Profitable Blockbuster: Was sind die Gründe für die Popularität von Low-Budget-Horrorfilmen?

Wie in jeder Branche in der Wirtschaftswelt gilt auch in der Filmindustrie: nicht nur der Umsatz zählt, sondern vor allem der Gewinn. Die profitabelsten Filme drehen aber nicht Disney und Co., das große Geld machen Filmstudios oft mit Low-Budget-Produktionen. In den letzten Jahren haben sich besonders profitable Filme auffällig gehäuft. Aber warum?

Daniel Kaluuya in Jordan Peeles "Get Out" (Bild:ddp images/Capital Pictures/Phil Loftus)
Daniel Kaluuya in Jordan Peeles "Get Out" (Bild:ddp images/Capital Pictures/Phil Loftus)

Wenn von Erfolgsfilmen die Rede ist, dann sind gleich Blockbuster á la "Avengers", "Star Wars" und "Fast & Furious" in aller Munde. Das mag berechtigt sein und dennoch: Die profitabelsten Filme sind Blockbuster wie die drei genannten nicht zwingend. Klar, sie spielen an den Kinokassen weltweit hunderte Millionen, mitunter sogar Milliarden Dollar ein. Zieht man aber von den Einnahmen die Ausgaben für Produktion und Marketing ab, bleibt ein überschaubarer Gewinn übrig – allenfalls das Doppelte, seltener das Dreifache der Kosten. Die wahren Blockbuster des Kinos sind daher nicht die megagroßen, sondern die ultrakleinen Filme, nicht also die teuren, die viel, sondern die billigen, die das Vielfache ihrer Entstehungskosten in die Kassen spülen.

Phänomen Low-Budget-Blockbuster

Besonders profitable Filme – oder wollen wir sie Low-Budget-Blockbuster nennen? – hat es in den letzten Jahren auffällig viele gegeben. So viele, dass man dem Phänomen durchaus mit der einen oder anderen Frage auf den Grund gehen darf. Eine wäre folgende: Warum scheint es heute einen so großen Bedarf nach Filmen zu geben, die unabhängig der großen Filmstudios mit überschaubaren Mitteln hergestellt werden? Die Antwort könnte einen Nutzen haben. Immerhin haben diese Filme den Fokus wieder auf Phänomene gelenkt, von denen wir dachten, dass sie von den Zeitläuften überrollt wurden. Heute, da alle Welt von Serien und TV-Mehrteilern auf Streaming-Diensten redet, deren Zuschauer ködernden Stars allen voran die Show-Runner, ausführenden Produzenten und Drehbuchautoren sind, werfen die Low-Budget-Blockbuster die Schlaglichter wieder auf die Regisseure und vor allem: die produzierenden Studios.

Letztgenanntes Phänomen ist, nebenbei bemerkt, nischenübergreifend, schließt also auch den Mainstream-Film mit ein. Heute gehen wir weniger denn je einer Schauspielerin oder eines Schauspielers wegen in die Kinos. Auch Regisseure locken uns nicht mehr wie früher vor die Leinwände. Der Film als erzählerisch und ästhetisch in sich abgeschlossenes Einzelwerk hat erst Recht seine Relevanz eingebüßt. Das Serielle hat auch auf die Leinwand übergriffen. Wenn wir uns schon ins Kino bemühen, dann gerne des Teiles eines Ganzen wegen. Wir sehen uns endlos sich hinziehende, nach vorne, nach hinten und zur Seite erzählte, neu aufgelegte, neu angesetzte, neu verfilmte Teile von Filmreihen, -Epen, -Sagen und -Universen an von einigen wenigen Filmstudios wie Disney, Warner Bros. und Sony Pictures.

Gehört zu den Klassikern des found-footage-Films: Oren Pelis Low-Budget-Schocker "Paranormal Activity". (Bild: ddp images/Senator Home Entertainment)
Gehört zu den Klassikern des found-footage-Films: Oren Pelis Low-Budget-Schocker "Paranormal Activity". (Bild: ddp images/Senator Home Entertainment)

Mit den Phänomenen Low-Budget-Blockbuster bzw. erfolgreicher Independent-Produktionen im Allgemeinen wird – zumindest aus Sicht der Kinotraditionalisten – wieder etwas Normalität hergestellt. Es zählt wieder das Einzelne, es zählen wieder die gewohnten Personalien – und es zählt wieder das Genre. Ja, auch das ist bezeichnend für beide Strömungen. Mit ihnen steigt wieder der Wert des Genres. Vor allem eines ragt heraus: der Horrorfilm. Mehr noch: Das Phänomen Low-Budget-Blockbuster überschneidet sich nahezu vollständig mit den Genres der Angst. Warum das so ist, das haben Soziologen noch zu beantworten. Fest steht: Das Angstgenre im Allgemeinen und der Horrorfilm im Besonderen erfreuen sich seit einigen Jahren einer enormen Popularität. Das haben neben den großen auch viele kleine Studios erkannt, allen voran Blumhouse Productions.

