Werbung

PCR-Pool-Tests könnten Schulen und Kitas sicherer machen: Warum die Bundesländer sie kaum einsetzen

Martha (10 Jahre), Schülerin einer vierten Klasse einer Grundschule, hält während eines selbst durchgeführten Coronatests ihr Teströhrchen mit ihrer Speichelprobe in den Händen.
Martha (10 Jahre), Schülerin einer vierten Klasse einer Grundschule, hält während eines selbst durchgeführten Coronatests ihr Teströhrchen mit ihrer Speichelprobe in den Händen.

Zehntausende Kinder und Jugendliche infizieren sich wöchentlich mit dem Coronavirus. Die vom Robert-Koch-Institut ausgegebenen Corona-Inzidenzen bei Kita- und Schulkindern gehen in den höheren dreistelligen Bereich: 471 bei 5- bis 9-Jährigen, 565 bei 10- bis 14-Jährigen, 771 bei 15- bis 19-Jährigen.

Dennoch bleiben die Schulen und Kindergärten in Deutschland geöffnet. Distanzunterricht soll in der Pandemie-Bekämpfung nur das letzte Mittel sein, sagte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) schon Mitte Dezember. Bisher entsprechen die Bundesländer diesem Credo, vor allem mit Schnelltests soll das Fortlaufen des Unterrichts und der Kinderbetreuung gewährleistet werden. Eine Recherche von Business Insider zeigte unlängst, dass auf eben diese an Schulen und in Kitas verwendeten Tests nicht immer Verlass ist. Kombiniert mit der noch geringen Impfquote unter Kindern und Jugendlichen ergeben sich die hohen Corona-Fallzahlen in der jungen Generation.

Janosch Dahmen, der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, plädierte deshalb im Gespräch mit Business Insider dafür, in Schulen und Kitas vermehrt auf sogenannte PCR-Pool-Tests zu setzen. Dabei handelt es sich um Sammeltests: Zwei mal in der Woche werden in einer Kindergarten- oder Schulklasse Lolli-Tests durchgeführt, die in ein Röhrchen gepackt und dann in einem Labor tagesaktuell untersucht werden. Ist der Pool-Test positiv, gehen Kinder und Mitarbeiter für einen Tag in Isolation, um Einzeltests durchzuführen. Positive Einzeltests und enge Kontaktpersonen von positiv Getesteten gehen in Isolation beziehungsweise Quarantäne, für den Rest der Klasse geht der Unterricht weiter. (Lest hier das RKI-Konzept für PCR-Pool-Tests)

"Die Praxis hat gezeigt, dass sich als Schutzkonzept in Kitas und an Schulen insbesondere eine regelmäßige Testung mittels Pool-PCR-Tests sehr gut eignet, weil diese sensitiver und damit verlässlicher sowie einfacher in der Anwendung sind", sagte Dahmen. Tatsächlich setzen einzelne Länder bereits auf verpflichtende PCR-Pool-Tests an Grund- und Förderschulen. Flächendeckende Pool-Tests in allen Einrichtungen gibt es jedoch nirgends – und in einigen Bundesländern lehnen das Konzept grundsätzlich ab.

PCR-Pool-Tests in den meisten Bundesländern nur in der Testphase

In Bayern etwa werden PCR-Pool-Tests eingesetzt – jedoch nicht flächendeckend, sondern vor allem den circa 2700 Grund- und Förderschulen. Pro Woche werden über 50.000 Pool-Tests ausgewertet, teilt das bayerische Gesundheitsministerium mit. Rund 500.000 Schülerinnen und Schüler an über 3.000 Standorten würden so getestet. Auch in bayerischen Kindertagesstätten, die sich Fördergelder vom Bundesland einwerben, können die Sammeltests verwenden. Stand 14. Januar seien das 312 Kitas gewesen, teilt das bayerische Familienministerium auf Anfrage mit. Zudem soll bald in der 5. und 6. Klasse mit PCR-Pool-Tests getestet werden, dazu sollen neue Laborkapazitäten geschaffen werden. "Die Gespräche mit den Laborbetreibern laufen derzeit", sagt ein Ministeriumssprecher. Aber: "Es mangelt dabei nicht an Material oder Gerätschaften der PCR-Auswertung, sondern an qualifiziertem Personal, sowohl in Bayern als auch in benachbarten Bundesländern."

