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Von Pekings Gnaden

„Das Vereinigte Königreich schickte eine Invasionstruppe mit mehr als 100.000 Soldaten“, sagte der chinesische Präsident Xi Jinping. Die Besetzung Hongkongs durch Großbritannien in den 1840er Jahren habe ein Jahrhundert der Demütigungen für China eingeleitet. Aber mit der Rückgabe Hongkongs an das bevölkerungsreichste Land der Welt vor genau 20 Jahre gehörten die Erniedrigungen endgültig der Vergangenheit an. „Seit der Rückkehr zum Vaterland nimmt Hongkong am großen Wiederaufstieg der chinesischen Nation teil“, sagte Xi.

Den 20. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs feiert der chinesische Präsident am Samstag mit einer großen Zeremonie. Unter seiner Aufsicht legt die neue Verwaltungschefin Carrie Lam den Amtseid ab. In einer Rede zeigte Xi ihr klare Grenzen auf: „Seit Hongkong wieder zum Vaterland gehört, ist es wichtiger denn je, unsere Souveränität zu verteidigen“, forderte der chinesische Staatschef. Jeglicher Zweifel an Pekings Herrschaft über Hongkong sei unzulässig.

Beobachter werteten seine Rede als klares Signal an die Demokratiebewegung, die 2014 mit dem Verlangen nach mehr Mitsprache Tausende Demonstranten auf die Straßen gebracht hatte. Peking ignorierte diese Forderungen jedoch und hielt an der indirekten Wahl der Regierungschefin fest. Dabei setze sich Lam in einem handverlesenen Gremium gegen einen weit populäreren Kandidaten durch. Deswegen vermuten Kritiker, dass die Bürokratin Lam sei nicht durch einen demokratischen Prozess in ihr Amt gekommen.

Diese politischen Entwicklungen stoßen den Bürgern Hongkongs auf. Sie wollen ihre Autonomie behalten. Politische Aktivisten riefen daher zum Jahrestag zu Demonstrationen auf. Das versuchte die chinesische Regierung zu verhindern. Drei pro-demokratische Aktivistengruppen teilten mit, am Mittwochabend seien 26 ihrer Mitglieder wegen öffentlicher Ruhestörung festgenommen worden, darunter die Anführer Joshua Wong und Nathan Law. Sie hätten einen Sitzstreik in der Nähe des Hotels, an einer riesigen Blumenskulptur, organisiert.

Der 20-jährige Wong war einer der Wortführer, der mit der Forderung nach mehr Demokratie vor drei Jahren die Hongkonger „Regenschirm-Bewegung“ angeführt hatte. Über mehrere Wochen hatten die Demonstrationen damals Teile der Innenstadt blockiert.

Seit der Rückgabe am 1. Juli 1997 gehört die Wirtschafts- und Finanzmetropole zwar zur Volksrepublik China. Allerdings genießt die Sonderverwaltungszone mehr Autonomie, mit einem eigenen Zoll- und Steuergebiet sowie weitgehender Presse- und Meinungsfreiheit. Pekings Formel dazu lautet „ein Land, zwei Systeme“.

Aber das Verhältnis zwischen Peking und Hongkong ist angespannt. „Durch die wiederholten Versuche der zentralchinesischen Regierung Hongkongs politische Autonomie einzuschränken, ist die Gesellschaft der Metropole zunehmend politisiert worden“, sagte Kristin Shi-Kupfer von Berliner Chinaforschungsinstitut Merics. „Spätestens mit dem nach wie vor nicht völlig geklärten Verschwinden von fünf einheimischen Buchhändlern Ende 2015 ist bei vielen Hongkongern das Vertrauen in Beijings Autonomieversprechen geschwunden.“

Der Einfluss Chinas auf Politik und Wirtschaft in Hongkong habe deutlich zugenommen, davon ist Shi-Kupfer überzeugt. „Journalisten berichten von Selbstzensur und wirtschaftlichem Druck vonseiten zahlungskräftiger Anzeigenkunden aus der Volksrepublik. Akademiker beklagen politische Einflussnahme bei Stellenbesetzungen“, sagte die Forscherin.

Das Außenministerium in Peking erklärte, die gemeinsame chinesisch-britische Erklärung zur Zukunft Hongkongs von 1984 sei nicht mehr relevant. Sie habe keine Bindekraft für die Amtsführung der chinesischen Zentralregierung in Hongkong, sagte Sprecher Lu Kang.

