Putin: Westen will Russland "ein für alle Mal erledigen"

Knapp ein Jahr nach dem Beginn der russischen Offensive in der Ukraine hat Kreml-Chef Wladimir Putin dem Westen vorgeworfen, Russland "ein für alle Mal erledigen" zu wollen. In einer Rede zur Lage der Nation machte Putin am Dienstag in Moskau den Westen "voll" für die Eskalation in der Ukraine verantwortlich. Er kündigte an, dass Russland seine Beteiligung am letzten verbliebenen Atomwaffen-Kontrollvertrag mit den USA aussetze. Die USA kritisierten den Schritt als "unverantwortlich".

In seiner fast zweistündigen Rede vor russischen Politikern und Militärvertretern, die in der Ukraine gekämpft haben, sagte Putin: "Die westlichen Eliten halten ihr Ziel nicht verborgen: Russland eine strategische Niederlage zuzufügen, das heißt, uns ein für alle Mal zu erledigen." Russland werde aber seine Offensive in der Ukraine "sorgfältig und systematisch" fortsetzen und so die Ziele seines Militäreinsatzes "Schritt für Schritt" erreichen.

Der russische Präsident hob hervor: "Die Verantwortung für das Schüren des Ukraine-Konflikts, für seine Eskalation, für die vielen Opfer (...) liegt voll bei den westlichen Eliten." Dabei wiederholte er auch seinen Vorwurf, dass der Westen in der Ukraine neo-nazistische Kräfte unterstütze, um dort einen anti-russischen Staat zu etablieren.

Die russische Beteiligung an dem letzten verbliebenen Atomwaffen-Kontrollvertrag New-Start mit den USA setzte Putin aus. Die russischen Behörden rief er auf, sich für "Atomwaffen-Tests bereit" zu halten, falls Washington solche Tests zuerst ausführen sollte.

US-Außenminister Antony Blinken nannte diese Entscheidung Moskaus "unglücklich und unverantwortlich". Washington sei jederzeit bereit, mit Moskau über Waffenkontrolle zu sprechen, sagte er bei einem Besuch in Griechenland. Mit Blick auf die russische Offensive in der Ukraine sagte er, wenn diese ungeahndet bleibe, werde "die Büchse der Pandora" für eine Welt geöffnet, "in der Macht bestimmt, was Recht ist".

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief Putin zur Achtung des Atomwaffen-Kontrollvertrags New Start auf. Putin solle seine Entscheidung überdenken, forderte er. Den Vorwurf, dass der Westen Russland vernichten wolle, wies Stoltenberg  ebenso wie der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, zurück: "Niemand greift Russland an", sagte Stoltenberg.

Kiew versicherte, es werde die Russen aus dem Land "vertreiben" und "bestrafen". Sie seien "strategisch in einer Sackgasse", erklärte der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak.

Die Führung in Moskau forderte die USA derweil formell auf, "Soldaten und Ausrüstung" der Nato aus der Ukraine abzuziehen. Wie das Außenministerium in Moskau mitteilte, wurde die US-Botschafterin Lynne Tracy einbestellt und ihr eine entsprechende Note überreicht, die sich auf die Militärhilfe des Westens für Kiew bezieht.

Die russischen Streitkräfte haben seit Monaten in der Ukraine Mühe, bei ihrer Offensive voranzukommen, obwohl Putin im vergangenen Jahr zusätzlich hunderttausende Reservisten mobilisierte. Vor dem Hintergrund der Unterdrückung jeglicher Kritik am Ukraine-Einsatz und am Kreml in Russland warnte Putin in seiner Rede, dass "Verräter" zur Rechenschaft gezogen würden.

Mit Blick auf die internationalen Sanktionen gegen Russland äußerte Putin die Ansicht, dass der Westen "nichts erreicht hat und nichts erreichen wird". Die russische Wirtschaft hat bisher besser Stand gehalten als von vielen Experten erwartet. Dem Westen sei es nicht gelungen, "unsere Gesellschaft zu destabilisieren".

Der russische Staatschef hält traditionell jedes Jahr eine Rede zur Lage der Nation vor den russischen Abgeordneten, in der er eine Bilanz des vergangenen Jahres zieht und neue strategische Ziele festlegt. Im Jahr 2022 war die Ansprache abgesagt worden.

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