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Gabriel muss Job als Außenminister aufgeben – auch Hendricks ist raus

Er hatte Gefallen an seiner Aufgabe gefunden – und muss sein Büro im Außenministerium doch räumen. „Andrea Nahles und Olaf Scholz haben mich heute darüber unterrichtet, dass ich der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören werde“, teilte Sigmar Gabriel in einer persönlichen Erklärung mit.

Er selbst dürfte sich auch nur noch vage Hoffnungen auf einen Ministerposten gemacht haben, gilt sein Verhältnis zur designierten Parteichefin Andrea Nahles doch als belastet. Nahles hatte als SPD-Generalsekretärin immer wieder unter der Sprunghaftigkeit ihres Parteivorsitzenden Gabriel zu leiden.

Gabriel war in der letzten großen Koalition zunächst Wirtschaftsminister, Anfang 2017 übernahm er das Amt des Außenministers. Seitdem brachte er es zu großer Beliebtheit. Auch gelangen ihm einige Erfolge, wie etwa die Befreiung des deutschen Journalisten Deniz Yüzel aus türkischer Untersuchungshaft.

Dennoch hatte Gabriel zuletzt immer mehr an Rückhalt in der SPD verloren. Im Bundestagswahlkampf machte er dem Kanzlerkandidaten Martin Schulz das Leben durch seine Alleingänge schwer. Kein gutes Verhältnis pflegte Gabriel auch zum künftigen Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz, den Gabriel als SPD-Chef etwa bei der Erstellung eines Rentenkonzepts überging, obwohl Scholz damals im Parteivorstand für Rentenpolitik verantwortlich war.

Sowohl Scholz wie Nahles konnten sich daher kaum vorstellen, wie eine reibungslose Zusammenarbeit mit Gabriel innerhalb der künftigen Bundesregierung möglich sein soll.

Als Gabriel dann kürzlich auch noch seine Tochter Marie instrumentalisierte, um über Martin Schulz herzuziehen („Mann mit Haaren im Gesicht“) war für viele in der SPD die Schmerzgrenze endgültig überschritten. Daran konnte auch Gabriels nachträgliche Entschuldigung nichts mehr ändern.

„In meiner knapp 30 jährigen politischen Laufbahn hatte ich die Möglichkeit 18 Jahre für mein Land und für die SPD in leitenden Funktionen zu arbeiten“, erklärte Gabriel. „Es war eine spannende und ereignisreiche Zeit, die mir große Chancen und Erfahrungen eröffnet hat, die weit über das hinaus gingen, was ich mir als junger Mensch zu träumen gewagt hätte. Das war eine große Ehre, für die ich tiefe Dankbarkeit empfinde.“

Er sei nach wie vor direkt gewählter Abgeordneter des Deutschen Bundestages, „aber nun endet die Zeit, in der ich politische Führungsaufgaben für die SPD wahrgenommen habe“, teilte der Noch-Außenminister weiter mit. Gabriel als einfachen Bundestagsabgeordneten können sich in der SPD allerdings wenige vorstellen. Bereits in den vergangenen Monaten wurde Gabriel immer wieder mit Jobs in der Wirtschaft in Verbindung gebracht.

Nach Einschätzung des Bremer Politikwissenschaftlers Lothar Probst dürfte die Nicht-Nominierung Gabriels neue Unruhe in die SPD bringen. „Gabriel hat in seiner Partei und in der Bevölkerung, trotz seiner Sprunghaftigkeit, immer noch viele Befürworter und Unterstützer – zumal er als Außenminister deutlich an Profil gewonnen hat“, sagte Probst dem Handelsblatt. Die würden sicherlich mit der Entscheidung nicht zufrieden sein.

„Möglicherweise gehen noch mehr Leute im Umfeld der SPD in die innere Emigration und wenden sich von der Partei ab.“ Die Umfragewerte für die SPD würden dadurch jedenfalls bestimmt nicht besser werden. „Wie man es besser machen kann, hat Angela Merkel bei ihrer Zusammenstellung der CDU-Kabinettsmitglieder vorgemacht“, fügte Probst hinzu.

Auch Insa-Chef Hermann Binkert sieht Nachteile für die SPD nach der Entscheidung der Parteispitze gegen eine weitere Amtszeit Gabriels. „Die große Mehrheit der Deutschen und drei von vier SPD-Wählern wollten, dass Sigmar Gabriel Außenminister bleibt“, sagte der Chef des Meinungsforschungsinstituts dem Handelsblatt. „Das Ausscheiden von Gabriel aus dem Bundeskabinett wird deshalb überwiegend auf Bedauern stoßen.“

Interessant war, dass Gabriel in seiner Erklärung „meinem Nachfolger“ alles Gute wünschte. Die maskuline Formulierung könnte ein Hinweis darauf sein, dass Gabriels Nachfolger ein Mann wird. Gehandelt als künftige Außenminister werden unter anderem Heiko Maas und Thomas Oppermann. Aber auch Katarina Barley wird immer wieder genannt.


Bürgermeisterin von Neukölln ins Kabinett?

Offiziell will die Partei am Freitagvormittag ihre Kandidaten für die sechs Kabinettsposten benennen. Offenbar wollen die Genossen mit teils überraschenden Besetzungen frischen Wind in die Regierung bringen.

