ROUNDUP 2: Merkel beschwört vor Weihnachten Solidarität gegen Corona-Pandemie

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BERLIN (dpa-AFX) - Kanzlerin Angela Merkel hat die Menschen in Deutschland nach der Verschärfung des Teil-Lockdowns beschworen, bei der Kraftanstrengung gegen das Coronavirus nicht nachzulassen. "Gerade jetzt, da wir so viel an Weihnachten und an den kommenden Jahreswechsel denken, wünsche ich mir und wünsche ich uns allen, dass wir mehr denn je miteinander und füreinander einstehen", sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. Mit emotionalen Worten appellierte Merkel an die Bürgerinnen und Bürger: "Wenn wir das beherzigen, werden wir aus der Krise kommen." Kritik an den jüngsten Bund-Länder-Entscheidungen kam in der Aussprache vor allem von AfD, FDP und der Linksfraktion.

Die Kanzlerin stimmte die Menschen auf eine weitere Verlängerung der Maßnahmen bis Januar ein. "Angesichts des hohen Infektionsgeschehens gehen wir davon aus, dass die Beschränkungen bis Anfang Januar weiter gelten müssen, jedenfalls für die allermeisten Teile der Bundesrepublik Deutschland." Es gebe aber auch Anlass zur Hoffnung, sagte Merkel mit Blick auf die fortgeschrittenen Zulassungsverfahren für Impfstoffe. Diese würden das Problem zwar nicht sofort lösen, seien aber ein "Licht am Ende des Tunnels". Falls es schon vor Weihnachten Impfstoffe gebe, würden sie denjenigen angeboten, die im medizinischen und pflegerischen Bereich arbeiten.

Bund und Länder hatten am Mittwochabend beschlossen, dass der Teil-Lockdown mit der Schließung unter anderem von Restaurants, Theatern und Freizeiteinrichtungen bis zum 20. Dezember verlängert wird. Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sollen auf maximal fünf Personen aus dem eigenen und einem weiteren Haushalt begrenzt werden. Kinder bis 14 Jahre sollen nicht unter diese Regelung fallen. Weihnachten solle aber gefeiert werden können, im engsten Familien- und Freundeskreis mit maximal zehn Menschen, Kinder bis 14 Jahre nicht eingerechnet.

Die Infektionszahlen in Deutschland stagnieren unterdessen auf einem weiterhin hohen Niveau. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 22 268 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden. Das waren rund 3600 Fälle mehr als am Mittwoch (18 633), wie aus Angaben des RKI hervorgeht. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg um 389 auf 15 160. Am Mittwoch war mit 410 Todesfällen ein neuer Höchstwert erreicht worden. Das RKI schätzt, dass rund 676 100 Menschen genesen sind.

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, warnte vor einem Anstieg der Infektionszahlen. "Medizinisch-epidemologisch ist es Wahnsinn, zu Weihnachten wieder aufzumachen und zu lockern", sagte er im Radioprogramm "SWR Aktuell". Zwei bis drei Wochen später werde es mehr Todesfälle geben. "Weihnachten wird damit zu einem Fest mit einem Todesrisiko für manche Menschen." Kein Verständnis habe er dafür, dass die gelockerten Kontaktbeschränkungen auch an Silvester gelten sollen. Über den Jahreswechsel sei viel Alkohol im Spiel. Menschen würden sich in den Armen liegen. "Das sind wunderbare Infektionsquellen. Da freut sich das Virus und jubelt."

Merkel appellierte im Bundestag an die Bürger, bei Weihnachtsbesuchen etwa älterer Familienmitglieder eine Woche des Schutzes vorzuschalten, "in der alles daran gesetzt wird, die Kontakte wirklich zu minimieren, damit Weihnachten ein sicheres Weihnachten ist". Die Kanzlerin warnte: "Wir wollen nicht, dass über die Feiertage die Infektionszahlen hochschnellen." Mit Blick auf Winterurlaube sprach sie sich dafür aus, dass alle Skigebiete in Europa schließen.

"Wir haben ganz ohne Zweifel noch einmal schwierige Monate vor uns", mahnte Merkel. Es mache aber Hoffnung, dass die große Mehrheit der Menschen "sich an die Dinge hält, die wir vereinbaren und damit auch eine Eindämmung möglich macht". Die Kanzlerin machte zugleich deutlich, dass der Bund milliardenschwere Finanzhilfen nicht unbeschränkt leisten könne. Es sei notwendig, die von Schließungen betroffenen Branchen wie die Gastronomie auch im Dezember zu unterstützen. Sie trügen eine enorme Last für die ganze Gesellschaft. Aber es sei "klar, dass wir das nicht bis Ultimo fortführen können".

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel kritisierte in der Aussprache: "Was Sie den Bürgern zumuten, ist inkonsistent, widersprüchlich, von zweifelhaftem Nutzen und durchtränkt vom undemokratischen Geist obrigkeitsstaatlicher Bevormundung." FDP-Fraktionschef Christian Lindner forderte eine längerfristige Corona-Strategie: "Die sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Pandemie-Bekämpfung explodieren, jedenfalls ist das keine langfristig durchhaltbare Strategie."

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nannte die Zahl der Menschen, die an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben sei, bedrückend. Auch vor diesem Hintergrund wies er die AfD-Kritik am novellierten Infektionsschutzgesetz zurück. "Sie sind nur noch provokativ und bösartig. Anders ist Ihre Politik nicht mehr zu erklären", sagte er.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch verlangte, Merkel müsse ihre Erklärungen im Parlament nicht nach, sondern vor Bund-Länder-Runden abgeben. "Bei schweren Grundrechtseinschränkungen muss der Bundestag entscheiden, egal wie sehr Sie das nervt", sagte er. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter äußerte Zweifel daran, dass die Einschränkungen ausreichen: "Meiner naturwissenschaftlichen Intuition folgend wäre ich mal sehr vorsichtig, ob diese Maßnahmen ausreichen werden, damit die Zahlen ausreichend sinken."

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) forderte eine stärkere Beteiligung der Bundesländer an den Hilfskosten. "Die Länder kriegen über die Hälfte der Steuereinnahmen mit den Kommunen, und ich erwarte von den Ländern, dass sie sich jetzt auch mal endlich finanziell in diese Sache einbringen und nicht immer nur Beschlüsse fassen und die Rechnung dann dem Bund präsentieren." CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, 2021 werde eine Neuverschuldung von deutlich mehr als 160 Milliarden Euro notwendig sein. Nach der Krisenbekämpfung werde die Zeit der Haushaltskonsolidierung kommen. Dies dürfe nicht mit einem von der SPD ins Gespräch gebrachten "Corona-Soli" geleistet werden - "sondern nur mit mehr wirtschaftlichem Wachstum".