Etwa in Baden-Württemberg, wo es Schulen und Kitas grundsätzlich freigestellt ist, PCR-Pool-Tests einzusetzen. Die Stadt Freiburg nutzt diese etwa in 67 Schulen und 201 Kindertageseinrichtungen. Die Landesregierung weist auf Anfrage jedoch auf die "erhebliche Logistik" hin, die solche Sammeltests mit sich brächten. Im Bundesland gibt es 1,5 Millionen Schul- und etwa eine halbe Millionen Kita-Kinder – zu viele, um flächendeckend mit ohnehin knappen PCR-Tests selbst im Sammelverfahren getestet zu werden.

In Schleswig-Holstein kamen die PCR-Pool-Tests nie über eine Testphase hinaus. Laut Bildungsministerium wären diese an einzelnen Schulen in Kiel und Pinneberg im November und Dezember erprobt worden. Eine flächendeckende Einführung der Tests im Bundesland erfolgte danach nicht – wohl auch, weil die Kapazitäten nicht ausreichen würden. " Wäre ein PCR-Pooltest je Klasse vorgesehen, so wären beispielsweise an den allgemein bildenden öffentlichen Schulen rund 1.100 PCR-Pooltests an einem Testtag erforderlich", teilt eine Sprecherin des Bildungsministeriums mit. Auch in Kitas sieht Schleswig-Holstein keine Pool-Tests vor. "Das Verfahren ist damit nicht sehr praktikabel umsetzbar und in Kommunen, die das umgesetzt hatten, bedeutete es für Eltern häufig und wiederholt die Notwendigkeit einer Eigenbetreuung der Kinder", sagt eine Sprecherin des Familienministeriums auf Anfrage von Business Insider. Zudem mangele es an PCR-Test-Kapazitäten, um Sammeltestungen umzusetzen – Antigentests lieferten zudem schnellere Ergebnisse.

Ähnlich lautet die Antwort der Landesregierung Hamburg auf Anfrage von Business Insider. Zwar werde seit Ende August ein Pilotversuch an neun von 441 Schulen im Land durchgeführt. Doch "eine Ausweitung ist nicht geplant, weil es in Hamburg schlicht keine dauerhaft verlässlichen Labor-Kapazitäten dazu gibt", sagt ein Sprecher. "Schon jetzt sind die Labor-Kapazitäten ausgeschöpft, für einen flächendeckenden Einsatz bräuchte es allein für den Schulbereich vermutlich 20- bis 50-fache Kapazitäten."

Auch in Mecklenburg-Vorpommern läuft ein Pilotprojekt zu PCR-Pool-Tests. 1000 Schülerinnen und Schüler von insgesamt 155.000 haben laut Angaben des Bildungsministeriums teilgenommen. Ob die Tests ausgeweitet würden, werde zurzeit noch mit Experten und anschließend im Landtag diskutiert. Doch ohnehin stünden für eine flächendeckende Einführung der Sammeltests laut Einschätzung des Ministeriums "vermutlich nicht ausreichend PCR-Kapazitäten zur Verfügung."

Auch in Bremen werden PCR-Pool-Tests nicht flächendeckend angewandt. Einzelne Kitas könnten die Sammeltests anwenden, wenn sie die Logistik selbst organisierten, teilt der Senat mit. In den Grundschulen sei in den drei Wochen nach den Sommerwochen 2020 per PCR-Pool-Tests getestet worden. "Die Rückmeldungen der Einrichtungen war sehr unterschiedlich", so eine Sprecherin. "Die Grundschulen waren sich aber einig, dass Ihnen eine schnelle, individuelle Rückmeldung wichtig ist, weshalb dort wieder Antigen-Schnelltests eingesetzt werden."

