POLITIK/ROUNDUP: Türkei-Wahl endet im Ausland - hohe Beteiligung in Deutschland

ESSEN (dpa-AFX) -Für rund 3,4 Millionen Wahlberechtigte im Ausland endet an diesem Dienstag die Abstimmung für die Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei. Unter den 1,5 Millionen Menschen in Deutschland mit türkischem Pass zeichnete sich eine hohe Wahlbeteiligung ab. Binnen elf Tagen - also zum Stand am vergangenen Sonntag - gaben in Deutschland 642 000 Personen ihre Stimme ab, wie Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien in Essen berichtete. Im Vergleich zur letzten Wahl 2018 sei das ein Zuwachs von gut 19 Prozent.

Die Wahlbeteiligung lag damit bis Sonntag bundesweit bei knapp 43 Prozent. Im Vergleichszeitraum 2018 hatte sie 38,5 Prozent betragen. Unter den Türken im Ausland, die seit dem 27. April ihre Stimme abgeben können, kommt Deutschland auf die meisten Wahlberechtigten. Und unter den Bundesländern leben mit gut 500 000 Wahlberechtigten die meisten in Nordrhein-Westfalen. In der Türkei wird am 14. Mai abgestimmt.

"Die Zunahme der Wahlbeteiligung verdeutlicht, dass die türkischen Wählerinnen und Wähler den Wahlen eine hohe emotionale Bedeutung beimessen, obwohl die Ergebnisse ihren Lebensalltag in Deutschland nicht tangieren", erläuterte Experte Ulusoy. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan muss nach 20 Jahren an der Macht um seine Wiederwahl fürchten. Umfragen sehen ihn gleichauf mit Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu. Umso mehr wird auf das Votum der Türken im Ausland geschaut.

Ulusoy sagte, der Oppositionsallianz sei diesmal wohl eine stärkere Mobilisierung gelungen als 2018. Damals war Erdogan in Deutschland mit 64,8 Prozent auf hohe Werte gekommen - insgesamt hatte er bei der Türkei-Wahl vor fünf Jahren nur 52,6 Prozent erhalten. Auch Forscherin Sinem Adar von der Stiftung Wissenschaft und Politik sagte jüngst, die Opposition habe zwar längst nicht die Mittel wie Erdogans AKP, sei aber diesmal vor allem über die sozialen Medien aktiv an die Wähler im Ausland herangetreten.

Die hohe Wahlbeteiligung hängt nach Einschätzung der Türkischen Gemeinde in Deutschland auch damit zusammen, dass sie von vielen als "Schicksalswahl" gesehen werde. Viele Wahlberechtigte seien angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens umso mehr der Ansicht, dass ihre Stimme den Ausschlag geben könne. Während Großveranstaltungen in Deutschland 2018 vor der Wahl zu öffentlicher Polarisierung geführt hätten, bringe die Hilfe für die Erdbebenopfer in der Türkei die Menschen hierzulande aktuell enger zusammen, hatte der TGD-Vorsitzende Gökay Sofuoglu kürzlich bei einer Expertenrunde des Mediendienstes Integration geschildert.

Es gab auch Kritik und Mahnungen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte im ZDF-Magazin "frontal" vor verbotener Einflussnahme. Die Erdogan-Regierung versuche, auf Wahlberechtigte in Deutschland Druck auszuüben. "Das findet manchmal auf Wegen und mit Methoden statt, die nicht akzeptabel sind", zitierte "frontal" den Minister am Dienstag. Der türkische Staat versuche, hierzulande dafür zu werben, dass die aktuelle Regierung im Amt bleibe. Es werde versucht, Einfluss zu nehmen auf die Meinungsbildung. Ein direkter Wahlkampf türkischer Politiker in Deutschland ist verboten.

Der türkeistämmige Journalist Hüseyin Topel aus Hilden bei Düsseldorf hatte vor Wahlmanipulation gewarnt. Es sei "höchste Vorsicht geboten", sagte er der dpa zu Beginn der Stimmabgabe in Deutschland. Besonders die Wahlurnen im Ausland sollten "durch Unterstützer der Opposition parteiübergreifend akribisch" bewacht werden.