Ein Satz mit X?


Es herrscht wieder Hochkonjunktur für Kaffeesatzleser: Glaubt man den vielen Gerüchten, dann werden heute Abend bei der Apple-Keynote in Cupertino drei neue Telefone vorgestellt. Zwei davon sind absolut unspektakuläre Weiterentwicklungen von iPhone 7 und 7 Plus. Eines jedoch soll eine radikale Neuentwicklung sein.

In einer durchgesickerten Version des neuen iPhone-Betriebssystems iOS 11 wollen der Programmierer Steven Troughton-Smith und Techmedien wie „9to5mac“ bereits die Namen der 2017er iPhones erkannt haben: Das wären iPhone 8 und 8 Plus für die massenmarkttauglichen Nachfolger der 7er-Serie. Sie werden wahrscheinlich preislich wie die Vorgänger positioniert werden. Design und Technologie wird praktisch wie bei den 7er-Modellen sein, nur dank des schnelleren A11-Prozessors effektiver und stromsparender.

Dazu kommt dann das iPhone X. Der Buchstabe X könnte dabei als lateinische 10 interpretiert werden, für das runde Jubiläumsjahr, oder als X wie „eXtreme“ oder „eXpensive“. Denn das Jubiläumsgerät soll den Gerüchten zufolge 1000 Dollar kosten – oder zumindest 999 Dollar, um diese hässliche vierstellige Zahl als Einstiegspreis zu vermeiden. Trotzdem: Der Mehrpreis wird hauptsächlich auf das angebliche farbstärkere und brillantere OLED-Display zurückgeführt. Es soll mit 120 Dollar pro Stück mehr als doppelt so teuer sein wie die Standard-Displays. Und Lieferant Samsung scheint auch nicht zu größeren Zugeständnissen bereit zu sein.

Die Aufteilung in drei neue Geräte ist klug gewählt. Der Massenmarkt bekommt günstig gefertigte Modelle mit zuverlässiger Technik und hohen Gewinnmargen. Wenn eine Produktkategorie über 50 Prozent des Konzernumsatzes ausmacht, muss die Devise bei den 8er-iPhones erst mal heißen: keine Experimente.

Das iPhone X wiederum stellt auf der anderen Seite die Innovationsführerschaft wieder her und gewöhnt die Kundschaft an eine neue Preiswelt. Das hat einen weiteren Vorteil. Endlich können sich echte Fans mit dicken Brieftaschen wieder optisch vom gewöhnlichen iPhone-Nutzer absetzen. Zuerst hatte Apple mit dem SE die Palette nach unten abgerundet, jetzt wird nach oben ein Premium-iPhone draufgesetzt.

Das X soll angeblich einen 5,8-Zoll-Bildschirm fast ohne Ränder haben, Das würde praktisch die nutzbare Bildschirmfläche eines großen iPhone Plus-Gerätes in den Ausmaßen eines Standard-iPhones ermöglichen. Das ist revolutionär für Apple, aber die Konkurrenz hat so etwas schon länger. Allerdings ist der Konzern nicht dafür bekannt, der erste zu sein – sondern am Ende der bessere.

Der Home-Button mit Fingerabdruck-Leser hat auf der Vorderseite des iPhone X dann aber kein Zuhause mehr. Das ist eine riskante Übung. Entweder findet eine Integration des Sensors in das Glas des Displays statt oder er wandert auf die Rückseite. Letzteres würden die Design-Fanatiker bei Apple nie mittragen. Als biometrischer Ersatz bietet sich Gesichtserkennung an, um das Telefon zu entsperren. Das hat Samsung schon einmal probiert, aber mit wenig Erfolg. Das koreanische System ließ sich leicht überlisten. Das Experimental-iPhone hat deshalb angeblich zwei Frontkameras im oberen Display-Bereich und kann dreidimensional scannen und mit Hilfe von Infrarot Gesichtswärme erkennen. Das würde die Sicherheit erhöhen.

Trotzdem bleibt ein schales Gefühl: Wenn die Gesichtserkennung ausgetrickst und das Smartphone entsperrt wird, ist das schlimm genug. Aber wenn dann noch die Bank-App geöffnet oder die Haustür entsperrt werden kann, dann sind das schon ziemliche Risiken, die ein Fingerabdruckleser so nicht kennt. Geht Apple wirklich diesen Schritt, muss die Technologie absolut sicher sein.

Die rückwärtigen Kameras werden übereinander angeordnet sein, nicht mehr nebeneinander wie bisher. Hält man das Gerät dann quer, sind sie wieder nebeneinander angeordnet, so wie ein Augenpaar. Das ist die ideale Kombination um mit Augmented Reality zu arbeiten, mit „angereicherter Realität“. Dabei werden reale Bilder mit digitalen Einblendungen versehen. Apple-Chef Tim Cook hat bereits klargemacht, dass dieses Feld seiner Ansicht nach langfristig große Bedeutung haben wird.