In Sachsen-Anhalt werden bislang laut Angeben des Bildungsministerium und des Familienministeriums bisher noch gar keine PCR-Pool-Tests in Schulen und Kitas eingesetzt. Es gäbe jedoch Überlegungen, ein Pilotprojekt an Schulen zu starten.

In Rheinland-Pfalz gibt es nicht einmal diese. " Flächendeckende PCR-Pool-Tests werden in Rheinland-Pfalz nicht durchgeführt und sind nach aktuellem Stand nicht geplant", teilt eine Sprecherin des Bildungsministeriums mit. In dem Bundesland gilt eine Testpflicht per zweimal wöchentlichem Antigentest für ungeimpfte und nicht genesene Schüler und Mitarbeitende. "Unser System mit den Selbsttestungen hat sich gut eingespielt und bewährt", so die Sprecherin. "Es ermöglicht einen guten Überblick über das schulische Infektionsgeschehen." Für PCR-Pooltests mangele es angesichts der hohen Inzidenzen an Kapazitäten, es wären Verzögerungen bei den Ergebnissen zu befürchten. "Damit würden viele Schülerinnen und Schüler unnötig in Quarantäne geschickt."

Auch in Berlin wird gänzlich auf PCR-Pool-Tests verzichtet. An Schulen kommen laut Angaben der Landesregierung Schnelltests, in Kitas ab kommender Woche Lollitests zum Einsatz. Ebenso verfährt das Bundesland Hessen. PCR-Tests würden nur mit einem Tag Verzug Ergebnisse liefern, so ein Sprecher des hessischen Bildungsministeriums. Sicher seien Schulen aber nur dann, wenn die Schüler direkt wüssten, ob sie infiziert sind oder nicht. So argumentiert auch das Bildungsministerium in Sachsen. Zudem würden PCR-Pool-Tests "die Testkapazitäten des Landes über die Grenzen bringen, gerade auch jetzt in Zeiten von Omikron", teilt eine Sprecherin mit.

Laborverbände warnen vor Überlastung, Bund und Länder wollen PCR-Tests einschränken

Tatsächlich stehen die Labore in Deutschland, die PCR-Tests auf das Coronavirus durchführen, angesichts der Rekordzahlen in der durch die Omikron-Variante ausgelösten Corona-Welle nach eigenen Angaben nahe der Überlastung. Am vergangenen Donnerstag meldete der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM), dass im Laufe einer Woche fast zwei Millionen PCR-Tests in Deutschland überprüft wurden – ein Allzeithoch in der Pandemie.

"Zur Vermeidung von Überlastung appellieren wir an die notwendige konsequente Priorisierung der SARS-CoV-2-Diagnostik bereits bei der Testabnahme nach den Vorgaben der Nationalen Teststrategie“, sagte der ALM-Vorsitzende Michael Müller. Schon Ende November hatte Müller im Gespräch mit Business Insider eine solche Priorisierung der PCR-Tests gefordert. "Die PCR-Kapazitäten sind endlich und nicht beliebig ausbaubar“, sagte Müller damals.

Tatsächlich wird eine Priorisierung der PCR-Tests angesichts der Rekordhöhe der Infektionszahlen im Land aktuell zwischen Bund und Ländern debattiert. Auf der Gesundheitsministerkonferenz am Montag konnte in dem Punkt jedoch keine Einigung erzielt werden. Unter anderem das Land Berlin hatte eine Priorisierung gefordert, die auch Schülerinnen und Schüler beinhaltet. Das Bundesgesundheitsministerium beharrte auf einer Priorisierung nur für Gesundheitspersonal. Wann und ob sich alle Seiten auf eine Priorisierungsliste für PCR-Tests einigen, ist offen.