So soll die Bürgermeisterin des Berliner Problembezirks Neukölln, Franziska Giffey (39), nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auf Wunsch der fünf ostdeutschen Landesverbände Bundesministerin werden. Darauf sollen sich die SPD-Verbände geeinigt haben.. Die SPD hatte zuvor klar gemacht, dass einer der ihr zustehenden Ministerposten unbedingt mit einer Person aus Ostdeutschland besetzt werden soll.

Giffey, geboren in Frankfurt/Oder, ist Verwaltungsexpertin. Wie es hieß, kommt sie für das Schlüsselressort Arbeit und Soziales oder das Familienministerium in Betracht.

Die ostdeutschen SPD-Verbände pochen auf eine starke Repräsentation im Kabinett, um den Niedergang aufzuhalten. Nur 14,3 Prozent errang die SPD in den ostdeutschen Ländern bei der Bundestagswahl – die AfD 22,5 Prozent. Die Frage, ob sie Ministerin wird, könne sie „nicht beantworten“, sagte Giffey selbst zu den sich abzeichnenden Personalentscheidungen bei der SPD.

Neukölln ist mit mehr als 300.000 Einwohnern einer der bekanntesten Problembezirke Deutschlands. Das jährliche Haushaltsvolumen liegt bei gut 900 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Jahresetat des Arbeits- und Sozialministeriums im Bund beträgt rund 130 Milliarden Euro.

Die Sprecherin der designierten SPD-Chefin Andrea Nahles betonte: „Es sind noch keine finalen Entscheidungen gefallen.“ Die Personalie Giffey wurde aber von der SPD-Spitze nicht dementiert.

In einem Mitgliederentscheid hatten sich 66,02 Prozent trotz vieler Bedenken für eine erneute große Koalition ausgesprochen, auch weil die SPD trotz des Wahldebakels mit 20,5 Prozent viel gegenüber der Union durchsetzen konnte. Zudem wird bei Umfragewerten von 16 bis 19 Prozent bei einer Neuwahl ein Überholen durch die AfD gefürchtet.

Das Kabinettspuzzle der Sozialdemokraten ist kompliziert: Drei Männer und drei Frauen, ein Posten zwingend für den größten Landesverband Nordrhein-Westfalen, der aber wenige geeignete Kandidaten aufzuweisen hat. Zumal die bisherige Umweltministerin Barbara Hendricks, die aus NRW kommt, nicht auf ihrem Posten bleiben wird. „Ich werde der neuen Bundesregierung nicht angehören“, sagte Hendricks der „Rheinischen Post“.

Sie sei „dankbar“, dass sie die letzten vier Jahre als Bundesumwelt- und Bauministerin dem Land, seinen Menschen und ihrer Partei habe dienen dürfen. „Ich gehe mit einem guten Gefühl aus diesem Amt, weil ich glaube, dass ich dazu beitragen konnte, Positives für unser Land und für die Umwelt bewegt zu haben“, sagte Hendricks.

Im Außenministerium könnte der bisherige Justizminister Heiko Maas Amtsinhaber Sigmar Gabriel ablösen. Als Vizekanzler und Finanzminister gesetzt ist Hamburgs bisheriger Regierungschef Olaf Scholz. Dessen erste Reise könnte ihn am 16. März zum G20-Finanzministertreffen nach Buenos Aires führen.

Die bisherige Familienministerin Katarina Barley könnte anstelle von Maas Justizministerin werden. Giffey wird für das Amt der Arbeits- und Sozialministerin gehandelt, oder für das Familienressort. Zuletzt hakte es besonders zwischen NRW und Niedersachsen um die Besetzung des Ministerpostens im Umweltministerium. Als Favorit galt bislang der Umwelt- und Atomexperte Matthias Miersch aus Niedersachsen.

Er gehört zum linken Flügel und ist Vizechef der Bundestagsfraktion. Kein Bundesland ist bisher so von den atomaren Altlasten betroffen wie Niedersachsen mit dem völlig maroden Lager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll, der Asse, und dem lange als Endlager geplanten Gorleben. Die geplante neue Suche wird eine Herausforderung – da kein Bundesland gerne den Niedersachsen den Müll abnehmen will.

Eine mögliche Kandidatin für das Umweltressort war aber auch die nordrhein-westfälische SPD-Generalsekretärin Svenja Schulze. Ihr Name ist verbunden mit der Atomkugel-Posse – mit einem Kommunikationsdebakel um vermeintlich verschwundene Brennelemente-Kugeln im Versuchsreaktor Jülich provozierte die damalige NRW-Wissenschaftsministerin sogar einen Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag. Alternativ war sie auch für das Familienressort im Gespräch, Außenseiterchancen wurden Ex-NRW-Familienministerin Christina Kampmann eingeräumt.

Bei der Variante mit Schulze als neuer Bundesumweltministerin galt Miersch, ein Volljurist, auch als Kandidat für das Justizressort. Dann könnten Giffey oder Barley das Familien- oder das Arbeitsressort übernehmen, hieß es. Ausgeschieden aus dem Rennen ist die Berliner Bundestagsabgeordnete Eva Högl, die lange als eine Kandidatin galt.