Kommen wir noch mal zurück zur Namensgebung. Wenn sie stimmt, stellt sich die Frage, wie es weitergeht: Zunächst wäre festzuhalten, dass Tim Cook dann mit den günstigeren „S“-Generationen Schluss gemacht hat. Es gibt kein 7s oder 7s Plus. Kommen 2018 dann das iPhone 9 und das iPhone XI? Unwahrscheinlich.

Sinnvoller wäre es, den Weg zu gehen, den das versionslose iPad schon hinter sich hat. In Zukunft gäbe es dann nur noch iPhone, iPhone Plus und daneben das exklusive iPhone X. Und wenn sich das X als technisch nicht beherrschbar erweisen sollte oder der X-Factor bei den Kunden nicht zieht, kann Apple das „Jubiläumsgerät“ auslaufen lassen – und hat seine Kernmarke nicht beschädigt. Ein Satz mit X? War wohl nix. Man weiß ja nie.

Immer dienstags schreiben Britta Weddeling und Axel Postinett, Korrespondenten des Handelsblatts im Silicon Valley, über neue Trends und den digitalen Zeitgeist im Tal der Nerds.

KONTEXT

Die iPhone-Evolution

Von Modell zu Modell

Das erste iPhone im Jahr 2007 hat den Vormarsch der Smartphones angestoßen und nicht nur die Mobilfunk-Industrie umgekrempelt. Ein Überblick über die Entwicklung der Geräte von Modell zu Modell:

Das erste iPhone

Für das Jahr 2007 waren der große Touchscreen ganz ohne Tastatur und die Bedienung per Finger ein radikales Konzept, das die Smartphone-Revolution entscheidend anschob. Dabei verzichtete Apple bei der ersten Version sogar auf den schnellen UMTS-Datenfunk. (Quelle: dpa)

iPhone 3G

Ein iPhone 2 gab es nie - stattdessen kam im Sommer 2008 das iPhone 3G, was auf die Unterstützung des 3G-Standards UMTS hinwies. Das Aluminium-Gehäuse wurde durch eine Plastik-Schale ersetzt. Mit dem App Store öffnete Apple die Plattform für Programme verschiedener Entwickler.

iPhone 3GS

Mit dem Modell des Jahres 2009 führte Apple sein "Tick-Tock"-Prinzip ein, bei dem die iPhones alle zwei Jahre radikal erneuert werden und es zwischendurch ein "S"-Modell im unveränderten Design, aber mit aufgerüstetem Innenleben gibt. Das 3GS bekam eine bessere Kamera und einen schnelleren Chip.

iPhone 4

Das letzte Modell, das Gründer Steve Jobs noch selbst vorstellte. Das kantige Design des iPhone 4 mit einer gläsernen Rückwand war 2010 aufsehenerregend, zugleich häuften sich zunächst Berichte über Empfangsprobleme mit der Antenne am Außenrand.

iPhone 4S

Apple ließ sich 15 Monate Zeit bis Oktober 2011 mit einer Aktualisierung. Zu den Neuerungen gehörte neben technischen Verbesserungen die Sprachassistentin Siri.

iPhone 5

Während die Smartphones der Wettbewerber immer größer wurden, erweiterte Apple 2012 zunächst vorsichtig die Bildschirm-Diagonale von 3,5 auf 4 Zoll. Zugleich wurde das Gerät deutlich dünner gemacht und bekam wieder eine Aluminium-Hülle.

iPhone5S

Die wichtigste Neuerung im Herbst 2013 war der Fingerabdruck-Sensor zum Entsperren der Telefone. Zudem entwickelte Apple unter anderem die Kamera weiter.

iPhone 6

Erstmals entschied sich Apple 2014 für zwei neue Modelle mit deutlich größeren Bildschirmen mit Diagonalen von 4,7 und 5,5 Zoll. Der Schritt löste einen Absatzsprung aus, Apple kam monatelang der Nachfrage nicht hinterher. Die Geräte wurden abermals dünner.

iPhone 6S

Gleiches Gehäuse, bessere Technik - das reichte im Weihnachtsquartal 2015 knapp für den nächsten Absatzrekord von knapp 74,8 Millionen verkauften iPhones.

iPhone 7

Zum ersten Mal geht Apple ins dritte Jahr mit einem weitgehend unveränderten äußeren Design. Aber Apple verzichtete unter anderem auf die klassische Ohrhörer-Buchse zugunsten des digitalen "Lightning"-Anschlusses.