"Rollen für ältere Schauspielerinnen gibt's bei uns nicht"

Mit ihrem 30. Fall, dem sehenswerten ZDF-Samstagfilm "Unter Verdacht: Evas letzter Gang" (28. März), lässt Senta Berger nach fast 18 Jahren die Krimireihe mit ihrer couragierten Ermittlerin Eva Prohacek auslaufen. Ein Abschied, der sie nachdenklich macht - der aber auch neue Freiheiten eröffnet.

Im August 2002 lief der erste "Unter Verdacht"-Fernsehfilm bei ARTE und brachte mit Eva Prohacek, Kommissarin der Abteilung für Interne Ermittlungen ein ganz neuartige Figur in die deutsche Krimilandschaft. Von Beginn an verwischten sich hier die in deutlich schlechteren Reihen oft so schwarz-weiß gezeichneten Grenzen von Gut und Böse. Und an der Aufrichtigkeit und Unkorrumpierbarkeit von Prohaceks Münchner Kollegen waren stets sehr berechtigte Zweifel angebracht. Schnell wurde klar: Die "Unter Verdacht"-Fälle, die abwechselnd zunächst immer bei ARTE, dann im ZDF zu sehen waren, zählten zum Besten, was in der deutschen Krimiszene produziert wird. Schon der Auftakt-Film "Unter Verdacht: Verdecktes Spiel" erhielt einen Grimme-Preis. Nun geht mit dem Fall "Unter Verdacht: Evas letzter Gang", der am Samstag, 28. März, um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen ist, eine Ära zu Ende. Hauptdarstellerin Senta Berger empfindet das Loslassen als durchaus schmerzvollen Prozess, der ihr aber auch neue Freiheiten ermöglicht.

teleschau: Frau Berger, Dr. Eva Prohacek, zieht sich nach ihrem "letzten Gang" aus der Polizeiarbeit zurück. Gleichzeitig endet die "Unter Verdacht"-Reihe. Wie viel Wehmut löst dieser Abschied bei Ihnen aus?

Senta Berger: Das Wort "Wehmut" trifft meine Stimmung genau. Wie könnte es auch anders sein nach fast 20 Jahren, die ich mit meinen Kollegen, meinem Team und nicht zuletzt mit der Eva Prohacek verbracht habe. Ein Kapitel meines Lebens geht zu Ende. Dennoch: Es war der richtige Zeitpunkt. Dass ich diesen Zeitpunkt gewählt habe und niemand anderer für mich, erleichtert mir den Abschied. Dass viele Zuschauer bedauern, "Unter Verdacht" nun nicht mehr sehen zu werden, ist ein schönes Lob, eine Anerkennung unserer Arbeit, die nachwirkt.

"Ich war immer ganz auf der Seite der Prohacek"

teleschau: Als Zuschauer konnte man sich oft des Eindrucks nicht erwehren, dass Ihnen der Rolle der aufrechten, gegen so viele Widerstände und auch berufliche Schofeligkeiten im Kollegenkreis ankämpfende Kommissarin persönlich nahe kam.

Senta Berger: Als Schauspieler ist man ja immer der Verteidiger der Figur, die man spielt. Ich war immer ganz auf der Seite der Prohacek, ich hab sie immer verstanden. Auch wenn sie in ihrem Gerechtigkeitssinn ungerecht war, gegen andere und gegen sich. Auch wenn sie zu viel erwartet und verlangt hat, von sich und den anderen. Ihre Schroffheit als Schutzwall, das ist mir persönlich ganz fremd, aber ich habe es der Eva zugestanden und versucht, sie so zu spielen, dass es auch die Zuschauer nachvollziehen können.

teleschau: Sie haben die Rolle über 30 Fälle hinweg mit Leben gefüllt. Wie stark konnten Sie Eva Prohacek mit prägen und in welchen Ihrer Züge ist Sie Ihnen vielleicht doch ein wenig fremd geblieben?

Senta Berger: Tatsächlich war ich von Anfang an, von den allerersten Gesprächen vor 20 Jahren bereits mit eingebunden. Vom ersten "Ideen"-Gespräch mit der kämpferischen Redakteurin Elke Müller vom ZDF, mit dem mutigen Produzenten Mario Krebs und dem genial-erfinderischen Autor Alexander Adolph. Wir haben gemeinsam nach einer ungewöhnlichen Frauenrolle gesucht, die die Klischees der üblichen Kommissarinnen sprengen sollte. Ich wusste also von Anfang an, auf welche Frau ich mich da einlasse. Manchmal kam beim Spielen die Senta durch, und ich wurde zu eloquent, zu freundlich. Wenn ich es gemerkt habe, konnte ich gleich korrigieren. Gerade das Fremde in der Prohacek hat mich angeregt.

"Der Beruf ist ihr Leben"

teleschau: Mit dem Film "Evas letzter Gang" schließt sich ein Bogen, der auf einen der ersten Fälle zurückverweist. Ab wann stand denn fest, dass man die Reihe so beenden würde?

