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Solide Wirkstoffe fürs Depot

Der Schweizer Pharma-Gigant Roche hat seinen Aktionären in den vergangenen beiden Jahren keine Freude bereitet: Die Aktie hat entgegen dem allgemein positiven Trend an Wert verloren, war nach einer kurzen Erholung in der ersten Hälfte dieses Jahres zuletzt wieder rund 20 Prozent in den Keller gerauscht. Nun allerdings ist der Titel so billig, dass Profis wieder zugreifen – zumal sie immerhin mit regelmäßigen Gewinnausschüttungen rechnen können. „Die Aktie bietet eine ordentliche und kontinuierliche Dividendenausschüttung und war von der Bewertung her selten so günstig zu haben“, sagt Thomas Retzlaff vom Hallertauer Vermögensmanagement.

Der Vermögensverwalter nimmt am Depot Contest des Onlinebrokers DAB BNP Paribas teil, über den das Handelsblatt regelmäßig berichtet. Er hält die Roche-Aktie seit Ende Oktober im Musterdepot. Vermögensverwalter Retzlaff setzt bei Roche auf eine Kurserholung nach dem Ausverkauf. Langfristig überzeugt ihn vor allem die Fähigkeit des Unternehmen, ohne allzu große Schwankungen solide Erträge zu erwirtschaften: „Roche hat eine Top-Produktpipeline. Das Unternehmen ist Weltmarktführer in der Onkologie. Das dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten kaum ändern.“

Viele Anlageprofis nehmen Pharma-Werte derzeit verstärkt ins Visier. Das Kalkül dahinter: Wichtige Märkte wie USA und China haben ein weit fortgeschrittenes Stadium des Konjunkturzyklus erreicht, die Sorge vor einem verlangsamten Wachstum der Weltwirtschaft wächst. Defensive Titel, deren Geschäft wenig mit der Konjunktur schwankt, können in dieser Phase profitieren, weil Geschäft und Aktienkurs bei einer gesamtwirtschaftlichen Abkühlung nicht so stark leiden wie andere Branchen.

Darunter fallen neben der Pharma-Industrie traditionell vor allem Unternehmen der Nahrungsmittelbranche, auch Energieversorger und Telekommunikationsfirmen gelten als defensive Sektoren. Es gilt das Motto: Essen, heizen und telefonieren werden die Menschen immer. Und an der Gesundheit sparen sie zuletzt. Gleichzeitig sind Unternehmen solcher Branchen an der Börse häufig moderat bewertet. Das liegt daran, dass ihre Umsätze und Gewinne eben auch nicht in den Himmel wachsen.

Nur: Wer künftig das Geschäft mit Umsatz-Garanten wie Lebensmitteln und Medikamenten machen wird, ist nicht mehr so leicht auszumachen wie früher. Auch hier ist die Digitalisierung zu spüren. Die ehemals soliden Einzelhändler stehen unter erheblichem Druck der Online-Konkurrenz, Telekommunikationsfirmen sehen sich im Wettbewerb mit vielen neuen Wettbewerbern, die die Digitalisierung für sich nutzen. Die Energieversorger fechten vor allem in Deutschland ihren ganz eigenen Kampf mit der Energiewende aus. „In vielen Branchen dreht sich das Rad schneller, Unternehmen müssen Geschäftsmodelle modifizieren oder neu ausrichten“, sagt Vermögensverwalter Retzlaff.


Pharmabranche ist bislang von Digitalisierung recht wenig betroffen

Aus Sicht von Vermögensverwaltern funktioniert es deshalb nicht mehr so einfach, vor der Konjunkturdelle von Zyklikern in defensive Branchen zu rotieren. Die Pharma-Industrie ist von der Digitalisierung bislang noch weniger betroffen als andere Branchen, daher erfüllt sie die Attribute defensiver Titel noch am ehesten. Auch hier selektieren die Geldprofis allerdings und investieren nicht breit in die ganze Branche: „Wir investieren ausschließlich in Qualitätsaktien“, sagt Nils Petersen von der Top Vermögensverwaltung aus Itzehoe in Schleswig-Holstein. Für ihn müssen Pharma-Werte einerseits eine gute Marktposition haben und damit einem wachsenden Preisdruck standhalten können. Andererseits sollten sie genügend Innovationskraft aufbringen, um innovative Blockbuster-Produkte entwickeln zu können.

Vermögensverwalter Petersen hält in seinem Musterdepot die Pharma-Werte Bayer und Novartis. Der Leverkusener Konzern hatte jüngst bekräftigt, trotz der viel Kapital bindenden Monsanto-Übernahme weiterhin stark in Pharma zu investieren. Die Schweizer Novartis überzeugt mit solider Dividendenrendite und einem breiten Produktangebot. Bei anderen Sektoren schaut der Anlageprofi genau hin, inwiefern sich einzelne Unternehmen künftig mit ihrem Geschäft behaupten können: „Man braucht jetzt ein Portfolio aus Qualitätsaktien, die von disruptiven Veränderungen profitieren und stressfest gegen allzu hohe Volatilität an der Börse sind“, sagt Petersen. Auch in anderen klassisch defensiven Sektoren findet der Geldprofi Aktien, von denen er konstante Erträge im sich wandelnden Umfeld erwartet: Im Musterdepot hält der Aktien von Telekommunikationstiteln wie Vodafone und Telefonica sowie Coca Cola aus dem Nahrungsmittelsektor.

Analysten zählen neuerdings auch die Anführer der digitalen Revolution wie Amazon und Facebook zu defensiven Titeln. Dank wachsender Käufer- und Nutzerzahlen und der fortschreitenden Monetarisierung ihrer Daten verbuchen sie längst wachsende Erträge – und müssen auf absehbare Zeit kaum Konkurrenz fürchten. „Bis diese Unternehmen aufgrund Ihrer monopolartigen Stellung zerschlagen werden, dürften sie ihre Gewinne weiter ausbauen“, sagt Bert-Ardo Spelter von der Kölner Vermögensverwaltung ICFB, der ebenfalls am Depot Contest teilnimmt. „Damit dürfte langfristig der positive Kurstrend erhalten bleiben.“ Allein die starken Kursschwankungen der Titel passen nicht recht zum Charakter einer defensiven Aktie. Für Spelter ist das aber kein Hinderungsgrund, die Titel in seinem Musterdepot zu halten. Im Gegenteil: „Temporäre Kursrückschläge bieten vor allem eine Gelegenheit, unsere Positionen auszubauen.“