. Denn das Image des Spaßmachers aus der “Bullyparade” wird er nicht so schnell los. Mit seinen ersten Regiearbeiten bewegt er sich filmästhetisch noch auf gewohntem Terrain. Sein Spielfilm-Debüt “Erkan & Stefan” ist eher ein Leinwand-Vehikel für das in den 1990er Jahren erfolgreiche gleichnamige Komiker-Duo. Die Mega-Blockbuster “Der Schuh des Manitu” und “Traumschiff Surprise – Periode 1” sind kaum mehr als die Summe ihrer zahlreichen Sketche, die allenfalls von einer dünnen Handlung gekittet werden. Und “Bullyparade – Der Film” ist im Grunde eine Aneinanderreihung von fünf überlangen Sketchen.

So erfolgreich Herbig mit diesen und weiteren Regiearbeiten ist, als echten Regisseur will man ihn lange nicht wahrnehmen. Er bleibt der begnadete Komiker, der nebenbei komische Filme dreht. Doch er nutzt jede Chance, sein Klamauk-Image loszuwerden. Als Schauspieler sieht man ihn immer seltener als Parodisten, dafür immer häufiger in ernsten Rollen. Mit dem von ihm verehrten Helmut Dietl dreht er die Satire “Zettl” und in Leander Haußmanns “Hotel Lux” spielt er einen Komiker, der erst von den Nazis, dann von den Sowjets aufgerieben wird. Auch als Regisseur betritt er bald Neuland, indem er auch Filme dreht, die sich nicht auf Klamauk und Verballhornung von Vorbildern beschränken. Der Kinderfilm “Wickie und die starken Männer” markiert insofern einen Meilenstein in seiner Laufbahn als Regisseur.

Endgültiger Durchbruch mit “Ballon”?

Die eigentliche Feuertaufe dürfte Herbig allerdings mit seiner aktuellen Regiearbeit noch bevorstehen. Die heißt “Ballon” und erzählt eine wahre Geschichte mit den Mitteln des Spannungskinos. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist die wohl spektakulärste Flucht aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland. Gelungen war sie den beiden Familien Strelzyk und Wetzel, die sich 1979 mit einem selbstgebastelten Heißluftballon von Thüringen gen Westen aufmachten. In Bayern landeten die Geflüchteten schließlich, wo sie herzlich aufgenommen wurden.

Szene aus “Ballon”: David Kross in der Rolle Günter Wetzels, dem 1979 die Flucht aus der DDR gelingt. (Bild: StudioCanal Germany)
Szene aus “Ballon”: David Kross in der Rolle Günter Wetzels, dem 1979 die Flucht aus der DDR gelingt. (Bild: StudioCanal Germany)

Die spektakuläre Aktion erregt seinerzeit so viel Aufmerksamkeit, dass sie bald sogar als Filmstoff in Hollywood landet. Keine zwei Jahre später lässt Disney die Geschichte von Delbert Mann (“Marty”) mit John Hurt und Beau Bridges in den Hauptrollen verfilmen. “Mit dem Wind nach Westen” ist ein spannendes Abenteuerdrama, das den politischen Hintergrund jedoch weitgehend ausspart. Inwieweit Herbigs Neuverfilmung das Sozialpolitische akzentuiert, bleibt abzuwarten. Immerhin hat er mit “Ballon” einen Thriller gedreht. Das Genre legt bekanntlich den Fokus auf die Widerstände, mit denen ein oder die Protagonisten konfrontiert werden. In “Ballon” könnte sich dies darin äußern, dass Regie und Drehbuch die Stasi und ihre Agenten stärker in die Erzählung einbinden. Der kürzlich veröffentlichte Trailer lässt den Konflikt schon mal erkennen.

Abzuwarten gilt vor allem auch, ob Herbig mit “Ballon” der endgültige Durchbruch als Regisseur gelingen wird. Denn machen wir uns nichts vor: Das Bully-Image ist er trotz “Wickie” und trotz der Wohlfühl-Komödie “Buddy” noch immer nicht los. “Für mich wäre es ein Traum, wenn Leute von mir einen Thriller akzeptieren würden”, sagte Herbig in einem Interview mit der Zeit. Ab dem 27. September 2018 werden er und wir Gewissheit haben, denn dann startet “Ballon” in den deutschen Kinos.