Scholz und Lindner planen 20-Milliarden-Sparpaket - fordern Grüne heraus

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Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner feilen an einem Plan, um eine Lücke von 20 Milliarden Euro im Haushalt 2024 durch Ausgabenkürzungen in allen Ressorts mit Ausnahme des Verteidigungsbereichs zu schließen - zum Ärger der Grünen.

Scholz und Lindner haben sich auf Ausgabenkürzungen in Höhe von 2% bis 3% für fast alle Ministerien geeinigt, berichten Personen, die mit den Plänen vertraut sind aber nicht namentlich genannt werden wollen. Das reicht aus, um etwa die Hälfte der geforderten Einsparungen zu erreichen, aber es ist noch offen, wie der Rest des Geldes aufgebracht werden soll.

FDP-Chef Lindner will Kürzungen auch bei den Sozialausgaben, weil nur so ein solider Haushalt zu erreichen sei, heißt es. Die Sozialdemokraten wollen einen solchen Schritt vermeiden und insbesondere Leistungen für armutsgefährdete Kinder ausnehmen.

Ein Sprecher des Finanzministeriums lehnte eine Stellungnahme ab und sagte nur, dass die Haushaltsverhandlungen noch andauern.

Wie auch immer sie sich entscheiden: Es wird zu Problemen mit den Grünen führen, dem dritten Koalitionspartner. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat stattdessen höhere Steuern gefordert, um die Lücke zu schließen, insbesondere für Besserverdiener.

Auf die Frage nach den geplanten Kürzungen zur Schließung der Haushaltslücke von 20 Milliarden Euro sagte Habeck am Dienstag vor Journalisten in Berlin, er könne die Zahl “als zugeworfene Größenordnung bestätigen.”

Es handele sich dabei um eine grobe Orientierungsgröße, die tatsächliche Haushaltslücke liege wahrscheinlich irgendwo zwischen 18 und 22 Milliarden Euro.

“Natürlich kann man überall kürzen, aber es gibt auch überall große Bedarfe, gerade im Bereich der Dekarbonisierung und Digitalisierung”, ergänzte Habeck.

Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, wandte ein, es gebe Alternativen zu einer “einseitigen Sparpolitik”, die die wirtschaftliche Erholung in Frage stellen und den sozialen sowie demokratischen Zusammenhalt gefährden würde. “Wir erwarten vom Finanzminister, einen im Kabinett einigungsfähigen Entwurf vorzulegen”, so Kindler weiter.

Anspielungen auf Steuererhöhungen dürften Lindner kaum überzeugen. Außerdem hat Habeck in den vergangenen Wochen innerhalb der Koalition an Einfluss verloren, nachdem er ein rigoroses Gesetz zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes von Hausheizungen verabschiedet hat und sein Staatssekretär Patrick Graichen wegen Nepotismus-Vorwürfen zurücktreten musste.

Die drei Koalitionäre haben bis zur ersten Juliwoche Zeit, ihre Vorschläge zu veröffentlichen, damit das Parlament über den Sommer genügend Zeit hat, sie zu prüfen, bevor im September das endgültige Gesetz verabschiedet wird.

Eine möglicher Kompromiss wäre die Kürzung von Ausgaben, die den Klimazielen der Regierung zuwiderlaufen, wie zum Beispiel die Subventionierung bestimmter Arten von Dieselkraftstoff, sagte eine der Personen. Das ist eine Idee, die die Grünen seit langem fordern, aber die FDP möchte hier zu große Einschnitte vermeiden.

Die Kürzung der Subventionen für fossile Brennstoffe könnte ein paar Milliarden Euro einsparen, aber immer noch nicht genug, um der Koalition schwierige Entscheidungen zu ersparen.

Keine Einschnitte bei Bundeswehr

Lindner und Scholz sind sich einig, dass das Verteidigungsressort von den Kürzungen ausgenommen wird. Berlin hat seinen Partnern und der Nato zugesagt, die Militärausgaben zu erhöhen und die Unterstützung für den Kampf der Ukraine gegen die russische Invasion aufrechtzuerhalten.

Der SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius hat eine Aufstockung des 50-Milliarden-Euro-Verteidigungshaushalts um 10 Milliarden Euro gefordert, wird sich aber nach Angaben von Regierungsvertretern im Jahr 2024 wohl mit 2 bis 3 Milliarden Euro begnügen müssen.

Um das NATO-Ziel zu erreichen, 2% des BIP für die Verteidigung auszugeben, bräuchte Deutschland nach Ausschöpfung des Sondervermögens in Höhe von 100 Milliarden Euro weitere 20 Milliarden. Scholz hatte den Nebenhaushalt kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ins Leben gerufen.

Die Haushaltslage in Deutschland wird im nächsten Jahr angespannter sein, weil ein weitaus größerer Teil der Ausgaben auf Zinszahlungen entfallen wird. Die Bundesregierung wird 2024 voraussichtlich mehr als 40 Milliarden Euro für den Schuldendienst ausgeben, verglichen mit 4 Milliarden Euro im Jahr 2021.

Alle drei Koalitionspartner haben sich aber darauf geeinigt, dass die Bundesregierung im Jahr 2024 die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wieder einhalten wird. Sie war drei Jahre lang ausgesetzt, um die Folgen der Pandemie und der durch die russische Invasion ausgelösten Energiekrise finanziell abzufedern.

Der Mechanismus der Schuldenbremse begrenzt das jährliche Defizit des Bundes auf 0,35% des Bruttoinlandsprodukts, es gibt aber eine Ausnahmeklausel für Notzeiten.

Überschrift des Artikels im Original:Scholz Plots €20 Billion of German Budget Cuts in Snub to Greens

--Mit Hilfe von Petra Sorge.

(Ergänzt um Habeck-Zitat im sechsten Absatz)

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