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Ist "Der Pass" die beste deutschsprachige Krimiserie aller Zeiten?

Ellie Stocker (Julia Jentsch) und Gedeon Winter (Nicholas Ofczarek) sind zurück - und mit ihnen die Serie "Der Pass". Zweifel waren erlaubt, ob die mir dem Grimmepreis und vielen anderen Trophäen bedachte Krimserie in Staffel zwei ihr Niveau halten kann. Doch - vielleicht dank der zu Staffel eins identischen Macher - gelingt das Comeback. (Bild: Sky Deutschland/W&B Television/epo-film/Hendrik Heiden)

Die deutsch-österreichische Serie "Der Pass" gewann 2019 fast alles, was es zu gewinnen gab. Doch lässt sich das Highend-Drama vor Alpenkulisse auf gleichem Niveau fortsetzen? Ja, es funktioniert! Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek erleben in der neuen Mördererzählung noch Abgründigeres.

Gerade in einem Genre wie der Krimiserie, das in geradezu sturzbachartigen Mengen aufs Publikum herabregnet, lohnt sich die grundsätzliche Frage: Wie konnte ein derart abgenutztes Gebrauchskunstgewerbe, noch dazu deutschsprachig, ein Ausnahmeprodukt wie "Der Pass" erschaffen? 2019 lief das Sky-Original als Achtteiler zunächst im Pay-TV. Ein knappes Jahr später beim ZDF. Für das düstere Epos vor sensationeller Alpenkulisse, in dem zwei Ermittelnde aus Deutschland (Julia Jentsch) und Österreich (Nicholas Ofczarek) einem Serienmörder nachstellen (auch die Idee klingt eigentlich verbraucht!) gab es die begehrtesten Trophäen wie den Grimmepreis und eine österreichische "Romy" als "Beste Serie" des Jahres. Das Format wurde in 60 Fernsehmärkte, inklusive USA und Großbritannien, verkauft.

Nun folgt also Staffel zwei (ab 21. Januar, donnerstags, um 20.15 Uhr, in Doppelfolgen auf Sky One oder komplett auf Abruf bei Sky Ticket und Sky Q), die in acht knapp einstündigen Teilen eine neue Mörderhatz präsentiert. Der Gegner für das aus Fall eins noch schwer angeschlagene Ermittler-Duo - posttraumatische Belastungsstörung bei Julia Jentschs Figur Ellie Stocker und eine lebensgefährliche Schussverletzung bei Gedeon Winter (Ofczarek) - ist diesmal ein hochsensibler Pianist und Jäger aus besseren Kreisen.

Der 29-jährige Österreicher Dominic Marcus Singer spielt einen reichen, aber beschäftigungslosen Erben, der sich im Familienschloss dem Klavierstudium hingibt. Solange, bis er beim Vorspiel am berühmten Salzburger Mozarteum eine Absage erhält. Man ahnt es bereits: Dieser junge Mann, den man in Folge eins kennenlernt, wird zum Mörder.

Wenn schon Krimi(flut), dann bitte so: Kommissarin Ellie Stocker (Julia Jentsch), die noch unter den Ereignissen des Krampuskiller-Falls leidet, bekommt in der "Der Pass" einen neuen Gegner. Staffel zwei der vielfach preisgekrönten deutsch-österreichischen Sky-Produktion ist wiederum ein großer Wurf. (Bild: Sky Deutschland/W&B Television/epo-film/Hendrik Heiden)

Ein deutsch-österreichisches "True Detective"

Grundsätzlich unterstützt wird der feinsinnige Mörder von seinem älteren, durchaus lebenstüchtigen Bruder (Christoph Luser), der das Großkonzern-gleiche Familienunternehmen leitet. Der führt ein recht normales Reichenleben, das jedoch am ausgeprägten Schutzinstinkt für den kleinen Bruder leidet. Soweit zum Plot und der grundsätzlichen Psychologie des Falles, die frühzeitig in Folge eins vollständig entblättert wird, weshalb ein Spoiler-Alarm für "Der Pass", Staffel zwei, weitgehend entfällt. Vielmehr geht es - man kennt es aus Staffel eins - darum, wie der Täter welche Taten plant, welche Tricks er entsinnt, um dem nachstellenden Polizei-Apparat zu entgehen und natürlich wie beide Seiten unter dem Mörderspiel leiden. Denn, auch dies wird in Staffel zwei wiederholt: Helle Momente gibt es in "Der Pass" eher nicht.

So düster, wie die alpine Landschaft von der grandiosen Kamera (wiederum: Philip Peschlow) zum von Hans Zimmer kuratierten Wucht-Soundtrack eingefangen wird, gestaltet sich auch die Befindlichkeit der Ermittler. Zu den etablierten Figuren Stocker und Winter, die beide großartig derangiert wirken, kommt eine junge, sehr ehrgeizige Ermittlerin aus Deutschland (Franziska von Harsdorf) sowie ein von Andreas Lust gespielter österreichischer SOKO-Chef für die neue Mordserie hinzu.

Bleibt die Frage: Warum ist "Der Pass" wiederum so verdammt gut? Die Antwort lautet: Weil alle Gewerke, die einen Film ausmachen, einen sensationellen Job abliefern. Beginnend beim feinen Drehbuch des Macher-Duos Cyril Boss und Philipp Stennert (beide auch Regie), das sämtliche Handlungsstränge mit Ruhe und Auge fürs Ganze auslegt, das lustvolle Teaser einbaut und trotzdem immer wieder Leerstellen zum Rätseln und Staunen lässt. Hinzukommt fantastisches Handwerk wie die bereits erwähnten Kamera, Musik, Schnitt und natürlich großartige Schauspieler.

Mit all diesen Qualitäten, die fast alles übertreffen, was man sonst an deutschem Krimi zu sehen bekommt, darf "Der Pass" fast schon als deutsch-österreichisches "True Detective" geadelt werden - eine Krimiserie, die das Genre zwar nicht neu erfindet, aber so überragend durchkomponiert und mit großen, glaubwürdigen Dramaelementen versehen ist, dass das Wort Krimi definitiv zu klein erscheint. Sogar mit "Vorteil" Deutschland/Österreich, denn Staffel zwei bedeutete bei "True Detective" einen steilen Abstieg, während die Fortsetzung von "Der Pass" trotz ähnlicher Zutaten die Qualität von Staffel eins definitiv hält. Gerade das ist alles andere als leicht - wofür die Macher ein zusätzliches Lob verdienen.

Staffel zwei präsentiert einen neuen Serienmörder: einen hochsensiblen und aus reichem Elternhaus stammenden jungen Mann (Dominic Marcus Singer), der es auf junge Frauen abgesehen hat. (Bild: Sky Deutschland/W&B Television/epo-film/Hendrik Heiden)
Staffel zwei präsentiert einen neuen Serienmörder: einen hochsensiblen und aus reichem Elternhaus stammenden jungen Mann (Dominic Marcus Singer), der es auf junge Frauen abgesehen hat. (Bild: Sky Deutschland/W&B Television/epo-film/Hendrik Heiden)