G20-Mitglieder vor Gipfel in Indien zu Ukraine-Krieg gespalten

Bereits einen Tag vor Beginn des G20-Gipfels in Indien ist die Spaltung der Teilnehmer im Hinblick auf den Ukraine-Krieg deutlich zutage getreten. (TAUSEEF MUSTAFA)
Bereits einen Tag vor Beginn des G20-Gipfels in Indien ist die Spaltung der Teilnehmer im Hinblick auf den Ukraine-Krieg deutlich zutage getreten. (TAUSEEF MUSTAFA)

Bereits einen Tag vor Beginn des G20-Gipfels in Indien ist die Spaltung der Teilnehmer im Hinblick auf den Ukraine-Krieg deutlich zutage getreten. Der Konflikt werde "von den Amerikanern provoziert und angeheizt", erklärte das russische Außenministerium am Freitag kurz vor der Landung von Außenminister Sergej Lawrow in Neu Delhi. Der britische Premier Rishi Sunak kritisierte seinerseits das Fernbleiben des Kreml-Chefs scharf.

Lawrow führt beim G20-Gipfel stellvertretend für Kreml-Chef Wladimir Putin die russische Delegation an, weil der Präsident wegen eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshof dem Treffen fernbleibt. "Wir arbeiten eng mit allen Länder der G20 zusammen, um gegen die Versuche zu kämpfen, die humanitären und wirtschaftlichen Probleme in der Welt ausschließlich durch den 'Ukraine-Konflikt' zu erklären (...)", erklärte das Außenministerium in Moskau.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist eines der zentralen Themen bei dem zweitägigen Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer am Samstag und Sonntag in der indischen Hauptstadt Neu Delhi. Eine gemeinsame Haltung zu dem Krieg ist jedoch äußerst schwierig, denn auch Länder wie Indien haben die Invasion in der Ukraine bisher nicht klar verurteilt.

Russlands Präsident will nicht einmal eine Videobotschaft an die versammelten Staats- und Regierungschefs senden - ein Verhalten, das der britische Premierminister Rishi Sunak scharf kritisierte. Putin zeige in Indien "nicht sein Gesicht" und sei der "Architekt seines eigenen diplomatischen Exils, indem er sich in seinem Präsidentenpalast isoliert und Kritik und Realität ausblendet", erklärte Sunak vor seiner Ankunft in Indien. Der Rest der G20 werde derweil zusammenarbeiten, um die "Scherben von Putins Zerstörung" zu beseitigen.

EU-Ratspräsident Charles Michel forderte Russland auf, die Angriffe auf ukrainische Schwarzmeerhäfen zu stoppen, die für Getreideexporte der Ukraine entscheidend sind. Es sei ein "Skandal", dass Russland nach dem Ausstieg aus dem Getreideabkommen ukrainische Häfen blockiere und angreife, erklärte Michel in Neu Delhi. "Das muss aufhören."

Neben Putin wird auch ein weiterer entscheidender Akteur dem Treffen in Indien fernbleiben. Chinas Staatschef Xi Jinping lässt sich von seinem Regierungschef Li Qiang vertreten. Einen Grund dafür nannte Peking nicht, doch in einer Zeit verschärfter handels- und geopolitischer Spannungen mit den USA und Indien könnte seine Abwesenheit auf einen möglichen Strategiewechsel hindeuten. Nach Ansicht von Experten will er eine Alternative schaffen zur liberalten internationalen Ordnung, die von den USA dominiert werde.

US-Präsident Joe Biden verkündete vor dem Abflug, er wolle sich bei dem Gipfel auf "Fortschritte bei den Prioritäten der USA konzentrieren, sich für die Entwicklungsländer einsetzen und unser Engagement für die G20 zeigen als ein Forum, das etwas bewirken kann". Das Treffen werde "Ergebnisse bringen" versicherte er. Biden traf am Freitag in Neu Delhi ein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollte am Freitagabend nach Indien reisen.

Derzeit mehren sich Hinweise, China wolle die Nutzung des vom US-Konzern Apple entwickelten iPhones in Behörden und staatlichen Unternehmen verbieten, was Sorgen hervorruft, dass es zu einem neuen Handelskrieg zwischen Washington und Peking kommen könnte. Der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, wollte die Berichte am Freitag nicht kommentieren. Fragen zu Chinas Motivation und zur Tragweite der Entscheidung müsse Peking beantworten, erklärte er.

Den G20 gehören die 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie die Europäische Union an. Die Gruppe repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung sowie etwa 85 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts.

Die Gruppe könnte jedoch wachsen: Die Afrikanische Union hofft, bei dem Gipfel in Indien als neues permanentes Mitglied in die Staatengemeinschaft aufgenommen zu werden. Bislang ist Südafrika unter den G20 der einzige Vertreter des afrikanischen Kontinents.

Die afrikanischen Länder sind wichtige Partner für ein weiteres zentrales Thema des Gipfels: In Neu Delhi soll auch über Fortschritte beim Klimaschutz beraten werden. Premierminister Narendra Modi rief die Staats- und Regierungschefs der G20 am Donnerstag auf, die Entwicklungsländer bei der Bekämpfung des Klimawandels mit mehr Geld und durch den Austausch von Technologien zu unterstützen.

lt/cp