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Das steckt hinter dem Tränen-Drama der Biathlon-WM

Das steckt hinter dem Tränen-Drama der Biathlon-WM

Es war ein letzter Aufreger bei der Biathlon-WM in Pokljuka.

Nachdem sich der Franzose Émilien Jacquelin vor gut einer Woche zum Verfolgungs-Weltmeister krönen konnte, unterlief ihm im abschließenden Massenstart ein böses Missgeschick. Beim zweiten Schießen traf der 25-Jährige nicht eine einzige Scheibe, musste fünfmal in die Strafrunde und fiel an das Ende des Feldes zurück.

Doch nicht etwa die Schießleistung sorgte für Aufsehen, sondern das Verhalten des Franzosen wenig später. Weil er von der Situation derart gefrustet zu sein schien, wollte er nicht einmal mehr ins Ziel laufen und das Rennen vorzeitig beenden. Erst nach Diskussionen mit seinem Betreuerstab trottete der merklich gefrustete Jacquelin unter Tränen und mit mehr als sieben Minuten Rückstand über die Ziellinie.

ZDF-Experte Sven Fischer meinte, zu Ende zu laufen sei "Ehrensache und hat mit Respekt zu tun".

Rösch: Biathlon manchmal "Scheiß-Sportart"

Ähnlich sieht das auch Ex-Biathlet und Sky-Experte Michael Rösch. "Ich hätte mich geärgert, wenn er das Rennen tatsächlich nicht beendet hätte. Dass er es dann doch gemacht hat, war unter den Umständen schon aller Ehren wert", erklärte der Olympiasieger von 2006 im Gespräch mit SPORT1.

Dass einem Biathlon-Weltmeister bei nur einem Schießen fünf Fehler unterlaufen, sei "bitter, aber das ist Biathlon, das kann in solchen Momenten eine Scheiß-Sportart sein, in der du in zehn Sekunden wegwirfst, was du in einer Stunde aufgebaut hast. Passiert den Geilsten, wie Erik Lesser gern sagt."

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Die vielen Fehlschüsse seien darauf zurückzuführen, dass Jacquelin falsch "gerastet", also das Gewehr falsch eingestellt hat. (Biathlon-Weltcup: Kalender der Saison 2020/21)

Jacquelin kann Fehlschüsse nicht erklären

Der Unglücksrabe selbst hatte für das Drama keine Erklärung. "Ganz ehrlich, ich weiß nicht wirklich, was passiert ist. Die Techniker haben mir das Trefferbild meines ersten Schießens gezeigt. Das war gut. Es gab eine minimale Tendenz nach oben. Sie haben mich gebeten, etwas nach unten zu korrigieren. Das habe ich gemacht und ich weiß nicht, warum, aber die Schüsse landeten noch weiter oben", versuchte er im L'Équipe-Interview eine Erklärung zu finden.

"Das hat mir jeglichen Mut genommen. War es ein Materialfehler oder hat der Wind gedreht? Ich weiß es nicht. Ich bin am Boden zerstört, ich hatte mein ganzes Herz da hineingelegt", sagte er und brach vor laufender Kamera in Tränen aus.

Und auch in den Sozialen Netzwerken meldet er sich zu Wort. "Verdammte Träne in meinem Auge" schrieb er bei Twitter - was womöglich auch als doppeldeutige Erklärung für seine Schussfehler gedacht war. Bei Instagram vermerkte er nur sinngemäß: "Auf Wiedersehen im nächsten Jahr."

Franzose gilt als Bad Boy

Der Franzose, der 2014 bei den Juniorenweltmeisterschaften erstmals für Aufsehen sorgte und in seiner Karriere bisher drei WM-Goldmedaillen gewann, gilt in der Biathlon-Szene als Bad Boy. Genie und Wahnsinn liegen bei ihm dicht beieinander, die Emotionen sind nicht immer unter Kontrolle. So zog er erst kürzlich beim Massenstart in Oberhof den Zorn von Erik Lesser auf sich.

In Führung liegend, brach der Schaft am Gewehr Jacquelins. Doch statt der Verfolgergruppe Platz zu machen, lieferte er sich eine Hakelei mit dem Schweizer Benjamin Weger.

"Er hat absichtlich nachgetreten", ärgerte sich der dahinter laufende Lesser über die Situation bei Sky Sport News: "Ich habe nach vorne gerufen, dass Fairplay bitte eingehalten werden sollte. Er braucht hier nicht den Bad Boy spielen."

Bereits drei WM-Titel geholt

Doch genau diese Art ist es, die den Franzosen laut Rösch zum Weltmeister macht.

"Jacquelin ist eine Persönlichkeit, die Körperspannung und Siegeswillen ausstrahlt. Seine Körpersprache sagt dir: Ich bin der Chef! Das kommt natürlich nicht bei jedem gut an, je nach persönlicher Wahrnehmung. Aber man muss ihm lassen, dass er ein echt starker Sportler ist. Die taktischen Spielchen, die er mit seinen Gegnern spielt – da merkt man auch seinen Hintergrund als Radsportler. Er ist ein cleveres Kerlchen."