ROUNDUP: Österreichs Ex-Finanzminister zu acht Jahren Haft verurteilt

WIEN (dpa-AFX) - Österreichs Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist vom Landgericht Wien wegen Untreue zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es am Freitag als erwiesen an, dass der 51-Jährige die Republik um Millionenzahlungen bei der Privatisierung von 60 000 Bundeswohnungen (Buwog) und eines Linzer Bürohauses geschädigt habe. Auch weitere Angeklagte erhielten hohe Haftstrafen. Der Verteidiger von Grasser sprach von einem Fehlurteil und kündigte Berufung an.

Laut Gericht hat Grasser einem Mitbieter den entscheidenden Tipp über die nötige Höhe eines Gebots zum Erwerb der Immobilien gegeben. Dafür hätten die ursprünglich 15 Angeklagten eine Provision von 9,6 Millionen Euro erhalten. "Nur Grasser kommt als Informant infrage", so die Richterin Marion Hohenecker.

"Es handelt sich um eine verdeckte Provisionsvereinbarung vom Machthaber Grasser zu Lasten des Machtgebers Republik Österreich, wodurch diese geschädigt wurde", sagte Hohenecker. Die Provision sei über Umwege auf drei Konten in Liechtenstein transferiert worden. "Wer redlich wirtschaftet, benötigt keine Konten in Liechtenstein."

Der von der Staatsanwaltschaft skizzierte Tatplan zur illegalen Bereicherung auf Kosten der Republik sei durch drei Zeugenaussagen belegt. Es sei eine "Infrastruktur zur Verschleierung" geschaffen worden.

Die Erklärungen der Angeklagten zu Geldflüssen hätten den Schöffensenat nicht überzeugt, sagte Hohenecker. Die Erklärungen Grassers, Geld von seiner Schwiegermutter erhalten zu haben, weil diese seine Anlagetalente prüfen wollte, halte der Senat für unglaubwürdig. Erschwerend kam hinzu, dass einer der weiteren Hauptangeklagten überraschend ein Teilgeständnis abgelegt und die Mitangeklagten belastet hatte.

Grassers Verteidiger sprach in einer ersten Reaktion von einem "glatten Fehlurteil". Der Schöffensenat, der Grasser auch wegen Fälschung von Beweismitteln und Geschenkannahme durch Beamte verurteilte, habe "dem enormen Verurteilungsdruck der in der Zweiten Republik einmaligen medialen Vorverurteilung durch zigtausende negative Medienberichte nicht standgehalten und Karl-Heinz Grasser zu Unrecht verurteilt", so der Anwalt.

Der Mammut-Prozess gegen "KHG", wie er in Österreich gern genannt wird, wurde im Land aufmerksam verfolgt. Grasser war von 2000 bis 2007 unter dem ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel im Amt.

Zum Auftakt des Prozesses hatte er sich als wirtschaftlich ruinierter Mann dargestellt. Keine Arbeit, kein Haus, kein Auto, gab er vor drei Jahren zu Protokoll. Allerdings schien er zumindest durch seine familiären Verhältnisse abgesichert. In dem mehrjährigen Verfahren, das mit dem Urteil nur einen vorläufigen Schlusspunkt erreicht hat, waren mehr als 150 Zeugen gehört worden.

Bestätigt darf sich die Staatsanwaltschaft sehen. Die hatte rund sieben Jahre lang ermittelt. Im Schlussplädoyer sprach sie von einem "Verbrechen von unglaublicher Tragweite". Der Ex-Politiker habe gemeinsam mit seinen Freunden in die eigene Tasche gewirtschaftet. Er habe mitkassiert "zu unser aller Nachteil, zum Nachteil der Steuerzahler".

Der Schaden kann noch ganz andere Dimensionen erreichen. Der damals bei den Bundeswohnungen unterlegene Bieter sieht sich durch das Urteil bestätigt und hatte schon zuvor eine Milliardenklage auf Schadenersatz eingereicht.