Abgastests mit Menschenaffen verleihen dem Dieselskandal eine neue Dimension. Herr K. jedoch gibt sich ungerührt. Dann weckt ein Zoobesuch sein Mitgefühl.

Wie steht Herr K. zu den Tierversuchen, mit denen VW die gesundheitliche Unbedenklichkeit seiner Dieselmotoren beweisen wollte? Man braucht ja heute zu allem eine Meinung: zu Donald Trump, zum „Bachelor“ auf RTL, zu Dieter Wedel. „Ist das nicht voll krass, dass die diese armen Äffchen verrecken lassen?“, formulierte es Herrn K.s 16-jährige Tochter, die in solchen Fällen zu gewissen rhetorischen Vereinfachungen neigt, womit sie nicht allein ist.

Die ganze Nation leidet derzeit mit zehn Langschwanzmakaken, von denen man nicht einmal weiß, ob sie mittlerweile an Altersschwäche gestorben sind oder bei anderen Tests (vielleicht für einen neuen Moisturizer von L‘Oreal?). Aber vielleicht hätte Herr K. seiner Tochter nicht auch noch sagen sollen, dass es Schlimmeres gibt im Leben als ein paar Affen, die Abgase einatmen und dabei Zeichentrickfilme gucken dürfen. Vielleicht hätte er sich ebenso die Frage verkneifen sollen, ob mehrere Folgen „Ninja Turtles“ nicht womöglich menschen- und affenverachtender sind als ein bisschen Stickoxid. Jedenfalls hat ihn seine Familie zur Strafe nun mit in den Zoo geschleppt.

Es ist Wochenende, und Herr K. erdrückt die Tierliebe um ihn herum. Er sitzt im abgedunkelten Affenhaus zwischen Bonobos und Zwergseidenäffchen auf der einen Seite und keifenden Kleinkindern namens Chayenne-Shakira und Javier-Keanu sowie Erziehungsberechtigten in Lillifee-Leggins und Jack-Wolfskin-Outdoorjacken. Die Affen wirken unterm Strich deutlich entwickelter.

„Denen geht’s doch heute eh besser als uns Männern“, hatte Herrn K.s Kollege Koslowski im Büro gesagt und die These sogar zu untermauern versucht: „Entweder sie leben gut beschützt in landschaftlich opulenten Reservaten. Oder sie bekommen Vollpension in einem Zoo. Und weder hier noch dort müssen sie mit ihren Weibchen patriarchalische Verhaltensmuster diskutieren.“ Koslowskis Fazit: „Hierarchisch ist die Welt da noch in Ordnung. Und niemand beschwert sich, wenn einer mal nicht im Sitzen pinkelt. Win-win.“ Dann lachte er sein dröhnendes Koslowski-Lachen: „Muahaha.“

Herr K. steht jetzt am Gorilla-Gehege. Vor ihm hockt einer dieser uralten Silberrücken und kratzt sich gelangweilt. Ein stolzer Rudelführer. Aber vielleicht ist die Würde auch nur inszeniert? Vielleicht rotten sich die Weibchen hinter seinem Rücken bereits zusammen, organisieren Me-Too-Sit-ins und Unconscious-Bias-Workshops? Zumindest lässt sich der alte Affe nichts anmerken.

Herr K. wirft ihm eine der Biokarotten rüber, die er eigens im Zoo-Shop kaufen konnte für fünf Euro, was ja nun wirklich das beste Geschäftsmodell von allen ist: Die Besucher zahlen beseelt das überteuerte Futter der Tiere. Der Gorilla hebt die Karotte auf, glotzt Herrn K. an und wirft sie durch die Stangen zurück. Sie schauen sich an: zwei Primaten. Blicke, die ausloten wollen: Wer hat‘s mieser erwischt? Dann trottet der Gorilla einfach davon.

Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist – beruflich wie privat – bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt’s auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: herr.k@handelsblatt.com oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK