Proteste in Georgien gehen trotz Rücknahme von "Agenten"-Gesetz weiter
Der von Demonstranten in Georgien heftig angefochtene Gesetzesplan zu "ausländischen Agenten" ist von der Regierung zurückgezogen worden - trotzdem gingen die Proteste am dritten Tag in Folge weiter. Zehntausende Menschen gingen am Donnerstag in der Hauptstadt Tiflis auf die Straße. In der Menge wurden die Fahnen Georgiens, der Ukraine und der EU geschwenkt und ihre Hymnen gespielt.
Die Opposition hatte zur Fortsetzung der Proteste aufgerufen, solange es keine "Garantien" für einen pro-westlichen Kurs des Landes gebe. Der von der Regierungspartei zuvor am Donnerstag zurückgezogene Entwurf zu "ausländischen Agenten" ähnelt einem Gesetz in Russland. Es wird dort seit mehr als zehn Jahren von den Behörden genutzt, um gegen Kritiker vorzugehen.
Auch die pro-westliche georgische Präsidentin Salome Surabischwili hatte das Gesetzesvorhaben scharf kritisiert. Die Rücknahme des Entwurfs bezeichnete sie dann als Erfolg der Demonstrierenden. "Ich möchte der Gesellschaft zu ihrem ersten Erfolg gratulieren. Ich bin stolz auf die Menschen, die ihren Stimmen Gehör verschafft haben", sagte Surabischwili in einer Fernsehansprache aus New York, wo sie sich zu einem offiziellen Besuch aufhielt.
Das Innenministerium erklärte am Donnerstagabend, alle seit Dienstag festgenommenen Demonstranten seien freigelassen worden. Damit kam die Behörde einer Forderung der Opposition nach. Nach Angaben der Polizei waren bei den Protesten mehr als 70 Demonstranten festgenommen worden.
Das Ministerium teilte nun jedoch auch mit, dass noch Untersuchungen liefen, um Demonstranten zu ermitteln und festzunehmen, die Polizisten angegriffen hätten.
Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte zuvor erklärt, sie ziehe das "Agenten"-Gesetz "bedingungslos" zurück. Der Entwurf sei "in einem schlechten Licht und auf irreführende Weise" dargestellt worden. Die Absicht dahinter solle in öffentlichen Gesprächen "besser erklärt" werden.
Der Gesetzesvorschlag sah vor, dass Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel aus dem Ausland erhalten, sich als sogenannte ausländische Agenten registrieren lassen müssen. Andernfalls drohen ihnen demnach Strafen. Die Vorlage erinnerte an ein 2012 in Russland verabschiedetes Gesetz, das die Behörden seither nutzen, um gegen Medien, regierungskritische Organisationen und andere Kritiker vorzugehen.
Die USA begrüßten am Donnerstagabend die Rücknahme des Gesetzentwurfs. Washington fordere die georgische Regierungspartei jedoch auf, diese Art von Gesetzgebung nicht weiter zu verfolgen, sagte Außenamtssprecher Ned Price. Sie sei "unvereinbar mit den georgischen und den euro-atlantischen Werten".
Die frühere Sowjetrepublik Georgien strebt eigentlich den Beitritt zu EU und Nato an. In jüngster Zeit deuteten aber mehrere Maßnahmen darauf hin, dass sich das Land unter Regierungschef Irakli Garibaschwili Russland zuwenden könnte. Dieser spricht von einer "ausgewogenen" Politik, die für "Frieden und Stabilität" sorgen solle. Westliche Kritik an einem "Rückschritt bei der Demokratie" hat die Beziehungen zwischen Tiflis und Brüssel jüngst getrübt.
Die Demonstrationen in Tiflis gegen das "Agenten"-Gesetz hatten am Dienstag begonnen. Vereinzelt kam es in den vergangenen Tagen zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Wasserwerfer und Tränengas einsetzte.
mhe/dja