Senta Berger: Vor zwei Jahren habe ich der Produktion gesagt, dass die Eva in Rente gehen muss, ja dass sie eigentlich lange schon aus dem Amt verabschiedet hätte werden müssen. Wir haben dann versucht, eine Geschichte zu erzählen, die uns an den Anfang von "Unter Verdacht" zurückbringt. Es war schwer, so eine Geschichte zu schreiben, aber wir waren alle begeistert von der Idee, der Idee eines Bogens, der sich schließt.

teleschau: Wenn Sie aus der Perspektive Ihrer Figur blicken: Warum kann für Eva Prohacek das Datum der Pensionierung kein Tag sein, an dem man kaltblütig den Stift fallen lässt, den Schreibtisch räumt und dann einfach dem Kommissariat den Rücken kehrt?

Senta Berger: Eva versteht ihren Beruf als Aufgabe, als Notwendigkeit. Notwendig auch für sie selbst. Das ist kein Beruf, den man ablegt. Das ist kein Job. Der Beruf ist ihr Leben. Da hat man keine Zeit für Hobbys, für Briefmarkensammeln oder Kochrezepte. Wie kann sie da einfach so ihren Schreibtisch räumen? Sie löst sich schwer aus ihrem Beruf. Da ist bei allen Leuten so, die ihre Arbeit lieben und sich damit identifizieren.

teleschau: Ein treibendes Moment der Reihe war stets das doppelte Spiel, das Prohaceks Vorgesetzter Reiter mehr oder weniger erfolgreich durchzuhalten versucht. Wie oft haben Sie heimlich Ihren Kollegen Gerd Anthoff heimlich um den Reiz beneidet, einen so durchtriebenen Charakter verkörpern zu dürfen?

Senta Berger: Ach nein, so was gab's nicht, kann es auch gar nicht geben. Wir haben ja die Situation der Gegensätzlichkeiten ausgekostet, auf die Spitze getrieben. Das hat großen Spaß gemacht. Gerd Anthoff und Rudolf Krause werde ich sehr, sehr vermissen. Das Suchen und Finden von Texten, Stimmungen, Haltungen, die gemeinsamen Proben - ach, das vermisse ich jetzt schon.

teleschau: Im Film macht Eva Prohcek recht barsch deutlich, was sie alles nicht mit der Zeit anfangen möchte, die sich ihr nach ihren festen beruflichen Verpflichtungen eröffnet. Wie ist das bei Ihnen privat? Wie groß war und ist bei Ihnen eigentlich die Sehnsucht nach mehr freier Zeit und selbstbestimmten Momenten?

Senta Berger: Meine Zeit ist überschaubar und die Zeit, die ich mit meinem Mann verbringen kann und mit meiner Familie, ist es auch. Ich habe ein großes Bedürfnis, mich nicht nach Terminen richten zu müssen. Ich möchte gerne spontan entscheiden können. Kleine Reisen, keine großen mehr, schnell nach Wien, nach Südtirol, schnell zu einer Theateraufführung fahren, zu einer Ausstellung: Das stelle ich mir herrlich vor. Ich muss mich erst daran gewöhnen.

teleschau: Was bedeutet der Rückzug von der "Unter Verdacht"-Reihe eigentlich für Ihre Projekte als Schauspielerin? Fühlt es sich auch ein wenig an, als ob man ein Korsett abstreifen kann?

Senta Berger: Ich habe hier mehr Drehbücher liegen als vor einem Jahr. Ich weiß auch nicht, wieso. Mag sein, dass man an mich denkt als jemanden, der jetzt mehr Zeit hat für neue Projekte, andere Rollen. Die Prohacek hat mir die Möglichkeit gegeben, mich in einem ganz anderen Rollenfach zu beweisen, als die, die ich zuvor gespielt habe. Die Prohacek war mir Halt - kein Korsett.

"Was vorbei ist, ist vorbei"

teleschau: Worauf legen Sie besonderen Wert, wenn Sie in Zukunft Ihre Drehprojekte auswählen?

Senta Berger: Will ich eine Geschichte miterzählen oder nicht? - Ich glaube, nur darauf kommt es an. Und mit wem arbeite ich bei der Umsetzung. Darauf kommt es doch an. Mit interessanten Leuten zusammenzuarbeiten, sich inspirieren zu lassen, sich gefordert fühlen.

teleschau: Welche Rollen gibt es im Laufe einer so langen erfüllten Karriere, die Sie vielleicht sogar gerne einmal gespielt hätten?

Senta Berger: Ich war nie auf eine "Traumrolle" fixiert - gibt's ja auch gar nicht. Aber - und da spreche ich sicher im Namen vieler Kollegen: Rollen wie amerikanische und englische Schauspielerinnen spielen dürfen, Rollen, die für sie geschrieben und von der Öffentlichkeit stark beachtet werden, Rollen für ältere und alte Schauspielerinnen, die gibt's bei uns eben nicht. Und wenn, dann ganz selten und ohne die nötige Reichweite, die in anderen Filmländern möglich ist.

teleschau: Letzte Frage: Sie können sich ja offensichtlich sehr eng in Eva Prohacek hineindenken: Wird Sie es denn schaffen - nachdem Sie Kollege Langner hoffentlich endlich doch einmal bei einem Freizeittermin informiert hat -, sich vom Kommissariat und den internen Ermittlungen dauerhaft fernzuhalten?

Senta Berger: Ja. Selbstverständlich. Was vorbei ist, ist vorbei.