Filme von Produzent Jason Blum

Das von Produzent Jason Blum gegründete und geführte Unternehmen ist seit einigen Jahren sehr erfolgreich mit der Strategie, mit möglichst günstig produzierten Filmen ein Maximum an Gewinn zu erzielen. Tatsächlich gehört so manches Werk des Studios zu den profitabelsten. Einige Beispiele: Der 2007 entstandene found-footage-Schoker "Paranormal Activity" spielte mit über 190 Millionen Dollar mehr als das 12.000-fache seines Budgets von geschätzten 15.000 Dollar ein. Damit ist der Billigstreifen der bis heute profitabelste Film überhaupt vor dem zweiplatzierten, dem acht Jahr zuvor entstandenen footage-Klassiker "Blair Witch Project" (Kosten: ca. 60.000 Dollar, Umsatz: 248,6 Millionen Dollar), von dem sich Blum erzählerisch wie auch hinsichtlich der Budgeteffizienz einiges abgeschaut haben dürfte.

Am Erfolgsrezept für die Filmherstellung hat Blum seither nicht viel geändert. Seine Horrorstreifen aber auch die Filme anderer Genres bleiben günstig und spielen oft das Vielfache ihrer Kosten ein. Weshalb auch so manch renommierter Filmemacher sich gerne unter die Fittiche des Erfolgsproduzenten begibt. Als es mit der Karriere von M. Night Shyamalan stetig bergab ging, feierte er mit "The Visit" ein spektakuläres Comeback. Nur fünf Millionen Dollar ließ er sich den footage-Film kosten, umgesetzt hat er weltweit knapp 100 Millionen. Es folgten – ebenso unter Blumhouse – die "Unbreakable – Unzerbrechlich"-Fortsetzungen "Split" (ca. 9 Millionen vs. 278,4 Millionen Dollar) und "Glass" (20 Millionen vs. 247 Millionen). Letztgenannter zeigt den Vorteil billig produzierter Filmen besonders deutlich auf. Der Comic-Meta-Film war künstlerisch ein Fiasko, eine Delle bekam allenfalls Shyamalans Ruf, nicht seine Karriere. In Hollywood gilt noch immer: Hat man Erfolg, ist man wer.

James McAvoy in M. Night Shyamalans Erfolgsfilm "Split" (Bild: ddp images/Capital Pictures)
James McAvoy in M. Night Shyamalans Erfolgsfilm "Split" (Bild: ddp images/Capital Pictures)

Erfolg kann, muss aber nicht auf Kosten von Qualität gehen. Auch dafür stehen Studios wie Blumhouse Productions. Das Unternehmen beweist regelmäßig, dass selbst Horrorfilme nicht sein müssen, was sie leider allzu oft sind, nämlich in ihrer Machart stümperhaft. Mehr noch: Neben einem Mindestmaß an handwerklicher Qualität haben manche der Gruselstreifen von Blumhouse sogar den Anspruch, Stellung zu beziehen, Politik und Gesellschaft zu kommentieren. Kaum ein Horrorfilm hat das in den letzten Jahren besser getan als "Get Out". In den stärksten Momenten dieses Horror-Mystery-Thrillers bilden handwerklich souveräne Genre-Erzählung und Zeitbezug eine harmonische Einheit. Drehbuchautor und Regisseur Jordan Peele entlarvt mit den Mitteln des Horrorfilms den in den USA noch immer nicht überwundenen Rassismus. "Get Out" entstand 2017 im Fahrwasser eines Films, der ähnliche Ambitionen hatte. Mit "Don't Breathe" drehte Fede Alvarez ein Jahr zuvor einen Home-Invasion-Thriller, der sich am Beispiel seines Protagonisten, eines blinden Veteranen, mit Themen wie Kriegserfahrung und persönliche Verluste auseinandersetzt.

