So hat Hollywood das Thema Terror seit 9/11 verarbeitet

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Vor etwas mehr als 15 Jahren haben die Terroranschläge in New York und Washington, DC nicht nur das Selbst- und Weltbild der Vereinigten Staaten nachhaltig erschüttert. Die Folgen des Angriffs auf die Lebensweise und die Werte der westlichen Welt sind bis heute weltweit zu spüren. Auch die kulturelle Öffentlichkeit, die schreibenden und bildenden Künstler haben das wohl schrecklichste Ereignis des 21. Jahrhunderts verarbeitet, es zu deuten und zu erklären versucht.

Natürlich hat auch Hollywood seinen Beitrag zur Auseinandersetzungen mit dem bis dahin Undenkbaren geleistet. Dabei befindet sich die Traumfabrik zunächst - und verständlicherweise - in einer lähmenden Schockstarre. Aus Respekt vor den tragischen Ereignissen und Empathie für die Opfer und deren Hinterbliebenen geht die US-Filmbranche dem Thema “Terror” aus dem Weg. Bereits fertiggestellte Filme, die auch nur im Entferntesten an die Ereignisse von 9/11 erinnern, werden verschoben. Geplante Kino- und Fernsehprojekte werden fallengelassen, abgebrochen oder auf sensiblere Weise behandelt.

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Erste Reaktion Hollywoods: Bloß nicht anecken

“Collateral Damage” zum Beispiel wäre ohne die Tragödie als weiteres Action-Vehikel für Arnold Schwarzenegger angesehen worden. Doch nun kann Warner Bros. den Film über einen Feuerwehrmann, der bei einem Terroranschlag seine Familie verliert, weder am 5. Oktober 2001 ins Kino bringen noch für die 80 Millionen teure Produktion Werbung machen. Auch die Vermarktung von Sam Raimis “Spider-Man” gerät ins Visier der Produzenten. Im Trailer zur Comicverfilmung sieht man ein Spinnennetz zwischen den beiden Zwillingstürmen aufgespannt. Nach 9/11 kann und will man das nicht mehr zeigen.

Ähnlich wird mit vielen anderen Kino- und Serienproduktionen umgegangen. Disney verschiebt Barry Sonnenfelds harmlose Komödie “Jede Menge Ärger”, in der eine Atomwaffe in einem Flugzeug mitfliegt. Paramount Pictures verlegt “Seitensprünge in New York”, weil man den Amerikanern eine Romanze mit woody-allen'schem Blick auf ihre Hauptstadt nicht zumuten will. Fox Network verschiebt die Premiere seiner Serie “24 - Twenty Four”, in der es vornehmlich um den Krieg zwischen US-Behörden gegen Terroristen geht. Außerdem streicht der Fernsehsender die Ausstrahlung von Roland Emmerichs “Independence Day”. Einen Angriff auf die Menschheit durch Außerirdische kann man schließlich nicht schauen, ohne an 9/11 zu denken.

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Erste Versuche der Traumabewältigung

Lange kann die US-Unterhaltungsindustrie die Taktik des Wegschauens und Außerachtlassens jedoch nicht aufrechterhalten. Nach und nach beginnen Kino- und Fernsehschaffende, das Trauma zu verarbeiten. Anderthalb Jahre nach den Anschlägen kommt mit “The Guys” der erste Film in die Kinos, der die Tragödie explizit zum Thema hat. Die Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Anne Nelson handelt von einer Journalistin, die im Rahmen ihrer Recherchen zu 9/11 einem Feuerwehrmann begegnet, der beim Einsatz im World Trade Center viele seiner Kollegen verloren hat.

Der Respekt gegenüber den Ereignissen zeigt sich meist auch in der formalen Anlage der jeweiligen Filme. Studios und Filmemacher entscheiden sich lieber für eine konventionelle Herangehensweise an den Stoff, als mit experimentellen Wagnissen davon abzulenken. Oliver Stone, sonst bekannt für seine systemkritischen Filme, nimmt in seinem emotionalen, ganz und gar unpolitischen Drama “World Trade Center” den Einsatz zweier Polizisten in den Türmen und deren Angehörige in den Blick. Im gleichen Jahr erscheint mit “Flug 93” das bis dahin wohl ambitionierteste Werk über den 11. September. Darin schildert der britische Regisseur Paul Greengrass minutiös die Ereignisse an Bord des United-Airline-Fluges 93, dessen Maschine nach einer Revolte der Passagiere in Pennsylvania abstürzt. Der Stoff wird auch in einem Fernsehfilm (“Flight 93 - Todesflug am 11. September”) und einer Dokumentation (“Flug 93 - Die Dokumentation”) behandelt.

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9/11 und seine weitreichenden Folgen

Angesichts der Dimension und der Tragweite von 9/11 ist es doch erstaunlich, dass Hollywood recht zurückhaltend im Umgang mit der Katastrophe ist. Nicht selten aber bilden die Terroranschläge die Folie für diverse Themenschwerpunkte - bevorzugt zwischenmenschlicher Art. Die Oscar-gekrönte Literaturverfilmung “Extrem laut und unglaublich nah” lotet die Gefühle eines unter Asperger leidenden Jungen aus, dessen Vater bei den Terroranschlägen ums legen kam. “Remember Me - Lebe den Augenblick” mit Robert Pattinson handelt vom konfliktreichen Vater-Sohn-Verhältnis - mit einem tragischem Ende: Der Sohn befindet sich am Tag der Terroranschläge in einem der Zwillingstürme.

Schließlich hat es in den vergangenen Jahren eine Reihe von Filmen gegeben, die sich zwar nicht direkt mit dem 11. September befassen, sich aber am Diskurs über die Anschläge und deren politischen und gesellschaftlichen Folgen beteiligen. Vor allem der strafrechtliche Umgang mit tatsächlichen oder mutmaßlichen Terroristen bildet einen Schwerpunkt. Der zu unrecht übersehene Thriller “Unthinkable” etwa fragt danach, wie weit man beim Verhör eines Terroristen gehen darf, wenn dieser mit weiteren Anschlägen droht.

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Krieg gegen den Terror

Die moralische Frage, inwieweit Folter im Kampf für Wahrheit und Sicherheit gerechtfertigt ist, verhandeln auch das Drama “Machtlos” mit Jake Gyllenhaal und Meryl Streep sowie Kathryn Bigelows “Zero Dark Thirty”. Letzterer Film steht auch für eine Reihe von Werken über Ereignisse, die ebenfalls im 11. September ihre Wurzeln haben: Filme über die Kriege der USA in Irak und Afghanistan. Hierzu zählen unter anderem “Tödliches Kommando - The Hurt Locker”, “Im Tal von Elah”, “Green Zone”, “Von Löwen und Lämmern” und “Lone Survivor”.

(Bilder: 1. “Unthinkable”, Quelle: Universum Film; 2. “Spider-Man, Quelle: Sony Pictures; 3. “World Trade Center”, Quelle: Paramount; 4: “Extrem laut und unglaublich nah“, Quelle: Warner Home Video; 5: “Zero Dark Thirty”, Quelle: Universal)