Präsident Xi versuchte bei seinem ersten Besuch in Hongkong seit seinem Amtsantritt 2013 erst gar nicht, Ängsten vor mehr Einfluss von Peking entgegenzutreten. Ganz im Gegenteil: Er unterstrich bei Besuchen der Politik mit einer Garnison der Volksbefreiungsarmee, dass Hongkong ein untrennbarer Bestandteil Chinas ist und jegliche Freiheiten in der Sonderverwaltungszone von der Entscheidung der chinesischen Hauptstadt abhängig seien. Demonstrativ soll der erste Flugzeugträger der Volksrepublik, die Liaoning, in wenigen Tagen erstmals den Hafen von Hongkong ansteuern.

KONTEXT

Wo der Kommunismus noch lebt

Kommunistische Regime der Gegenwart

Vor dem Fall der Sowjetunion gab es zahlreiche Länder mit kommunistischen Regierungen. 2016 verbleiben noch vier, oder - je nach Lesart des nordkoreanischen Regimes - fünf.

Quelle: dpa

China

Mit 1,3 Milliarden Menschen bevölkerungsreichstes Land der Welt. Es hat den Aufstieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt seiner Abkehr vom kommunistischen Wirtschaftsmodell zu verdanken. Seit den 1980er Jahren verfolgt China eine Politik der Reformen und der Öffnung. Die sozialistische Marktwirtschaft funktioniert nach kapitalistischen Methoden. Die kommunistische Ideologie wird gepflegt, dient aber nur dem Erhalt der Diktatur der Kommunistischen Partei.

Vietnam

Nachbarland Chinas, etwa so groß wie Deutschland ohne Hessen, mit mehr als 3000 Kilometern Küste am Südchinesischen Meer. Rund 94 Millionen Einwohner. Ho Chi Minh gründete die Kommunistische Partei in den 1930er Jahren im Kampf gegen die Kolonialmacht Frankreich. Nach der Niederlage Frankreichs besiegten die Kommunisten auch das US-gestützte Regime in Südvietnam. Seit 1975 regieren sie das vereinigte Land. Seit 1986 gibt es marktwirtschaftliche Reformen.

Kuba

Gut elf Millionen Einwohner, etwa so groß wie einst die DDR. Nach der Revolution von 1959 wandte es sich Anfang der 1960er Jahre zum Kommunismus und suchte bei der Sowjetunion Schutz vor dem kapitalistischen Nachbarn USA, der zuvor großen Einfluss auf der Insel hatte. Bis 2006 regierte Revolutionsführer Fidel Castro (89). Unter Fidels jüngerem Bruder RaÁl (84) versucht Kuba seit einigen Jahren mit zaghaften markwirtschaftlichen Reformen, die marode Wirtschaft des Landes anzukurbeln.

Laos

Armes Nachbarland Vietnams ohne Küstenzugang, etwas kleiner als die Bundesrepublik ohne die neuen Bundesländer. Knapp sieben Millionen Einwohner. Laos war Teil des französischen Kolonialgebiets Indochina. Im Vietnamkrieg wurde es zum meist bombardierten Land der Welt. US-Bomber legten weite Teile in Schutt und Asche, weil vietnamesische Kommunisten sich im Grenzgebiet versteckten. Bis heute sind die Böden verseucht. Nach dem Ende des Vietnamkriegs marschierte Vietnam ein und installierte 1975 die kommunistische Regierung.

Nordkorea

Nachbarland Chinas, etwa ein Drittel so groß wie Deutschland, 24 Millionen Einwohner. Die UN werfen der Diktatur gröbste Menschenrechtsverletzungen vor. Nordkorea hat zwar 2009 alle Bezüge zum Kommunismus aus seiner Verfassung gestrichen. Aber die Arbeiterpartei wurde 1945 als Zweig der ehemaligen Kommunistischen Partei gegründet. An der Spitze von Staat, Partei und Armee steht der Machthaber Kim Jong Un; er "erbte" die Machtposition von seinem Vater. Bereits sein Großvater Kim Il Sung war mit Hilfe Moskaus an die Spitze der Partei gelangt und wird als Staatsgründer verehrt.