Genre-Meisterwerke von A24

Als Genreschmiede ersten Ranges hat sich auch das Independent-Studio A24 etabliert. Zwar sind die Filme des 2012 gegründeten Unternehmens nicht ganz so erfolgreich wie die von Blumhouse. Dennoch suchen sie das breite Publikum, von dem sie im Gegenzug gefunden und geschätzt werden. Das setzt Konstanz voraus, weshalb A24 die Visionen ambitionierter Filmemacher und damit das von Manchen totgesagte Autorenkino fördert. Von hier aus war vor drei Jahren Barry Jenkins durchgestartet, dessen Drama "Moonlight" mit etlichen Preisen ausgezeichnet wurde. Ari Aster gab dem Horrorgenre mit "Hereditary – Das Vermächtnis" den nächsten Schub, um mit "Midsommar" zu beweisen, dass er keine Alltagsfliege war. Und Robert Eggers drehte für das Studio zuletzt das gefeierte Schwarz-Weiß-Psychogramm "Der Leuchtturm", nachdem er mit dem Grusel-Meisterstück "The Witch" seinen Aufsehen erregenden Durchbruch hatte.

Damit und einigen anderen vorausgegangen Ausführungen ist bereits so manche Antwort gegeben auf die eingangs gestellte Frage nach den Gründen für das Phänomen Low-Budget-Blockbuster. Weshalb das Folgende allenfalls die rhetorische Funktion eines Fazits hat. Die Filme von Blumhouse Production und Konsorten sind so erfolgreich, weil sie handwerklich auf solidem Fundament stehen. Dass die Studios aus dem Genrespektrum mit Vorliebe auf das Angstkino setzen, tut sein Übriges. Das Horrorgenre ist noch immer eine sichere Bank. Gelungene Gruselfilme stimulieren unsere Urängste, mindestens aber kompensieren sie unsere negativen Alltagserfahrungen. In den besten von ihnen begehren die Zuschauer nicht nur eine heile Welt durch den Sieg des Helden über das Monster. Sie suchen darin auch einen Ausblick auf ihre Zeit. Auch das gewährleisten manche Low-Budget-Blockbuster.

Meisterhaft inszeniert und von den Hauptdarstellern Willem Dafoe und Robert Pattinson überzeugend gespielt: Robert Eggers abgründige Psychostudie "Der Leuchtturm" (Bild: ddp images/Capital Pictures)
Meisterhaft inszeniert und von den Hauptdarstellern Willem Dafoe und Robert Pattinson überzeugend gespielt: Robert Eggers' abgründige Psychostudie "Der Leuchtturm" (Bild: ddp images/Capital Pictures)

Nicht zuletzt wird dieses Phänomen durch das andere erklärt. Wenden sich die Zuschauer nicht massenhaft den kleinen, mit überschaubaren Mitteln produzierten, sich bescheiden gebenden Filmen zu, weil sie die Nase voll haben von der Megalomanie der so genannten Tentpole-Produktionen, die immer seltener Zeugnis menschlicher Schöpfungskraft denn der Hybris sind?

Moral von der Geschichte

Wir lassen die Tür lieber geschlossen, die Martin Scorsese zuletzt aufgemacht hatte, und werfen nicht die Frage auf, ob das eine Kino und das andere Jahrmarktattraktion ist. Wir dürfen aber behaupten, dass sich die großen Studios von den kleinen etwas Wesentliches abschauen sollten. Enthält schließlich das Phänomen Low-Budget-Blockbuster nicht so manche Wahrheit, von der auch der Mainstream-Film und das Kino im Allgemeinen profitieren könnten? Beide Filmtypen, die megalomanen wie die bescheidenen Blockbuster, geben den Zuschauern offenbar, was diese von Kino und von Film begehren. Nur: Müsste das größenwahnsinnige Hollywood nicht auch zu der Erkenntnis gelangen, dass auch der andere Weg zum gleichen Ziel führt, nämlich Geld verdienen – was in der Traumfabrik doch immer eine zentrale Rolle spielt?

In der Megalomanie spiegelt sich auch die Krise des Kinos, die immer dann am größten ist, wenn ein mächtiger Konkurrent sich anstellt, ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Einst hatte das Fernsehen das Kino bedroht, dann das Medium der DVD. Heute sind es die Streaming-Dienste. Haben aber die Macher der Low-Budget-Produktionen nicht die bessere Antwort auf die Serien von Netflix, Amazon Prime und Co. gefunden? Die Großen tun stattdessen, was sie immer in Krisenzeiten taten. Statt auf Qualität setzen sie paradoxerweise auf Quantität. Paradox deshalb, weil sie umso mehr Geld in die Filme pumpen, je weniger Profit sie abwerfen. Dahinter steckt die Wahnidee einer kompletten Markteroberung. Mit der Tentpole-Strategie haben sie dieses Ziel – fast – erreicht. Immer mehr Menschen schauen sich in den Kinos immer weniger Filme an, die immer größer werden. Es ist eine Blase, die irgendwann platzen muss. Nun, die Low-Budget-Blockbuster könnten der Stich sein, der das verursacht.