Elf Tote und über 80 Verletzte bei israelischem Armeeeinsatz im Westjordanland
Bei dem tödlichsten israelischen Armeeeinsatz im besetzten Westjordanland seit dem Jahr 2005 sind am Mittwoch nach palästinensischen Angaben mindestens elf Palästinenser getötet worden. 82 weitere Menschen erlitten nach Angaben der Palästinenserregierung bei dem Einsatz in Nablus Schussverletzungen. Die israelische Armee sprach von einem "Anti-Terroreinsatz". Die internationale Gemeinschaft reagierte mit größter Besorgnis und rief zur Deeskalation auf.
Unter den Todesopfern ist nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums ein 16-jähriger Jugendlicher, die anderen Getöteten seien zwischen 23 und 72 Jahre alt. Bei dem elften Opfer handele es sich um einen 66-jährigen Mann, der am Abend nach dem Einatmen von Tränengas seinen Verletzungen erlag. Unter den Verletzten war ein Journalist von Palestine TV, wie einer seiner Kollegen mitteilte.
Die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad erklärte, ein örtlicher Anführer ihres bewaffneten Arms sei unter den Todesopfern. Die israelische Armee teilte mit, bei dem "Anti-Terroreinsatz" seien drei wegen Beteiligung an bewaffneten Angriffen oder wegen geplanter Anschläge gesuchte Verdächtige "neutralisiert" worden.
Ein AFP-Reporter beobachtete, wie israelische Soldaten im Zentrum von Nablus Tränengasgranaten in Richtung junger Palästinenser feuerten. Diese schleuderten Steine und Brandsätze auf Militärfahrzeuge und setzten Reifen in Brand. Die israelische Armee feuerte nach Angaben ihres Sprechers Richard Hecht Raketen auf ein Haus ab, in dem sich mehrere Verdächtige verschanzt hatten.
UN-Generalsekretär António Guterres sagte in New York, "die Situation im besetzen Palästinensergebiet ist an ihrem gefährlichsten Punkt seit Jahren". Erste Priorität müsse sein, "eine weitere Eskalation zu verhindern, Spannungen zu verringern und Ruhe wiederherzustellen". Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich "tief beunruhigt". Die USA erklärten, sie seien "extrem besorgt" über die Gewalt im Westjordanland.
Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte am Abend, es sei "sehr besorgt über die hohe Zahl an zivilen Opfern und Verletzten" bei der israelischen Militäroperation in Nablus. "Auch beim Vorgehen gegen extremistische Kräfte müssen die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel und der unbedingte Schutz der Zivilbevölkerung immer gewahrt sein", erklärte das Bundesaußenministerium.
Die israelische Polizei erhöhte nach eigenen Angaben die Alarmbereitschaft, vor allem in Jerusalem. Sijad al-Nachala, Generalsekretär des Islamischen Dschihad, sprach von einem "bedeutenden Verbrechen", auf welches die "Wiederstandstruppen ohne zu zögern" reagieren müssten.
Die israelische Armee hat seit fast einem Jahr ihre Einsätze im Norden des Westjordanlands verstärkt. Dabei fahndet sie nach militanten Palästinensern, die "terroristischer" Aktivitäten verdächtigt werden. Besonders Nablus und Dschenin sind als Hochburgen bewaffneter Palästinensergruppen betroffen.
Seit Jahresbeginn wurden insgesamt 60 Palästinenser getötet, darunter Attentäter, Kämpfer, aber auch Zivilisten und Kinder. Auf israelischer Seite starben in dem Konflikt neun Zivilisten, ein Polizist und eine Ukrainerin.
ck/jes